Der Weg zu Tüv und dekra

Deutsche Ängste: Warentest

Dieser Text hat die regelmäßige HU gerade bestanden, darf also noch mindestens 24 Monate auf deutschen Datenautobahnen rumfahren.

Der Deutsche, der nicht mindestens zwanzig Produkttests liest, bevor er sich einen elektrischen Nasenhaarschneider kauft, muss das Risiko lieben. Man weiß ja nicht, was so ein Nasenhaarschneider alles für potentielle Nachteile und versteckte Probleme mit sich bringen könnte. Irgendeiner geht da nicht.

Wir Deutschen sind vernarrt in das objektive Testen von allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Bitumen, elektrische Zahnbürsten, E-Book-Reader, Tretroller, Stiefmütterchensamen, Menschen und Autos. Alles muss bis ins Letzte überprüft sein. Zur Sicherheit versteht sich. Aus der Paranoia, dass jemals eine rostige Schraube aus dem Auto fallen könnte und den dritten Weltkrieg auslösen, entstand der TÜV, der bis heute beweist, dass die Deutschen auf Weltniveau überprüfen. Wer einmal die Übersichtsseite der globalen Dependancen des TÜV Rheinland besucht, wird erkennen: Der Weg zur Weltmacht geht über den Prüfstand.

Mutter TÜV, Vater Dekra und Kind PISA

Aber TÜV und Dekra sind ja nicht die einzigen, die hier prüfen. Die Stiftung Warentest ist die Kirche der Überprüfungsfetischisten und die Zeitschrift test ihr Gemeindeblatt. 1964 beschloss der deutsche Bundestag, im Bestreben seinen Subjekten etwas Gutes zu tun, die Gründung der Stiftung Warentest und gab den Bundesbürgern den Stoff, den sie brauchten: Tests. Nichts ist so schön wie den mit dem Qualitätsurteil „gut“ beschiedenen Laubhäcksler im Garten stehen zu haben. Damit hat man Neid und Bewunderung aller Nachbarn für sich.
Wehe doch ein Test, dessen Testobjekt die Deutschen an sich sind, stellt Mängel fest. Als im Jahr 2000 die PISA-Testergebnisse erschienen, war klar: Es ist aus und vorbei. Deutschland ist im Arsch. Keiner wird uns je wieder ernst nehmen. Der Untergang des Bratwurstlands. Glücklicherweise war Deutschland das einzige Land, das den Untersuchungen der OECD größere Aufmerksamkeit geschenkt hat, und sie gerieten in wohlfeile Vergessenheit. Heute sind die Schüler dumm wie eh und je und jeder Kultusminister meint, die Weltformel der Lehrangebote gefunden zu haben und lässt nochmal eben das Bildungssystem umbauen. Hinterher wird alles ISO9000-schlagmichtot zertifiziert und gut.

Wer als Ausländer, ganz ungeprüft, nach Deutschland kommt, wird gleich von Tests begrüßt: „Sie wollen hier Scheiße schaufeln? Haben Sie denn ihr Goethe-Zertifikat C1 dabei?“. Als Deutscher hat man es aber auch nicht leicht: „You want to sell belegte Brote at the Frankfurt Airport? Have you taken a TOEFL-Test recently and scored at least 110 points?“
Als der große deutsche Lobbyverband mit angeschlossenem Abschleppdienst ADAC beim Schummeln mit den Testergebnissen erwischt wurde, stand die Glaubwürdigkeit von allem und jedem auf dem Spiel. Das hat zum Glück nach sechs Monaten niemanden mehr interessiert. Die einzige Konsequenz war, dass die CSU endlich ihre PKW-Maut durchdrücken konnte. Die lobbyistische Macht des ADACs war geschmolzen, denn wer testet ist wichtig für die Sicherheit und Stabilität der deutschen Gesellschaft.

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