Feministische Pornos in der Kinderbuchabteilung

Feministische Pornos, was ist das eigentlich, und warum braucht man das? Unsere Autorin war bei einem Vortrag darüber – und hat nun Lust auf mehr.

Schon 10 Minuten vor Veranstaltungsbeginn sind die Techniker_innen des Pavillons Hannover und die Veranstaltenden des Abends dazu gezwungen, mehr Stühle herzuholen. Es sind mehr Leute erschienen, als erwartet. Eine große Leinwand hängt verheißungsvoll von der Decke. Unter der Leinwand lugt ein Buch hervor: Willi will’s wissen- Liebe. Wir auch Willi, wir auch!

Tief drin im Pornobusiness

Während der Techniker am Beamer rumsteckt, verlangt die Referentin, Manuela Kay, dass aus Rücksicht auf das Jugendschutzgesetz die Vorhänge der Bibliothek zugezogen werden. Bei der Vorstellung, mit circa 50 mehr oder weniger Unbekannten die nächsten Stunden Pornos zu schauen, verfallen alle in eine angenehm alberne Stimmung. Auch die Referentin witzelt, man könne zur Not auch die Kinderbücher auf ihre feministisch-pornografischen Inhalte untersuchen.
In dieser guten Laune beginnt der Vortrag, der Beamer läuft, die Kinderbuchabteilung ist vollgestellt mit besetzten Stühlen. Manuela stellt sich vor, wir erfahren, dass sie beteiligt an der Produktion des ersten deutschen lesbischen Pornos (Airport) war und der daraus entstandene Aufschrei bei deutschen Lesben sie dazu bewegt hat, sich noch intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen.  Nun, über 20 Jahre später, steckt Manuela Kay quasi ganz tief drin im feministischen Pornobusiness. Die anfänglichen Schwierigkeiten, dass lesbischer Sex und weibliches Begehren keine Repräsentation erfahren, seien überwunden. Jetzt ginge es darum, feministische Pornos, also Pornos jenseits der Geschlechterstereotypen, der Heteronormativität und vor allem jenseits patriarchaler Machtstrukturen zu etablieren.
Dabei ginge es darum, Arbeitsstrukturen in der Pornoindustrie zu schaffen, in denen Frauen exekutive Positionen besetzen, mitbestimmen, wie sie repräsentiert werden, ihre Fantasien pornografisch umsetzen können und auch an den Pornos verdienen.

Erotisches Eis am Stiel

Um die Konsequenzen dieser Vorsätze ausgeführt zu sehen, zeigt uns Manuela drei Filmbeispiele aus den feministischen Pornogefilden. Mit dem ersten Film möchte sie uns aufwärmen, dass wir auch als Gruppe erst einmal zusammenfinden. Wir sehen ahogo-ice cream von der russischen Regisseurin Alisa Goddess, eine erotische Hymne an das Eis am Stiel.

Eine Frau begehrt ein Eis am Stiel, mit dem sie es tun will „like we are in a porno film“. Das Prinzip der Frau als Begehrende und nicht nur als Begehrte wird hier klar, ohne dabei visuell explizit zu werden. Danach wird uns ein „klassischer Frauenporno“ dargeboten: Eine Kurzfilmkompilation von Erika Lust, in denen eine Kellnerin einen romantischen Feierabend mit ihrem Freund verbringt. Nach einem ausgiebigen Vorspiel bringt er sie zum Orgasmus, um Mitternacht hat er Geburtstag: Sie schenkt ihm einen positiven Schwangerschaftstest. Die beiden lieben wahrscheinlich glücklich bis an ihr Lebensende. Als drittes und letztes Beispiel feministischer Pornografie sehen wir einen Lesbenporno, inszeniert von einem schwulen Mann: Fucking Different von Jürgen Brüning. Fast spielerisch nähert sich der Film dem lesbischen Sex und den Körpern der Darstellerinnen an. Diese beschießen sich mit Ping Pong-Bällen, gebeugt über Gymnastikbälle befriedigen sie sich gegenseitig, um anschließend mit den verschiedensten Ballarten in einem aufgeblasenem Schwimmbecken zu spielen.
Die Stimmung während des Vortrags macht Lust auf das Porn Film Festival: Mit halbwegs Fremden Menschen Pornos gucken, in denen marginalisierte Gruppen eine positive Repräsentation erfahren. Was Manuela Kay vor über 20 Jahren mit dem ersten deutschen Lesbenporno Airport gestartet hat, findet nun Einzug in einer selbst geschaffenen Pornokategorie.

Feministische Pornografie muss sich durchsetzen

Die Industrie an sich sei ja schon ein Endpunkt für Filmkarrieren, sagt Kay. Grade für Frauen ergäben sich nach einer Pornokarriere kaum Berufschancen. Die Gesellschaft sei noch nicht bereit für Frauen, die über ihren eigenen Körper und ihre eigene Sexualität verfügen. Anders sei das bei Männern: Beim Pornodreh werden diese pro Ejakulation bezahlt. Die Mainstream-Pornos greifen immer wieder auf Amateure zurück, deren Karrieren in anderen Bereichen nicht die gleichen Rückschläge erfuhren, wie die von Frauen, die eine Vergangenheit in der Pornoindustrie haben.
Manuela bildet mit ihrem Auftreten unter ihrem Klarnamen eine Ausnahme in der gesamten Pornoindustrie. Die feministische Pornografie muss sich in einer Gesellschaft durchsetzen, in der das von marginalisierten Gruppen ausgehende Begehren nach wie vor tabuisiert wird. Und damit ist diese Sparte noch mehr den wirtschaftlichen Folgen ausgeliefert, die den Verbreitungsmöglichkeiten des Internets geschuldet sind. Die Verdienstmöglichkeiten in der Pornoindustrie schwinden, während die gesellschaftliche Relevanz der Pornografie nicht abnimmt.

Die Referentin Manuela Kay ist Autorin von Schöner Kommen-das Sexbuch für Lesben und des Schwul-Lesbischen Kinoguides Out im Kino (beide erschienen im Querverlag). Außerdem ist sie Herausgeberin der Magazine Siegessäule  und L-Mag.

Mit diesem Vortrag ging die Veranstaltungsreihe der Kampagne Wer braucht Feminismus? für dieses Jahr zu Ende. Termine für nächstes Jahr stehen noch nicht fest, werden jedoch zeitnah auf der Homepage einzusehen sein.

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