Deutsche Ängste: Klimaanlagen

Die Klimaanlage ist der unnatürliche Feind des Deutschen! Das zumindest glaubt der Deutsche. Die Wahrheit ist viel schrecklicher.

Wenig treibt dem Deutschen so sehr den Angstschweiß auf die Stirn wie eine Klimaanlage. Tief in der deutschen Seele gibt es etwas das uns klar macht, dass eine Maschine, die jederzeit eine erträgliche Raumtemperatur erzeugt widernatürlich und krank ist. So etwas kann nur die Gesundheit angreifen. Viren, Mikroben, Sporen, Bindehautentzündungen und gar Erkältungen werden von diesem Teufelswerk verbreitet! Und die ganze Energie die diese Geräte verbrauchen! Und das Kühlmittel macht Ozon!

Auch wenn der Klimawandel dafür sorgt, dass deutsche Sommer immer heißer werden (und deutsche Winter immer kälter) weigert sich der Deutsche standhaft gegen die Installation von teuflischen Klimaanlagen oder sündigen Belüftungsanlagen in Gebäuden in denen Menschen unter dem Joch der sonnendurchschienen gropiussschen Riesenfenster vor sich hinsiechen. Sei es auch 50° draußen und 70° drinnen, der Deutsche weiß: Die Hitze macht ihn stärker!

Einzig ein Ventilator ist gestattet. Ein kleiner – man will sich ja nicht lächerlich machen!

Andere Länder haben längst erkannt, dass die Hitze nicht nur gesundheitlich ein Problem werden kann, auch wenn man sich nicht hauptsächlich von Schnitzel mit Kartoffeln ernährt. Kein Urlaub in den Subtropen nachdem sich der teutonische Tourist nicht über die Prävalenz der Klimaanlage erregt. Denn es war ja ach so schön in Trekkingstiefeln durch den glühenden vietnamesischen Dschungel zu wandern an Tagen, an denen sich selbst die Vietnamesen fragen ob es wieder Napalm regnet. Dieses Glück wird abends jäh von der Raumklimatisierung zu Nichte gemacht.

Nicht, dass das falsch verstanden wird. Natürlich beschwert sich der deutsche tagein tagaus über „diese unerträgliche Hitze“. Ist das verschwinden selbiger von einer Klimaanlage herbeigeführt worden, ist das Gezeter noch größer.

Heimlich hat die verschwiegene Klimaanlagenindustrie sich zumindest in manchen Banken durchgesetzt und unscheinbare Kühlanlagen in die Zwischendecke installiert. Perfide. So sehr sperrt sich der Deutsche gegen die Klimaanlage, dass sich deutsche Ingenieure sogar weigern Aufgabenbereich, Sinn und Funktionsprinzip der Klimaanlage zu begreifen. So hat einer der größte deutschen Technologiekonzerte Siemens jahrzehntelang für die Deutsche Bahn Klimaanlagen konstruiert die zuverlässig genau dann ausfallen, wenn es zu warm wird.

Einen Bereich jedoch gibt es den der Deutsche nicht mehr ohne Klimaanlage erleben mag. Seine Homebase, das Zentralgestirn der deutschen Realität: Sein Auto. Kein Neuwagen ohne Klimaanlage! Während Vati früher mit 5 Personen im Wagen 650 Kilometer im strahlenden Sonnenschein nach München gefahren ist, ohne auch nur die Lüftung einzuschalten oder gar ein Fenster zu öffnen würde er heute nicht mal zum Aldi fahren ohne die Klimaanlage auf Stalingrad zu stellen. Die Empörung der Klimaanlage im Auto findet woanders statt: Auf EU-Ebene. Aufregen-by-Proxy sozusagen. Alle Welt setzt auf einen neuen, umweltfreundlicheren Kühlstoff mit dem romantischen Namen R1234yf! Alle? Nein! Ein kleines teutonisches Dorf namens Stuttgart leistet Widerstand. Das neue Kühlmittel kann nämlich zur Todesfalle werden – so Daimler Benz. Wer in einem Kasten der aus zwei Tonnen Plastik und Schrauben ohne jede Geschwindigkeitsbegrenzung über die A7 fliegt macht sich über eins Gedanken: Besteht die entfernte – fast hypothetische – Möglichkeit, dass sich das R1234yf entzündet wenn ich einen Unfall baue?