Football Leaks: Fußball als gesellschaftlicher Mikrokosmos

Die Bedeutung der Football Leaks reicht weit über den Sport hinaus. Es ist ein Glanzstück des Investigativjournalismus und ein Lehrstück in Sachen Kapitalismus. Ein Kommentar.

Eine der Topmeldungen der vergangenen eineinhalb Wochen war zweifelsohne Football Leaks. Es heißt, es sei das größte Datenleck aller Zeiten. Ein Whistleblower übergab einem Reporter des Spiegel Millionen Daten, unter anderem in Form von E-Mails, um die Machenschaften an der Spitze des Weltfußballs offenzulegen.

Die aktuellen Berichte über eine eigene Liga europäischer Topvereine, die Geldströme Katars und Abu Dhabis in Richtung Paris und Manchester sowie die Rolle, die der aktuelle FIFA-Präsident Gianni Infantino bei der Vertuschung jener Geldströme spielte, sind der zweite große Enthüllungskomplex nach Aufdeckung der Steuerhinterziehung prominenter Fußballer wie Ronaldo und Messi.

Wer sich jedoch nicht für Fußball interessiert, der wird die Enthüllungen wohl eher mit einem müden Schulterzucken zur Kenntnis genommen haben. Was spielt es für eine Rolle, gegen welche Mannschaften der FC Bayern München spielt oder wie viele Millionen welche Vereine für welchen Spieler investieren? Aber Football Leaks reicht weit über den bloßen Sport hinaus.

Journalistisches Glanzstück

Zum einen ist es ein Glanzstück investigativen Journalismus. Gerade in Zeiten, in denen autoritäre Kräfte die freie Presse immer stärker drangsalieren, ist es ermutigend zu sehen, dass „die Medien“ noch immer ihrer Rolle als vierte Gewalt nachkommen.

Dabei ist es bewundernswert, dass es immer wieder Menschen wie den Whistleblower, der lediglich als John bekannt ist, gibt, die für ihr Gerechtigkeitsgefühl einstehen und Missstände anprangern. John muss dafür ein Leben auf der Flucht in Kauf nehmen, da die Fußballvereine seiner habhaft werden wollen. Wobei man diesbezüglich wohl vermuten darf, dass es vornehmlich die Geldgeber aus Katar und Abu Dhabi sind, die seiner habhaft werden wollen, weil sie ihre Interessen gefährdet sehen.

Kapitalistisches Lehrstück

Zum anderen ist Football Leaks ein kleines Lehrstück in Sachen Kapitalismus. Selbstverständlich ist Fußball als Konsumprodukt ein Teil unserer kapitalistischen Welt. Als Mikrokosmos betrachtet, ist er aber gleichzeitig ein Abbild des Kapitalismus und als dieses illustriert er die Pervertierung moralischer Wertvorstellungen durch den Neoliberalismus.

Einerseits drückt sich das in der berühmt-berüchtigten Schere zwischen arm und reich aus. Aufgrund des Vergabeschlüssels der Fernsehgelder für die nationalen und internationalen Wettbewerbe werden auch hier die Reichen immer reicher, was schon seit Jahren zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Unter der Dominanz der immer gleichen Vereine, die nun nach einer Super League streben, ist ein sportlich fairer Wettbewerb im Prinzip unmöglich geworden, womit die eigentliche Idee des Sports ad absurdum geführt wird.

Andererseits spiegelt sich im Fußball die Entfremdung zwischen „den da oben“ und „den da unten“ wider. Schon seit längerem klaffen die Interessen der Fans und die der Vereine immer weiter auseinander. Die Frage danach, wie Fußball sein sollte, wird von beiden Parteien sehr unterschiedlich beantwortet.

All die traditionellen Werte vieler Fans, wie zum Beispiel Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl, Identifikation oder eben der sportliche Wettkampf an sich, der auch in der Niederlage eine Bedeutung haben kann, stehen im Kontrast zum Profitstreben der Klubs.

Über den Mikrokosmos hinaus?

Mit einer „Super League“ – so ein Konzept, das in den letzten Wochen immer wieder durch die Medien geistert –   würde der Wettbewerbscharakter zugunsten der Profitmaximierung geopfert werden und die Vereine würde die heimischen Fans zugunsten globaler Konsumenten eintauschen. Doch der Unmut unter den Fans wächst und viele wissen die Logik des Kapitals als Wurzel des Übels zu benennen. Wann reicht diese Einsicht über den Mikrokosmos hinaus?

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