Pornographie: Wen das Zeitungssterben wirklich trifft

Der Tod des Print? Die Tageszeitungen haben es noch gut. Die Auflage des „Hustler“ ist in den letzten Jahren um 93% zurückgegangen.

Manchmal, wenn ich auf einen Zug warten muss, gehe ich in die Schmuddelecke, nur aus Spaß. Da liegen sie alle, diese billig gedruckten, hübsch glänzenden Magazine, altbackene Pornographie aus einer einfacheren Zeit.

Möglich aber auch, dass die Zeit komplizierter war, ich habe diese Dinger nie, ähm, benutzt, ich kenne das nur aus Erzählungen: Dass man in den Laden ging, sich verschämt irgendein Exemplar seiner persönlichen Wahl herausgriff, vielleicht noch eine Süßigkeit dazu, und dann hoffte, dass wer auch immer an der Kasse saß einen nicht blöd anstarrte.

Und während alle vom Zeitungssterben sprechen, gibt  es nur noch ein paar letzte Refugien der Print-Pornographie, ganz oben in den Rasttättenregalen, in den Ecken wirklich gut sortierter Bahnhofsbuchhandlungen. Aber im Prinzip hat das Netz sie längst überrollt.

„In a January 2014 interview with Erin Moriarty of CBS, Larry Flynt announced that he didn’t expect Hustler, the heart of his porn empire, to last more than two or three years. He added that the magazine’s monthly circulation had dropped from a high of 3 million readers to about 100,000. But the truth is, even Flynt’s onetime high of 3 million monthly readers can’t compare to the 32 million visitors now recorded monthly on adult website LiveJasmin.com.“

Pornographie war immer schon technischer Vorreiter, treibende Kraft hinter allen möglichen Innovationen. Jedes Mal, wenn jemand eine neue Technologie erfunden hat, hat es nie lange gedauert, bis irgendjemand auf die Idee kam, Pornos damit zu machen. Oculus Rift? Klar. Drohnen-Porno? Natürlich. 1895 führten die Brüder Lumière ihren ersten Film vor. Der erste pornographische Film ist von 1897.

https://www.youtube.com/watch?v=iF3N6D9hQwk

Das ist der Hintergrund, in dem man diesen Abgesang auf die Herrenmagazine eines ehemaligen Hustler-Redakteurs lesen muss:

„Our appetite for pornography on the internet seems to be growing. While overall estimates of the size of the digital porn industry range from 30% of global web data to a not-insignificant 4%, other metrics indicate a burgeoning business. In 2005, major commercial porn site Clips4Sale offered 100 fetish categories, according to Guardian science writer Martin Robbins. Today, the same site offers over 946 different categories of pornography. Porn consumers are also spending more time with the product—in the same period, notes Robbins, the average pornographic clip duration has lengthened from eight minutes to nine-and-a-half.

Why can’t all that desire keep Hustler alive? The internet revolution means a lot, but its major advantage over print is that it offers masturbation sessions without risk of human interaction in the marketplace or in the home.“

Vielleicht lohnt es sich, in diesem Zusammenhang auch genauso übers Zeitungssterben nachzudenken: Es geht nicht darum, dass Menschen keine Zeitung mehr lesen wollen, dass sie das Produkt nicht mehr haben wollen. Sie wollen es nur einfacher und besser haben. Es lohnt sich nicht, Fossilien künstlich am Leben zu erhalten, irgendwann sterben sie ja doch. Aber vielleicht lohnt es sich, wild mit allem zu experimentieren, was da ist. Was, wenn nicht das, konnte die Pornographie immer ganz besonders gut?

(Weiterlesen: Zwei Reportagen eines anderen Hustler-Redakteurs, Evan Wright: Maxed out. Max Hardcore and other XXX pornographers awakened something dark in me und Scenes form my life in porn.)