Knorkator im Interview

„Oft sind es gerade die Witze, die die Lager noch mehr auseinanderbringen“ – Alf Ator von Knorkator im Interview

Wir haben mit Alf Ator – Songschreiber und Pianist der Berliner Fun-Metal Band, äh, Verzeihung, Boygroup Knorkator – über Gott, vulgäre Lyriks und die Rolle von Humor in gesellschaftspolitischen Themen gesprochen. Das ganze Interview im Podcast.

Mit ihrem neuen Album Ich bin der Boss sind Knorkator momentan auf Tour. Als es sie am 17. Februar nach Hannover verschlug, schnappten wir uns den Kopf der Kapelle, Alf Ator, um mit ihm ein Weilchen zu klönen. Herausgekommen ist kein 08/15-Promo-Plausch, auch kein Inside-Talk für eine eingefleischte Metal-Community, sondern ein sehr spannendes und selbstreflektiertes Gespräch, auch geeignet, wie es immer so schön heißt, für interessierte Laien.

Wer „die meiste Band der Welt“ bisher nicht kannte, hat erstens was verpasst und zweitens nun die Gelegenheit sie kennenzulernen*. Seit mehr als 20 Jahren (mit Unterbrechung) machen die Knorkatoren bereits Musik.Alf Ator im Interview

Ihr fun-tastisches Fünfergespann setzt sich folgendermaßen zusammen: Frontsänger ist Stumpen, seines Zeichens überdurchschnittlich tätowiert, -akrobatisch und -stimmgewaltig, wandelbar zwischen wohlklingendem Gesang, erstaunlicher Kopfstimme und kreischendem Getöle. Alf Ator verantwortet die Liedtexte und das Keyboard, hier oder da singt er aber auch selber. Gitarrist ist der zumeist stoische und dabei rauchende Buzz-Dee, der wegen seiner Beliebtheit ein wenig Maskottchencharakter hat. Komplettiert wird die Band von Rajko am Bass und Nick an den Drums.

(* Die von Alf im Gespräch genannten Titel zum Probehören heißen übrigens: Ich bin ein ganz besond’rer Mensch, Nur mal angenommen, Eigentum, Ich will nur ficken, Alles ist scheiße. Da sie nicht alle als Studioversionen bei YouTube zu finden sind, führen die Links zu Spotify.)

Sich vor nichts zurückhalten

Knorkator verkörpern virtuosen Wahnsinn. Vielleicht auch Schwachsinn mit Verstand. Einerseits das vermeintlich Anstößige wagen, andererseits aber auch Horizonte erweitern. Was auf den ersten Blick plump wirken mag, soll nicht einfach provozieren. „Es ging nie darum, das Thema ‚Scheiße‘ und ‚Ficken‘ besonders stark in den Mittelpunkt unserer Kunst zu heben“, betont Alf Ator. Viel mehr dienen solch unorthodoxe Elemente dazu, um auf alternative Weise Dinge zu reflektieren, zu ironisieren oder abstrakte „Knoten-im-Kopf-Fragen“ zu stellen. Diese Gradwanderung ist wichtiger Teil des Konzepts von Knorkator.

Vielleicht liegt der Reiz eben genau darin: Dass ein durch harmlose Schimpfwörter brüskierter Rezipient per se keine Tiefe erkennen möchte, obwohl diese Tiefe sich natürlich nicht durch bloße vulgäre Sprache disqualifiziert. Das beweisen sie. Schließlich wird auch die Fernsehserie South Park durch ihre gesellschaftskritischen Raffinessen gefeiert – trotz bewusst simpler Zeichnungen und dem berüchtigten Pipi-Kaka-Humor.

Und doch können sich Knorkator bei ihrer Musik immer auf den Aspekt der Unterhaltung berufen. Kernpunkt eines jeden Liedes ist ein Witz, oder wenigstens ein noch so kleiner Bruch mit dem Ernst. Niemand verlangt die Doppelbödigkeit oder eine subversive Kritikäußerung. Sonst wäre es ja kein Fun-Metal mehr. Wenn ein Song einfach mal eine aberwitzige Geschichte erzählt, ist das auch völlig Knokator-konform.

Tanzten Knorkator früher noch gerne regelmäßig auf der Rasierklinge des guten Geschmacks, brauchen sie heute nicht mehr den ständigen Grenzgang. Sowohl textlich als auch musikalisch haben sie sich breiter aufgestellt. Wenn es positiv gemeint ist, lässt Alf Ator auch die Attribute „erwachsener“ und „reifer“ gelten.

„Filme über Zombies machen nur Spaß in einer Welt, wo es keine Zombies gibt.“

Zugleich gibt sich Alf auch sehr selbstkritisch. Zwar müsse guter Humor irgendwie „verletztend“ sein, doch im Kontext aktueller gesellschaftspolitischer Debatten (z. B. der Rechtsruck hin zur Mitte, Demagogen in ranghohen Regierungsämtern, usw.) sei seine Rolle als unterhaltender Künstler derzeit „keine positive“. Demnach sei es momentan besonders wichtig, einander wieder zuzuhören und zu erkennen, dass die Lager im Diskurs womöglich gar nicht so weit auseinanderliegen. Allerdings führe ein polarisierender Witz, etwa in Form eines Songs, eher zu Frontenverhärtung als zu einer Annäherung.

In Zeiten wie diesen könnte Humor daher gut daran tun, keine realen Probleme abzubilden, die das Problem nur selber stärken anstatt es zu beseitigen. Oder um es mit Ators treffender Metapher zu sagen: „Filme über Zombies machen nur Spaß in einer Welt, wo es keine Zombies gibt.“

Reflexionen wie diese machen den Knorkatorismus besonders liebenswert. Wer gut gemachte und konventionsüberwindende Musik mag, hat beim Hören zuhause etwas zum Amüsieren und Durchdringen und auf den Konzerten etwas zum herzhaften Abspacken. Alle Termine zur Wir freuen euch uns zu sehen-Tour gibt es hier.

Bildquellen

  • Alf Ator im Interview: Privat
  • Knorkator: Pressebild / Gerhard Westrich