Lieblingsdinge: Das Fegefeuer des Manfred Sexauer

Das Fegefeuer erfährt, wer in der Gnade Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können.1

Der 2014 verstorbene Radiomoderator Manfred Sexauer ist bis heute jede Nacht in einer höllischen Dauerschleife gefangen. Im Werbespot für die „Summer of Love“-CD-Kollektion von Shop24Direct muss er die größten Hits der 60er Jahre bewerben. 72 Hits auf 4 CDs. Im Nachtprogramm privater Fernsehsender betet er immer wieder die selben sinnentleerten Phrasen herunter: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies aus dem man nicht vertrieben werden kann.“ oder „Ein Scherzkeks sagte mal: ‚Wenn Du dich an Woodstock erinnert kannst, dann warst Du nicht wirklich da.'“ War Sexauer wirklich dabei? Vermutlich nicht. Er war bei Radio Bremen.

Irgendwie doch dabei gewesen

Mit der Rhetorik eines einvernehmlichen „Wir“ verpflichtet er uns Zuschauer dazu, Teil des Selbstbetrugs um den Summer of Love zu werden: Keiner von uns war wirklich dabei. Und wer wirklich dort war, hat das CD-Set nicht nötig, denn er trägt bereits das Paradies der Erinnerung in sich. Vielleicht läuft die 15-minütige Werbeschleife für das anachronistische Medienpaket schon so lange, dass Sexauer und auch wir irgendwie doch da waren. So wie man nur daran glauben muss, dass die Hostie bei der Kommunion wirklich der Leib Christi ist, damit sie es ist. Das CD-Set gibt es schon seit 15 Jahren im Fernsehen zu kaufen. Mir kommt es vor, als wäre es schon immer da gewesen. Immer wenn ich Nachts den Fernseher einschalte, kommt Manfred Sexauer und verkauft den Summer of Love. Es muss eine große Sünde sein, für die der arme Mann da leidet. Oder um es in seinen eigenen Worten zu sagen: „Das Feuer von gestern ist längst nicht verglüht.“ Vielleicht ist es ja gerade diese gottlose Werbung für die er brennt. Hoffen wir, dass er bald erlöst wird.

Bildquellen