Alleine auf Facebook: Und wir hätten zusammen lol geschrieben

Unsere Autorin wollte mal eine Pause von Facebook. Wie das so läuft, schreibt sie hier.

Immer wieder öffne ich einen neuen Tab, tippe „face“ in die Browserleiste – Soweit komme ich, bis mir einfällt, dass ich keine Freunde mehr habe. Mein Körpergedächtnis will zurück. Vor einem Monat habe ich meine Präsenz auf Facebook auf ein Minimum reduziert. Ich wollte bloß noch in einer Gruppe Mitglied sein, dafür brauchte ich einen Freund, der mich einlud. Von dem sah ich dann ständig Urlaubsbilder aus Frankreich. Alle Vorschläge, die mir Facebook zum Liken machte, basierten auf diesem einen Freund: Jan. Meine Timeline bestand plötzlich nur noch aus Jans Status-Updates, allem was ihm gefiel und seinen Kommentaren auf den Seiten Anderer. Es fühlte sich nicht mehr so an, als würde ich ihm folgen, eher, als würde ich ihn verfolgen. Vielleicht weiß ich jetzt besser als jede andere, was Jan gefällt. Das war etwas zu viel. Zu viel Jan. Jetzt habe ich ihn entfolgt. No offense, Jan.

Nun habe ich keine Freunde mehr – bloß ich und die Werbung sind noch da. Naja, ich, die Werbung und Böhmermann, der oben rechts immer zum Liken angeboten wird. Ich will sein blödes Grinsen nicht mehr sehen und klicke das kleine Kreuz. Irgendwo schießen jetzt Daten durch Leitungen oder die Luft (was weiß denn ich, wie das Internet funktioniert) und irgendetwas setzt einen Haken in meinem Userprofil: Mika aus Hildesheim mag Jan Böhmermann nicht (was ja so auch nicht stimmt). Jetzt sehe ich Hannover 96. Radiosender, Fußball und Städteseiten. Werder Bremen ist der exotische Höhepunkt. Ich bin ein bisschen überrascht, denn ich habe bei Geschlecht „weiblich“ angeklickt und hätte eher Tamponwerbung erwartet. Facebook Algorithmus, du Feminist.

Facebook bietet mir an, nie wieder eine Erinnerung zu verpassen – aber an was denn? Ein soziales Netzwerk ohne soziales Netz ist halt auch nur ein Werk. Ein Getriebe, ein Mechanismus oder System  (sagt Wiktionary). Das klingt zwar klug, aber warum etwas schreiben, wenn es niemand liest? Plötzlich ist Facebook ganz viel Gerüst, in dem sich nichts mehr bewegt – trotzdem ist es aus Gewohnheit im Hintergrund immer an. Ich schreibe mal Testweise „Hallo?“ in mein Statusupdate. Dann schreibe ich „Ich liebe italienisches Essen“ in der Hoffnung, dass ich gleich Werbung für Pizza Lieferdienste bekomme und mir das Googlen ersparen kann. Der Algorithmus erhört mich nicht – immer noch Werder Bremen. Ich poste ein Lied: France Galls Der Computer Nr. 3.

Ihr Technikoptimismus rührt mich. Ich hoffe auf Online Dating-Anzeigen oder irgendwas mit deutsch-französischer Freundschaft. Auf Likes warten lohnt nicht, aber alles ist ein bisschen besser mit France Gall.

Kein Computer hat mir je den richtigen Boy gesucht und so sehr ich die moderne Welt für ihre Möglichkeiten liebe, so sehr gebe ich mich manchmal dem Traum der medienfreien Welt hin, die es nie gegeben hat. Irgendwo auf einem Berg in Finnland sitzen, Kühe züchten, Milch aus Holzschalen trinken und endlich mal Zeit für die wichtigen Dinge haben. Was diese ominösen wichtigen Dinge sind, weiß ich nicht genau. Dass ich erstmal googlen müsste, wie man Kühe züchtet vergesse ich dabei natürlich auch.

„Herr Janosch,“ fragte Die Zeit, „was wäre eigentlich gewesen, hätten Tiger und Bär Smartphones gehabt?“ „Sie hätten Panama einfach gegoogelt“ antwortete Janosch „und wären im Übrigen am Tisch sitzen geblieben.“
Ich denke mir, dass sie bestimmt wirklich Panama gegoogelt hätten. Vielleicht hätten sie sich über Land und Leute schlau gemacht, hätten über Couchsurfing und Facebook Kontakte im Land gefunden, hätten günstige Flüge gebucht, hätten mit Duolingo ein bisschen Spanisch gelernt und wären tatsächlich in Panama angekommen, statt einmal im Kreis zu laufen. – aber das ist es eben: irgendwie haben wir so einen Verdacht, dass die wirklich großen Abenteuer nur ohne Technik gehen.

Ich wollte einfach mal eine Pause von Facebook, weil ich das Gefühl hatte, dass mir mein Konsum entgleitet. Der Suggestion, dass alles eine Wichtigkeit und Dringlichkeit hat – Personen, die man lange (und aus gutem Grund) nicht mehr gesehen hat, die neue Game of Thrones Folge, irgendwas Dummes, was irgendein lokaler CDU-Fuzzi in Oberbayern gesagt hat – konnte ich mich nicht so recht entziehen.

Das kann ich sagen, ohne mich zu schämen, weil ich damit nicht alleine bin. Die ganze Euphorie über die globale Vernetzung ist ein bisschen abgeklungen und an ihre Stelle sind die Klagen getreten: Facebook geht schlampig mit unseren Daten um. Facebook ist ein Zeitloch. Scheiß Facebook. Scheiße, ein Foto vom Exfreund mit einem neuen Mädchen. Facebook: Das Portal, das alle nutzen, aber alle finden’s auch ein bisschen doof. Wie ein Jugendclub in einem Dorf in der Uckermark in dem sonst nichts ist. Alle gehen hin, man trifft sich, man will es nicht lassen, weil die Freunde da sind, aber alle finden es auch dort gleichzeitig doof, weil der Junge von letzter Woche jetzt eine andere küsst.

Hätte ich das mit meinem alten Facebook-Profil geschrieben, wären meine Freunde auf mich losgegangen: So ein kulturpessimistischer Mist, hätten sie gesagt. Ich hätte aus Spaß Manfred Spitzer zitiert und wir hätten alle zusammen lol geschrieben.

Jetzt bin ich allein auf Facebook (bis auf die Gruppe, mit deren Mitgliedern ich nicht einmal befreundet bin). Ob es sich wohl so anfühlt heute noch auf Myspace zu sein? Bloß, dass dort keine und hier noch alle meine Freunde sind. Bloß, dass ich draußen stehe, fremd, wie der Grinch in einem Weihnachtsfilm, der die glückliche Familie durchs Fenster beobachtet. Drinnen ist es warm, aber egal wie oft ich schreibe, dass die Liebe garantiert ist, keiner wird mich hören. Ich habe nicht einmal Tom von Myspace. Auf Facebook gibt es keine Mitleids-Freunde.

Facebook hat nur diesen putzigen Algorithmus, der mir mein einziger Begleiter ist in einer Welt ohne Freunde. Unermüdlich macht er mir Vorschläge, was ich mögen könnte. Und weil ich keine Ahnung habe, wie das Internet funktioniert stelle ich mir vor, wie irgendwo der kleine Algorithmus eine schwere Kurbel bedienen muss, bloß um mir zu sagen „Hey, Mika! Like doch mal den BTSV Irgendwas“ und ich sage immer Nein. Wieso bin ich denn so negativ? Ich gebe nach. Mika gefällt jetzt Werder Bremen. Niemand wird es je erfahren.

 

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