Kaffeehauskultur: Das Gegenteil von Starbucks

Dr. Matthew Green beschäftigt sich mit Londoner Kaffeehäusern um 1700. Und hat einen klugen Essay dazu geschrieben.

Kaffeehauskultur in London um 1700 war so ziemlich das Gegenteil von Starbucks, schreibt Matthew Green drüben bei Public Domain Review in einem ausführlichen Essay zur explosionsartigen Verbreitung des Getränks im London des 18. Jahrhunderts:

By the dawn of the eighteenth century, contemporaries were counting between 1,000 and 8,000 coffeehouses in the capital even if a street survey conducted in 1734 (which excluded unlicensed premises) counted only 551. Even so, Europe had never seen anything like it.

Tatsächlich ist für Green eine der treibenden Kräfte hinter der industriellen Revolution, dem britischen Empire, und damit eines großen Teils der Welt, wie wir sie kennen nicht als das gute, alte Koffein:

Remember — until the mid-seventeenth century, most people in England were either slightly — or very — drunk all of the time. Drink London’s fetid river water at your own peril; most people wisely favoured watered-down ale or beer (“small beer”). The arrival of coffee, then, triggered a dawn of sobriety that laid the foundations for truly spectacular economic growth in the decades that followed as people thought clearly for the first time. The stock exchange, insurance industry, and auctioneering: all burst into life in 17th-century coffeehouses — in Jonathan’s, Lloyd’s, and Garraway’s — spawning the credit, security, and markets that facilitated the dramatic expansion of Britain’s network of global trade in Asia, Africa and America.

Man muss sich diese Londoner Kaffeehäuser, ihren Kaffee und die begleitende Kaffeehauskultur wohl wie das genaue Gegenteil von Starbucks vorstellen. „A parcel of muddling muck-worms…some going, some coming, some scribbling, some talking, some drinking, others jangling, and the whole room stinking of tobacco.“, so beschreibt es ein Zeitgenosse, noch dazu kommt, schreibt Green, dass man damals in ein Kaffeehaus ging, um sich bei starkem, süßem, schlammartigem Koffeindestillat möglichst laut und aufgekratzt mit Fremden über tagesaktuelle Ereignisse zu streiten. Auch Kombinationen aus Friseursalon, Bordell und Kaffeehaus waren wohl nicht weiter ungewöhnlich.

Es lohnt sich, Greens Essay komplett zu lesen – zusätzlich zu dem Überblick, sind noch eine Menge Quellen zum Thema unter dem Text verlinkt. Und wer dann noch nicht genug hat: Green bietet auch Audiotouren durch London an, in denen es um die frühe Londoner Kaffeehauskultur geht, und die einen unter anderem an die Stelle führt, an der das erste Kaffeehaus in London stand. Außerdem hat er ein Buch dazu geschrieben.