#liveauthentic – Kinfolk Hipster auf Instagram

Zwei Satire-Accounts nehmen eine Form des Hipstertums auseinander, das im Nordwesten der USA entstanden ist, einen Großteil der aktuellen Instagram-Ästhetik dominiert und im Abgang ein wenig nach Manufactum schmeckt.

Beverly Hills Pacific Northwest – That’s were I want to be

Diese Sorte Hipstertum lässt sich stark mit derjenigen assoziieren, die schon in der US-Serie Portlandia thematisiert wurde und die sich im sogenannten Pacific Northwest der USA lokalisieren lässt, was etwa die nördlichen Bundestaaten der Westküste betrifft – Oregon, Washington und das kanadische British Columbia. Hier ist die moosige, waldige Natur zu finden, die so gerne explored und abgelichtet wird. Strickmützen sind tatsächlich notwendig. Starbucks produziert als Symbolspitze des Exporthipstertums einen Seattle Latte für alle, die sich das cozy well being Gefühl in einer kleinen, gekühlten Plastiktasse aus dem Supermarkt mit nach Hause nehmen wollen.

Die Satire-Accounts The Kinspiracy und Socality Barbie nehmen das Selbstverständnis und die Ästhetik der Menschen, die sich mit den Themen und Werten des Kinfolk-Magazin – „Slow Living“ – und der Community Socality – „The Movement is here. The Movement is Love.“ – identifizieren, aufs Korn. Eigentlich müssen sie gar nicht besonders viel tun, denn bei genauerem Hinsehen stellen sich die Kinfolk- und Socality-Communities selbst bloß.

Satire der Realsatire

Bei The Kinspiracy funktioniert die Satire ganz einfach durch Masse. Der Account versammelt in quadratischen Bildern, bestehend aus jeweils vier ebenfalls quadratischen Bildern eines beliebigen Instagram-Accounts, Bilder, die unter #kinfolk oder einem anderen Hashtag zu finden sind, der mit dem Kinfolk-Magazin assoziiert ist. Kinfolk ist nach eigener Aussage dafür da, „young creative professionals“ dabei zu helfen, ein simpleres und sozialeres Leben zu führen, nach ihrem Verständnis also ein besseres.
bild 1_kinspiracy vs kinfolk
Durch die Aneinanderreihung der Bilder entsteht eine Vergleichbarkeit der Herzstücke einer Ästhetik, die die Leser des Lifestyle-Magazins verbindet: Kaffee mit Latte Art , minimalistisch-skandinavische Möbel, Fixed Gear Bikes, Lederschuhe, geometrisch akkurate Anordnungen der Inhalte von Necessaires oder Taschen: Brillen, Kosmetikprodukten, Handys. Und natürlich immer wieder das Kinfolk-Magazin. The Kinspiracy, so schreiben der oder die Macher, sei aus der Faszination mit dem endlosen Strom und Wiederholung an „almost identical subject matter“ entstanden.
bild 2_socality vs socality barbie
Die Betreiberin von Socality Barbie hingegen persifliert Socality nicht nur durch bloße Ansammlung von ähnlichen, sorgfältig orchestrierten „Schnappschüssen“. Sie reproduziert die Ästhetik in eigenen Bildern, Hashtags und Captions, um die gut sichtbare und klar ästhetisierte Homogenität der Socality-Community aufzuzeigen. Die versteht sich als Online-Netzwerk, dessen soziale Verbindungen und „Liebe“ im echten Leben weiterwirken sollen – wahrscheinlich der zunehmenden, sogenannten Entfremdung entgegen. Socality Barbies Protagonistin, eine Barbiepuppe, ist dabei ein schöner Hinweis auf das wahrgenommene Künstliche hinter dem hippen Zusammengehörigkeits-Lifestyle. Denn natürlich können nicht alle zu Socality gehören, eigentlich ist es sogar eher ein exklusiver Club – das Netzwerk richtet sich an die Jungen Kreativen unter den Hipstern. Wirklich neue Menschen trifft man so natürlich nicht, aber immerhin lässt sich das Gefühl vermitteln, aus dem eigenen Kreis herauszukommen ohne sich mit tatsächlich Fremdem auseinandersetzen zu müssen. Wer gerne kitschige Mission Statements liest, dem sei empfohlen, die About-Seite von Socality zu besuchen. Jess Cartner-Morley bringt in einem Artikel für The Guardian das, was Socality Barbie in ihren Bildern ausdrückt, auf den Punkt: „Instead of being hip, it is a world of commodified hipsterdom.“

Das Prinzip Manufactum

Die Themen sind nicht neu: authentisches, echtes Leben, Simplizität, die wichtigen Dinge im Leben – all das sind Richtwerte, nach denen auch andere Strömungen des Hipstertums sich richten. Und sie alle haben das Paradox gemeinsam, dass sie die technisierte, schnelle Welt auf der einen Seite ablehnen oder ihr entgegen wirken wollen, auf der anderen Seite ihre Botschaft und Ästhetik hauptsächlich über Social Media verbreiten und stark von der globalisierten Welt profitieren. Sich bewusst für Lokalität, Natürlichkeit, Zwanglosigkeit und so weiter zu entscheiden heißt, das Privileg zu haben, diese Entscheidung erst einmal treffen zu können. Auch das lässt das Hipstertum oft so falsch erscheinen: Das eigene Privileg wird selten mit-kommuniziert. Das Ausrichten des eigenen Lebens nach Instagram-baren Szenen, was als Vorgang Authentizität und Echtheit eigentlich ausschließt. Und, natürlich, die Betonung der eigenen Kreativität und Individualität in einer Szene, die im Output sehr homogen ist und sich hauptsächlich in Communities organisiert, deren Namen eher davon sprechen, sich endlich mit Gleichgesinnten zusammen tun zu wollen („Kinship“ = engl. für die Strukturen sozialer Beziehungen, die über irgendeine Art körperlicher oder geistiger Verwandtschaft funktionieren; „Sociality“ = engl. für die Art und Weise, wie Lebewesen Gruppen bilden).

Im Prinzip stört und verstört an diesen Formen des Hipstertums dasselbe, was einem auch beim Durchblättern des Manufactum-Katalogs aufstößt: Das käufliche Versprechen eines besseren Lebens durch Einfachheit: „die guten Dinge im Leben“. Das Wahre als Ware. Für Menschen, für die die Attribute ihres Lebensstils ein wählbarer Luxus sind, der dann nicht als solcher deklariert wird, sondern als bewusster Verzicht auf schnellen Konsum. Die anders sein wollen und trotzdem die Anerkennung ihrer Peergroup suchen, in dem sie Gemeinsamkeiten reproduzieren. Deren Echtheit und Überzeugungen deshalb so aufgesetzte wirken, weil sie hauptsächlich über Äußerlichkeiten transportiert werden.
Wie bei Menschen, die gesunde und ausgewogene Ernährung mit einem Bio-Label gleichsetzen, ist der Vorgang, dem Leben etwas mehr Tiefe zu geben, indem man es in eine Fotovorlage verwandelt, die, wie JLo damals, „I’m Real!“ schreit, einfach ein wenig kurz und einfach gedacht. Wobei, das wollen sie doch, diese Hipster, oder? Einfachheit.

Bildquellen

  • bild 1_kinspiracy vs kinfolk: Screenshot Gila Hofmann
  • bild 2_socality vs socality barbie: Screenshot Gila Hofmann