Sei kein Arschloch – Gender-Ausgabe

Vielleicht müssen wir ganz von vorne anfangen. Unsere Autorin hat ein paar Tipps dazu zusammengestellt, wie man kein Arschloch ist.

Ich gehöre zu diesen Netzfeministinnen, die in den Kommentarspalten auf Facebook, Twitter oder in sonstigen Online-Foren versuchen irgendwie gegen Chauvinismus und Sexismus zu argumentieren. Ich finde es immer wieder erstaunlich, mit was für Vorurteilen ich dabei zu kämpfen habe. Häufig reicht es aus einen „Feminist-Talking-Point“ anzusprechen und schon baut sich eine Wand aus (meist männlichen) Gegnern des Feminismus auf, die mir sagen, ich solle meinen BH verbrennen. Dann bleibt man freundlich aber bestimmt und nicht selten höre ich am Ende der Diskussion „Ach naja, du scheinst ja ganz vernünftig zu sein.“
Ich mache mir oft Gedanken darüber, mit welchen FeministInnen diese Leute aus den Kommentarspalten sonst so kommunizieren. Ich frage mich dann, ob ich Mitschuld trage, weil ich („als Feministin“) nicht genügend Aufklärungsarbeit leiste – oder vielleicht zu viel? Was ich aber doch häufiger höre ist – gerade bei Männern – Verunsicherung darüber, was man sagen darf und was nicht.
Wenn Du also das Gefühl hast, der Feminismus sei vor allem dazu da ein Minenfeld beackern, das gut meinende Typen anlockt, um sie dann fertig zu machen, bloß weil sie einer Frau ein Kompliment machen wollten, ist dieser Artikel vielleicht etwas für Dich.
Es sind alles keine neuen Weisheiten, aber vieles scheint doch immer wieder gesagt werden zu müssen.

1. Versuche Verallgemeinerungen zu umgehen

Du möchtest einer Dame ein Kompliment machen, weil sie ihr Zimmer so schön dekoriert hat und sagst dann „Ach, ihr Frauen habt da wirklich ein Händchen für“. Du meinst das total nett und willst eigentlich ernsthafte Anerkennung zeigen. Aber irgendwie kommt es nicht so an, wie Du das wolltest.
Die Formulierung ist deshalb unglücklich, weil es eigentlich gar kein richtiges Kompliment ist, sondern auf irgendein obskures „natürliches“ Talent anspielt. Wenn Du stattdessen sagst „Ach, DU hast da wirklich ein Händchen für“, klingt das schon deshalb anders, weil es tatsächlich die individuelle Fähigkeit einer Person in den Vordergrund rückt, statt zu implizieren, dass sie das ja eh schon können muss, weil das irgendwie in ihrer Natur liegen würde. Selbst wenn Du das glauben solltest, Dein Kompliment wird deutlich wertvoller, wenn Du es individualisierst.
Andersrum kann es ziemlich anstrengend sein, wenn man etwas tut, was irgendwie nicht in den Stereotyp passt und ständig, wirklich ständig darauf hingewiesen wird, dass es entweder unpassend und unfeminin oder auch besonders toll oder mutig ist, als Frau… Physik zu studieren, ein Fahrrad zu reparieren, wenige Schuhe zu besitzen oder bitteres Bier zu trinken. Selbiges gilt natürlich auch für Männer. Sag einem Typen nicht, dass er jetzt gefälligst ein Regal anschrauben soll, weil Männer ja immer wissen, wie das geht.

2. Versuche beim Thema zu bleiben

Jemand postet einen Artikel über eine strukturelle Benachteiligung von Frauen in einem konkreten Zusammenhang. Sofort erscheinen Kommentare, in denen sich jemand beschwert, dass es auch Bereiche gibt, in denen Männer benachteiligt sind.
Es gibt eine Zeit und einen Ort für jede Problematik. Ich musste mir schon häufiger anhören, dass es mir „als Feministin“ ja egal sei, dass statistisch mehr Männer Selbstmord begehen als Frauen. In so einem Kontext ist das ein argumentativer Strohmann, auf den es aber schwierig ist nicht einzugehen, denn natürlich ist mir die Problematik nicht egal. Sich gegen diesen Vorwurf zu verteidigen bedeutet aber auch, dass man dann über den Vorwurf spricht und nicht mehr über das ursprüngliche Thema. Andersrum ist es natürlich auch daneben, unter einen Artikel über die Selbstmordquote von Männern zu schreiben, dass es Frauen viel schlechter haben.
Wenn Du kein Arschloch sein möchtest: Bleib beim Thema. Äußere Deine Zweifel. Hinterfrage die Statistik oder die Argumentation, aber halte Dich von den Strohmännern fern. Sei nicht die Person, die MitarbeiterInnen in einem Heim für kranke Hunde vorwirft, sie würden Katzen hassen.

3. Respektiere persönliche Erfahrungen als das, was sie sind: Persönliche Erfahrungen

Jemand erzählt Dir von einer Situation, in der sie auf Grund ihres Geschlechts übergangen wurde.
Klar kann es sein, dass es sich um einen harmlosen Fehler gehandelt hat. Irgendwann allerdings häufen sich die harmlosen Fehler und man beginnt dahinter eine Systematik zu erkennen. Du musst nicht gleich mit auf die Barrikaden steigen, aber jemandem eine Erfahrung abzusprechen (oder auch zu erklären was eine andere Person eigentlich meinte) ist – milde gesagt – arrogant. Es ist nicht Deine Aufgabe die Erfahrungen anderer umzudeuten. Hör zu, stell Fragen und nimm die Person ernst.

4. Schließe nicht von Deinen eigenen Erfahrungen auf die von anderen

In den Medien wird über sexuelle Belästigung diskutiert und Du hast den Eindruck, dass das Thema überbewertet wird.
Sei Dir bewusst, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit viele Frauen in Deinem Bekanntenkreis Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, selbst wenn sie Dir nicht davon erzählt haben. Ich habe das große Glück vorwiegend ziemlich gute Männer zu kennen, aber selbst denen erzähle ich weniger offen von meinen eigenen Missbrauch-Erlebnissen. Menschen, die ähnliches erlebt haben öffnen sich einander schneller, insofern ist man als Mann oft zwangsläufig in einer anderen Filterblase. Sei Dir Deiner Filterblase bewusst und höre zu, wenn sich jemand Dir gegenüber öffnet (siehe 3).

5. Achte darauf wie Du kommunizierst

Eines meiner Lieblingsbeispiele ist, als ich einmal zu einem Freund von mir sagte „Wusstest Du, dass Ohren und Nase das ganze Leben lang weiterwachsen?“ seine erste Reaktion war es zu sagen „Nein“, bloß um dann fortzufahren „Sie wachsen bloß ein ganz kleines bisschen.“
Glaub’s oder nicht, aber Frauen haben häufig mit Männern zu tun, die ihnen widersprechen, um dann dasselbe noch mal zu sagen. Der englische Ausdruck „Mansplaining“ (dt. „Herrklären“) beschreibt etwas Ähnliches: Auf herablassende Weise einer Frau etwas zu erklären, was irgendwie evident ist.

6. Wenn Dir jemand sagt, dass Du eine Grenze überschritten hast, sprich ihnen das nicht ab

In der Serie Louie gibt es eine wunderbare Szene, in der ein Bekannter den Comedian und Hauptcharakter ständig „spaßhaft“ boxt. Als Louie ihn darauf anspricht und ihm sagt „You are physically hurting me“ entgegnet dieser „noo, no no, I barely even touched you“ – „I’m telling you that it hurt, and you don’t get to deny that!”
Das ist im Prinzip ein universelles Problem. Wir alle haben ständig damit zu tun, dass Andere unsere Grenzen überschreiten. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch normal, denn Grenzen sind subjektiv und häufig unsichtbar. Wenn Dir allerdings eine Person sagt, dass Du eine Grenze überschreitest, ist es nicht an Dir diese Grenze wegzudiskutieren. Was du tun kannst: Dich entschuldigen.

 

Ansonsten: Fass niemanden gegen ihren oder seinen Willen an. Dann sollten wir alle klar kommen.

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