Interviewreihe „Davon leben“ – Interview mit Robin Thiesmeyer (Autor und Zeichner)

In unserer Interviewreihe Davon leben: Der Autor und Zeichner Robin Thiesmeyer alias meta bene über Melancholie, das Leben in und Saus und Braus und Zeichnungen zu Weihnachten.

Kunst machen – klar. Aber davon leben? Für Davon leben trifft Martin Spieß sich mit Künstlerinnen und Künstlern an der Peripherie des ganz großen Erfolgs. Dort, wo es wenig Geld, aber viel Leidenschaft gibt. Heute im Gespräch: Robin Thiesmeyer, 38, ein deutscher Autor und Zeichner.

Erstmal im Schnelldurchlauf: Du kamst 1979 in Bonn zur Welt, hast deine Kindheit und Jugend dort verbracht, Schule, Abitur und Zivildienst gemacht, richtig?

Genau. Und ich hatte dann, nachdem ich vier Semester Philosophie, Politische Wissenschaften und Neuere Geschichte studiert hatte, die Idee nach Hildesheim zu gehen. Das war 2002.

Und wann hast du zu Zeichnen angefangen? Schon vor Hildesheim? Oder kam das erst dort dazu?

Schon vorher. Ich zeichne schon immer, also seit der Schulzeit. Meine Französischlehrerin sagte mal: „Wenn er zeichnet, schläft er wenigstens nicht.“ (lacht) Ich hatte auch erst eine Bewerbung für Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis mit Zeichnungen eingereicht und die Eignungsprüfung absolviert, war dann aber am NC gescheitert. Dann erfuhr ich aber vom Studiengang Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus, der mir geeigneter erschien.

Geeigneter weil du zwar schriebst und zeichnetest, Ersteres aber zu dem Zeitpunkt lieber machtest? Oder war das eine pragmatische Entscheidung?

Weil ich schrieb und mehr schreiben wollte. Das Zeichnen habe ich nicht als mein stärkstes Talent gesehen. Da meine Fähigkeiten so gut wie keine Ausbildung erhalten hatten und sie ja auch in Hildesheim nicht erhalten hätten.

Wenn ich das richtig deute, zeichnest du heute nur noch – oder ich nehme das Schreiben nicht mehr wahr. Was stimmt?

Ich schreibe nur noch selten Prosa. Leider habe ich dazu zu wenig Zeit. Vielleicht sollte ich mich weiter in Kurzgeschichten versuchen. Aber für Wettbewerbe bin ich zu alt und der Markt interessiert sich vor allem für lange Erzählungen oder Romane. Beruflich leiste ich natürlich viel Textarbeit.

Es findet also beides noch statt. Wann hast du denn womit angefangen?

Irgendwie gekritzelt habe ich, wie gesagt, immer. Und auch während der Schulzeit schon immer mal schlechte Witze als Cartoon. Aber so richtig angefangen habe ich beides während des Studiums in Bonn, als ich mit Leuten in Berührung kam, die sich für Literatur und Schreiben interessierten. Als ich merkte, dass ich nicht wusste, was ich mit dem Magisterstudium machen sollte, und ich überlegte, was ich stattdessen tun wollte, rückte das in meine Aufmerksamkeit. Schreiben und Zeichnen ging da auch immer zusammen. Schon vor dem Studium in Hildesheim habe ich eine Kindergeschichte mit Pinguinen geschrieben und selbst illustriert. Und zu der Zeit habe ich mich dann auch hingesetzt und richtig geschrieben. Nicht mehr nur sporadisch, sondern jeden Tag mindestens eine Seite. Vorher war das eher so aus Spaß oder auch eine Zeit lang aus einer psychischen Situation heraus – also Liebe oder Liebeskummer. Ab dann aber unternahm ich den Versuch, richtige Geschichten zu erzählen.

Mit denen du dich dann in Hildesheim beworben hast?

Richtig.

Auch wenn du das Zeichnen nicht als dein stärkstes Talent angesehen hast, war es dann ja während des Studiums aber trotzdem immer vorhanden, richtig? Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie du die Illustrationen für Alte Freunde. Helden unserer Kindheit gemacht hast.

Ja, das Projekt war sehr spontan und fast über Nacht. Ich habe dann auch mal einen Partyflyer und Cartoons für die erste Prosanova-Festivalzeitung gezeichnet. Zuhause habe ich auch größere Bildarbeiten gemacht. Immer schwarzweiß, zum Teil aus Karton geschnitten. Auch die Schaben sind da entstanden, als große Schwärme. Schon mit dem Kalligrafie-Pinselstift.

Das nimmt meine nächste Frage vorweg: Wann das Zeichnen in den Vordergrund beziehungsweise wann das Schreiben in den Hintergrund trat. Und meta bene geboren wurde.

Der Name meta bene wurde erst 2013 geboren, als ich einen Namen für meinen Blog suchte. Die ersten Schaben habe ich schon 2005 gemalt. 2012 habe ich die Schwalben entwickelt, für ein Bild zur Geburt meines Sohnes. 2013 habe ich angefangen, Cartoons mit den Schaben zu machen und nach und nach auf der gleichen technischen Grundlage die anderen Tiere zu entwickeln. Die Pinguine kommen so quer, die gab es mit einer etwas anderen Zeichentechnik schon für das erwähnte Kinderbuch. meta bene war dann auch eine gute Möglichkeit, sich ohne Kontinuität und schnell kreativ zu betätigen und zu äußern. Neben der Arbeit als Werbetexter und den Aufgaben als Vater. Das war eigentlich in einer ziemlich stressigen Zeit, fällt mir gerade auf.

Was ich insofern bemerkenswert finde, als dass die Zeichnungen so eine unglaubliche Ruhe ausstrahlen.

Das war vielleicht ein Gegengewicht zu meinem Alltag. Ich habe das am Anfang sogar, glaube ich, als Meditationen bezeichnet. Ich bin morgens früh raus, habe einen Neun- bis Elfstundentag gehabt, habe Abendessen für die Familie gemacht, das Kind ins Bett gebracht – und mich dann mit dem Pinselstift an den Schreibtisch gesetzt: bin zum ersten Mal am Tag zur Ruhe gekommen, und habe eine Zeichnung angefertigt. Die habe ich dann getweetet beziehungsweise gepostet. Und dann war der Tag auch rum.

meta bene ist mittlerweile ziemlich erfolgreich. Du postest eine Zeichnung bei Facebook und bekommst über 1000 Likes. Findest du es auch ein bisschen witzig, dass du am Anfang deines Studiums dachtest, Zeichnen sei nicht so dein Talent, und jetzt ist das so erfolgreich?

So viel Zeichnen ist es ja gar nicht, es ist ja ein sehr minimalistischer Stil mit klaren Grenzen. Außerdem hat der Text bei meta bene viel Gewicht.

Touché. Aber apropos „erfolgreich“: Dein Geld verdienst du als Werbetexter, oder? Nur mit Zeichnen und Schreiben würdest du nicht hinkommen?

Ja, das ist eine wilde Mischkalkulation. Inzwischen arbeite ich als Freelancer, als Texter und auch manchmal als Übersetzer – und mit meta bene verdiene ich natürlich auch etwas Geld. Es hat sich in den letzten Jahren so ergeben, dass ich mehrere Sachen mache. Und mal liegt der Schwerpunkt auf dem einen und mal auf dem anderen, sowohl zeitlich als auch finanziell. Obwohl die Texterjobs am meisten einbringen.

Ich würde, unterstellen, dass meta bene dein Baby ist. Hast du dafür genug Zeit, angesichts all der anderen Jobs?

Ja, mal so, mal so. Ich hab ja meta bene eine Zeit auch als Kolumne gezeichnet und verdiene Geld mit dem Verkauf der Original-Kalligraphien, mache Lesungen und verkaufe auch Nutzungsrechte. Deswegen ist es natürlich auch ein Job, für den ich mir Zeit nehmen muss.

Muss oder auch will?

Auch will, natürlich. meta bene ist ein ganz großer Teil meines Lebens geworden. Ich denke häufig in meta bene. Dann mäandert mein Geist rum und klopft die eigenen Gedanken auf ihre meta bene-Haftigkeit ab. (lacht) Allerdings ist das Ende letzten Jahres auch ein bisschen viel auf einmal gewesen.

Was war Ende letzten Jahres?

Da habe ich auf einmal alle Jobs gleichzeitig gemacht. Zu Weihnachten verschenken die Leute gerne Bilder, also kriege ich mehr Bestellungen rein. Außerdem wollte ich im Netz präsent sein – damit mein Buch sich ein bisschen verkauft. Parallel hatte ich ein längerfristiges Engagement als Texter. Dazu kamen Übersetzungen und die Familienarbeit. Übersetzungen mache ich inzwischen nur noch selten und meta bene habe ich eine Zeitlang pausiert. Das ist ja das Schöne daran, dass ich finanziell nicht so abhängig bin von der Kunst. Ich kann mir eine kreative Pause nehmen, und muss nicht gezwungenermaßen die ganze Zeit mit Bleifuß fahren und ständig Marketing machen, um zu verkaufen. Zur Zeit bin damit ganz glücklich, weil das auch heißt, dass ich mir die familiären Aufgaben mit meiner Frau, die als Drehbuchautorin viel arbeitet, teilen und mich viel um die Kinder kümmern kann.

Dann befindest du dich in einer ziemlich luxuriösen Situation. Die war aber nicht immer so, oder?

Ja, jetzt gerade fühle ich mich sehr wohl. Aber das hängt natürlich immer von der Auftragslage ab, das kann ja auch wieder kippen. Aber ich bin zuversichtlich, die Freiheiten erlauben es mir hoffentlich, auch neue Projekte und Aufgabenfelder zu entwickeln. Das ist toll, auch wenn es dieses prekäre Potential hat.

Über das du dir keine Gedanken machst?

Ja, tatsächlich bin ich da nicht so sorgenvoll. Ich wollte immer gerne als Künstler leben, und mir war immer klar, dass es kein Leben in Saus und Braus wird. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass (die weniger künstlerische) Textarbeit in vielen Facetten gerade nachgefragt wird. Da bringe ich jetzt einiges an Erfahrung mit und kann in vielen Formaten arbeiten.

Ich gehe davon aus, dass selbst wenn diese Nachfrage abebbt, das keine Zweifel oder Melancholie verursachen würde.

Ich bin schon auch Melancholiker. Ich grüble, zweifle und hadere oft, besonders wenn was schief läuft oder nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber ich habe keine Angst. Ich habe in allen möglichen Bereichen gearbeitet, als Kellner, Gärtner, Bühnenarbeiter, Bartender, an der Uni als Hilfskraft, ich habe lange studiert und verschiedene Praktika gemacht, und arbeite jetzt eben als Texter und Übersetzer – und natürlich als Künstler. Irgendwie und irgendwo werde ich schon arbeiten können, was mir vollkommen als privilegierte Situation bewusst ist. Das möchte ich auch nicht ändern. Weder möchte ich noch mal auf Stipendien und schmale Honorare angewiesen sein, noch mit einer 50-Stunden-Woche wieder in einer Agentur verschwinden.

 

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Bildquellen

  • Robin-Thiesmeyer_Photo_von_merav_moody_quer: merav moody