Mirkos Lovecouch: Darf man seine Schatzimausi Hasi nennen?

Mirko Wenig bekam eine Studie über Kosenamen in der Partnerschaft zwischen die Finger, obwohl er eigentlich über etwas ganz anderes schreiben wollte. Dort erfuhr nicht nur, was der beliebteste Kosenamen der Deutschen ist. Er musste auch erkennen, dass auf dem zweiten Rang der Kosenamen-Hitliste ein aggressives und einzelgängerisches Tier landet.

Hallo, Ihr Schatzis! Ich will Euch jetzt nicht den Glauben daran nehmen, dass Ihr etwas Besonderes seid. Aber es ist leider so: Schatzi ist der Opel Astra unter den Kosenamen. Beziehungsweise das McDonalds-Sparmenü. Kein Kosename wird in Deutschland so oft vergeben wie „Schatz“, so klärt uns eine repräsentative Studie der Dr. Krieger und Cie. Marktforschung unter 5.000 Teilnehmern aus dem Jahr 2013 auf. Immerhin jede(r) Dritte wird in einer Beziehung von seiner Partnerin oder seinem Partner so genannt! Da ist es fast beruhigend, dass nur etwa jeder vierte Bundesbürger überhaupt einen Kosename hat.

Es ist ja auch nicht einfach mit den Kosenamen. Er soll etwas ganz Besonderes sein. Etwas, das den Wert des Partners ausdrückt. Ein Kosename soll einen Teil der gemeinsamen Geschichte widerspiegeln, das Wissen um die kleinen Schwächen und Eigenheiten des anderen. Soll liebevoll sein, intim. Aber zugleich auch öffentlichkeitstauglich, sofern er nicht nur für die eigenen vier Wände oder das Bett bestimmt ist. Viele Menschen scheitern an der Aufgabe, beides miteinander zu verknüpfen. Und sie scheitern kläglich.

Kosenamen scheinen nur erfunden, um dem Partner Würde und Individualität zu rauben

„Püppchen“, „Süße“ oder „Hübsche“, beliebt für Frauen, sind nur drei Beispiele aus dem Kanon der Grausamkeiten. Sie legen eine Person auf Äußerlichkeiten fest, machen sie klein, verniedlichen sie. Noch schlimmer sind Schnuffel oder Schnuffi: ein Partner ist doch kein Stofftier!

Der direkte und schnellste Weg in die Hölle aber führt über den Diminutiv, also die Verkleinerungsform. Wer seinen Partner oder seine Partnerin in den Zustand eines tapsigen Kleinkindes zurückversetzen will, für den ist die Verkleinerung Mittel zur Wahl. Ich kenne einen „Michi“ und einen „Mülli“. Immer, wenn die Frau ihren Partner so nennt, möchte man ihm am liebsten einen Nuckel in den Mund schieben, weil er so einen kleinen dummen Namen hat.

Sogar bei Akademikern ist „Schatz“ sehr beliebt, so verrät uns die Kosenamen-Studie. „Schatz“ ist etwas sehr kostbares, ich kann das ja verstehen, man muss schon eine Weile danach suchen und ihn hüten. Als Kind habe ich auch gern Pirat gespielt. Aber entwertet sich dieses „Schatz“ nicht von selbst, wenn mehrere Millionen Menschen ihren Schatz so rufen? Und warum bitte so materialistisch? Wie wäre es mit: „Oh, du meine signierte Thomas-Mann-Erstausgabe“? Die ist auch kostbar und betont die eigene Belesenheit. Akademiker rufen übrigens ihren Schatz oft „Schatz“, weil sie auf ihre Außenwirkung bedacht sind und in der Öffentlichkeit nicht auffallen wollen. Kosenamen sind oft, auch im gebildeten Milieu, nur Platzhalter, stereotyp und abgedroschen. Und es ist gar nicht leicht, da auszubrechen.

Ich kenne zum Beispiel ein Pärchen, beide akademisch gebildet, die sich längst von der Vorstellung gelöst haben dass ein Kosename irgendwie würdevoll sein könnte. Ohne wollen sie dennoch nicht auskommen. Also treiben sie das Spiel mit den Peinlichkeiten richtig auf die Spitze. Er nennt sie „mein Schnurrliburrli“ oder „mein Sahnehäubchen“, wobei er in schrillen Tonfall übergeht, die Stimme wie ein grelles Pfeifen. Wenn er sie dann in den unpassendsten Momenten so ruft, etwa bei Aldi an der Supermarktkasse, dann drehen sich alle um und gucken: Himmel, was ist das denn für einer. Auch sie übertreibt es mit der Betonung, sie nennt ihn „mein wilder Tiescher“, mit starkem sächsischen Dialekt, oder, wenn sie schlechte Laune hat, „mein ausgefranster Bettvorleger“. Mit anderen Worten: sie ergänzen sich herrlich, und oft hat ihr Miteinander die Form einer improvisierten Theater-Aufführung.

Überhaupt sympathisiere ich mit der Idee, dass so ein Kosename nicht unbedingt etwas Positives sein muss. Im Forum einer Frauenzeitschrift las ich, dass eine Leserin ihren Gatten „Mein großer Mistkäfer!“ nennt und eine andere ihren wiederum „mein Pupser“. Ich weiß nicht, wie die Männer zu diesen Namen kommen, habe aber den Verdacht, ich erfahre mehr über sie, als mir lieb ist. Manche Kosenamen sind gar so speziell, dass sie keine Fragen offen lassen. Eine Userin bei GoFeminin ruft ihren Freund „Rudi Rammler“ oder „Amor’s Marmor“. Moment, was könnte der wohl für Vorzüge haben?

Hase, Mausi, Muschi

Wenn Ihr es ganz schmutzig wollt, fragt doch mal den früheren CSU-Vorzeigeschatzi Edmund Stoiber. Der nennt seine Ehefrau Karin liebevoll „Muschi“, wie die Regenbogenpresse immer wieder gern im Sommerloch hervorkramt. „Muschi“ ist sehr intim, aber eher nicht öffentlichkeitstauglich. Fast jeder denkt da zunächst an das weibliche Geschlecht, wenn er das hört. „Hätte er seine Frau ja gleich Möse nennen können!“, kommentiert ein User im Forum von wallstreet-online.de. Ausgerechnet dieser stocksteife und konservative Jurist, der eine seiner ersten Reden gegen Nacktbader in der Isar hielt, soll derart versaute Kosewörter benutzen?

Aber stimmt natürlich nicht. Denn Karin, die Ehefrau Stoibers, wurde tatsächlich nach einer Katze benannt. Nach einer verstorbenen Katze. Karin klärt gegenüber RTL auf: „Ja, das kommt von seiner Katze. Die hat er so heiß und innig geliebt und die ist dann halt gestorben. Und ich bin so anschmiegsam wie seine Katze. Deshalb heiß ich Muschi!“

Tatsächlich sind Tiernamen sehr beliebt, wenn es um die Benennung des geliebten Partners geht. Platz 2 unter den häufigsten Schmeichelwörtern der Deutschen erkämpft der „Hase“, dicht gefolgt von „Maus“. Und bei schwulen Pärchen ist der „Bär“ sehr beliebt. Es ist ein Jammer. Haben diese Pärchen mal darüber nachgedacht, was so ein Tier kennzeichnet? Der Hase ein einzelgängerisches und polygames Fluchttier, das sein Revier verbittert gegen Konkurrenten verteidigt. Und für den Nachwuchs ist bei Hasen allein das Weibchen zuständig: das Männchen verdrückt sich einfach, nachdem es die Häsin geschwängert hat. Wahrscheinlich ist das Kosewort „Hase“ auch nur der Beleg für die fehlende Bildung der Deutschen, denn in Wirklichkeit meinen sie damit das geselligere Kaninchen. Liebe Pärchen da draußen: Wenn Ihr das Scheitern Eurer Beziehung mit einem passenden Kosenamen vorwegnehmen wollt, nennt Euren Schatz doch einfach „Hase“!

So ein Kosename muss ja auch nicht immer politisch korrekt sein. Vor dem REWE bei mir um die Ecke stand früher des öfteren eine Gruppe Trinker, die aus ihrer rechten Gesinnung keinen Hehl machten. Da war auch ein junges Pärchen dabei, er ein dicker Glatzkopf im Skrewdriver-Shirt, einer rechten Nazi-Band aus Großbritannien. Sie klein und zierlich, -kein Witz!- kastanienbraunes Haar und meist sehr betrunken. Er nennt seine Freundin „Meine Eva“. Vielleicht heißt sie wirklich so. Vielleicht spielt er auf die biblische Eva an. Ich aber habe den Verdacht, er spielt auf Eva Braun an, Hitlers heimliche Geliebte. Und projiziert sich folglich selbst in die Rolle Adolf Hitlers hinein. Ich will das nicht verharmlosen, aber für einen Nazi-Paar, so glaube ich, ist das ein sehr zärtlicher Code, das Wissen um gemeinsame Geschichte. Und gemeinsame Ideologie. Originell, aber traurig. Als sie schwanger war, hörte ich, wie er zu seinen Freunden sagte: „Egal, ob es ein Junge oder Mädchen wird. Hauptsache, das Kind kommt mit einem ausgestreckten rechten Arm auf die Welt!“

Letztendlich kann so ein Kosename tatsächlich eine Art Geheimcode sein, der das gemeinsame Wissen gegenüber anderen abgrenzt und den Wert der Partnerschaft betont. Ein User namens myBrute schreibt in Forum von Raidrush auf Frage eines anderen Nutzers, was ein guter Kosename sei: „Du kannst dir doch nicht einfach einen Namen im Netz suchen und ihn dann deiner Freundin oder so nennen; ein Kosenamen muss auf die Person abgestimmt sein und zu ihr passen. Ich nenn‘ meine Freundin liebevoll ‚Affe‘. Klingt jetzt für die meisten Personen blöd, aber ist halt nen Insider, den nur wir verstehen.“

Der große und morphiumsüchtige Hans Fallada schrieb seine Frau mit „Hase“, „Musemusch“ oder „Schnuckelchen“ an, wie uns die Briefe aus dem Nachlass verraten. Es war freilich eine Beziehung, die scheiterte. Und Jean Paul Sartre nutzte für Simone de Beauvoir einfach den Kosenamen, den Studienfreunde ihr zuvor schon gegeben hatten. Er nannte sie „Castor“, die lateinische Bezeichnung für Biber, weil ihr Name wie das britische „Beaver“ ausgesprochen wird. Immerhin war das tatsächlich ein origineller und individuell passender Beitrag: Biber lieben angeblich die Geselligkeit und arbeiten hart und verbissen an ihrem Werk. Wie Beauvoir eben auch.

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