Das leuchtende Hurricane-Logo über dem Eingang

Hurricane Festival 2022 – Die zweite Etappe: Der Freitag und die Konzerte

Die Konzerte auf dem Hurricane 2022 bringen Henner eine wohlige Empfindung: Das Gefühl heimzukommen.

Als ich das Festivalgelände gegen 16 Uhr betrete, fühlt es sich an wie nach Hause kommen. Spätestens nachdem man den Wall des Eichenrings überwunden hat und das klassische Infield des Geländes betritt ist das gute, alte Hurricane Feeling wieder voll entflammt. Auf dem Weg zur riesigen Green Stage aka Forrest Stage, auf der The Dead South bereits begonnen haben zu spielen, gönne ich mir noch ein Bier.

Bewaffnet mit Cello, Banjo, Westerngitarre, Mandoline und mehrstimmigem Gesang geben die vier hemdsärmeligen Jungs alles, um die Massen für ihre von Americana über Bluegrass bis Country gehenden Songs zu begeistern. Der Funke springt schnell über, auch wenn die komplett akustisch besetzte Band natürlich mit anderen Qualitäten aufwarten müssen als die vielen klassischen E-Gitarren Bands, die die Besucher sonst gewohnt sind. Spätestens als die Jungs beginnen, die Percussion mit den extra dafür präparierten Schuhen zu trampeln, dreht das Mosh-Pit frei. Die Kamera, deren Bilder auf den riesigen Leinwänden links und rechts der Bühne übertragen werden, fängt eine Gruppe von etwa 6 jungen Männern im Publikum ein, die das Outfit der Band tragen: Anzughose, weißes Hemd, Hosenträger und „Lee van Cleef“-Cowboyhut. Ich freue mich extrem darüber, dass sie meinen Lieblingssong „In hell I’ll be in good company“ spielen und habe am Ende des Gigs endlich wieder dieses beseelte Gefühl, dass sich nach einem richtig guten Konzert einstellt. Gänsehaut.

Henner Molthan auf dem Hurricane Festival 2022

Als Nächstes habe ich Giant Rooks auf meiner „must see“-Liste, die spielen in etwa einer dreiviertel Stunde. Genug Zeit, um an einer der Wasser Abgabestellen den mit Gaffer zu einer Umhänge-Flasche umfunktionierten Tetrapak zu befüllen. Obwohl die Temperaturen sich bei recht angenehmen 24 Grad einpegeln, ist das Gelände extrem ausgetrocknet und dementsprechend die Luft mal wieder extrem staubig. Inzwischen wünsche ich mir fast schon einen Schauer, der den Staub bindet und zwischenzeitlich scheint mein Wunsch in Erfüllung zu gehen, doch die paar Tropfen, die den Weg durch die riesige Staubglocke über dem Gelände finden, scheinen vom Staub in der Luft absorbiert zu werden bevor sie den Boden überhaupt berühren können. Gut, dass ich jetzt Wasser dabei habe.

Zu Giant Rooks begebe ich mich zum zweiten Wellenbrecher, einer langen Reihe etwa Hüft hoher Polizeigitter, die den Raum vor der Bühne in mehrere Abschnitte unterteilt und zu starke Massenbewegungen verhindert. Mit dem Gitter im Rücken blicke ich zur Bühne als die Rooks ihre Show beginnen. Und was für eine Show sie liefern. Nach der sehr statischen Bühnenperformance von The Dead South ist der Sänger der Rooks von Anfang an außer Rand und Band. Gut gelaunt erobert er den gesamten Bühnenraum und gleichzeitig die Herzen der begeisterten Zuschauer. Mir stehen die Freudentränen in den Augen, bei dem Anblick dieser Spielfreude und Begeisterung. Das von einem Ohr zum anderen gehende Lächeln des Sängers bleibt vom ersten bis zum letzten Song. Abgesehen von seinem überbordenden Charisma versteht Raabe aber vor allem mit seiner einmaligen Stimme zu begeistern. Die Mischung aus Indie Pop und guter Laune verzaubert die Massen. Band, wie Besuchern merkt man an, wie lange sie diesen Moment herbeigesehnt haben. Kollektive, tränenschwangere Glückseligkeit stellt sich ein. Momente wie dieser machen die Magie dieses Festivals aus.

Ich bin so glücklich darüber, das endlich wieder erleben zu können.

Ich gönne mir eine Pause auf dem Campingplatz, kurz mal durchatmen und chillen. Beim Gedankenaustausch mit meinen Camp-Mitbewohner:innen stellt sich heraus, dass wir tatsächlich alle beim Rooks-Konzert sehr nah am Wasser gebaut waren. Diese Emotionen, dieses so lang unterdrückte Bedürfnis nach solchen Live-Musik-Momenten hat sich bei uns allen gleichzeitig einen Damm gebrochen. Wir lächeln diese wunderbare Erinnerung noch eine Weile in uns hinein, bevor es weiter zu The Killers geht. 

Das Publikum des Hurricane hinter Absperrungen.

Ich erinnere mich an die Liegestühle, die verschiedene Promo-Stände in den letzten Jahren am linken Rand des Geländes Nähe der Forrest Stage angeboten hatten und mache mich auf die Suche. Nach kurzer Zeit finde ich die bequemen Sitzgelegenheiten – natürlich alle besetzt. Aber nach kurzer Zeit wird ein Platz frei und ich habe sogar einen halbwegs passablen Blick auf die Bühne. Leider bin ich etwas spät dran, die Killers spielen bereits seit gut 15 Minuten. Na ja, denke ich mir „Mr Bright Side“ werden sie sich sicher bis zum Schluss aufheben und die meisten anderen Songs finde ich eher durchschnittlich. Ein Trugschluss, wie ich am Ende des Gigs feststelle. Von Passanten erfahre ich, dass die Band die Frechheit besaß, mit ihrem Hit das Konzert zu eröffnen. Tja, wer zu spät kommt, den bestraft die Setlist.

Immerhin konnte ich „Somebody Told Me“ noch hören, trotzdem ein schwacher Trost. Selbst die Geste einen jungen Mann aus dem Publikum auszuwählen und die Drums für einen Song übernehmen zu lassen wirkt etwas bemüht. Das können die Foo Fighters besser, bei denen auch bei jedem Konzert ein Fan für einen Song Teil der Band werden darf.

Also jetzt noch den Teil meiner Leute, die zwischendurch bei SDP waren wiedertreffen und gemeinsam das Seeed Konzert anschauen. Die „Dancehall Caballeros“ spulen gewohnt routiniert ihre gesunde Mischung aus alten Klassikern und aktuellen Songs ab, viele Festivalgänger sind für heute aber auch bedient und so stellt sich langsam der „Zurück zum Campingplatz“ Besucherstrom ein, von dem wir uns irgendwann erfassen lassen.

Schnell noch einen ziemlich teuren, aber auch sehr leckeren Burger mit Pommes verdrücken und dann endgültig ab zurück ins Camp. 

Für heute sind wir alle durch und verschwinden um 1 Uhr verhältnismäßig früh in unsere Zelte. Besser ist das, morgen wird mit den vorhergesagten sehr hohen Temperaturen und 15 Sonnenstunden plus etwa 12 Bands, die ich eigentlich gern sehen möchte der wahrscheinlich anstrengendste Tag. 

Kräfte sammeln ist angesagt. 

Morgen mehr. 

Gute Nacht.

Bildquellen

  • Henner Molthan auf dem Hurricane Festival 2022: Henner Molthan
  • Das Publikum des Hurricane hinter Absperrungen.: Henner Molthan
  • Das leuchtende Hurricane-Logo über dem Eingang: Henner Molthan