Tante Inge: Wenn Internet das Gegenteil von Vereinzelung bedeutet

Tante Inge ist eine Initiative, die alte und junge Menschen zusammen bringt. Natürlich über das Internet. Wir haben mit einer der Organisatorinnen gesprochen.

Die sozialen Medien. Die machen uns eigentlich nur unsozialer. Man redet ja gar nicht mehr miteinander. Ja ja.
Die Initiative Tante Inge straft den Kulturpessimismus Lügen. Entstanden aus einem Thread auf der privaten Facebookseite von Kerstin Müller  setzt sich Tante Inge dafür ein, dass ältere und alte Menschen nicht, ganz ohne Computer vor der Nase, in ihren Stuben versauern oder vereinsamen.

Über das Internet werden ältere und junge Menschen für Tandem-Patenschaften gesucht – „denn Wünsche halten uns am Leben“, so der Claim von Tante Inge. In den Tandems unternehmen die Alten mit den Jungen Dinge, die sie allein nicht unternehmen würden, oder nicht mehr können.

Wir haben mit Janna Gockel von Tante Inge über Idee und Organisation der Initiative gesprochen und darüber, wie Internet und Senioren eigentlich zusammen passen.

Wer ist Tante Inge ?
Tante Inge ist eine Initiative, die vor allem jüngere Menschen sensibilisieren möchte, älteren Menschen in unserer Gesellschaft wieder mehr Gehör zu schenken, öfters mal nach rechts und links zu schauen und Einsamkeit zu verhindern, bevor sie überhaupt eintritt.

Wie kam es zu der Idee?
Entstanden ist die Idee Anfang 2014, als Kerstin Müller, die Gründerin von Tante Inge e.V. ihre 90-jährige Großtante Tante Inge kennengelernt hat. Daher auch der Name. Diesen Besuch und die Ratschläge die damit einhergingen (bloß kein Sport, da zu gefährlich…am besten über Politik aufregen…) war so eindrücklich für sie, dass sie auf Facebook, wo sie einen Post über den Besuch veröffentlicht hat, weiter gesponnen hat und sich die Frage gestellt hat, was mit den älteren Menschen und den Wünschen die sie noch haben, eigentlich passiert. Schnell haben andere Facebookbekannte und –freunde mitgesponnen und so wurde Tante Inge e.V geboren.

Wer seid ihr und wie seid ihr organisiert?
Wir sind derzeit 6 Mitglieder, die alle ehrenamtlich tätig sind. Wir sind von Anfang 20 bis Mitte 30 Jahre alt. Wir treffen uns regelmäßig zu Vereinssitzungen, um aktuelle Aktivitäten, Aktionen oder wichtige Dinge zu besprechen.

Wie funktioniert ein Tandem bei Tante Inge?
Ein älterer Mensch und ein jüngerer Mensch treffen sich regelmäßig und verbringen Zeit miteinander. Wichtig ist uns, dass der Kontakt auf Augenhöhe ist, und dass es darum geht, Dinge zu tun die sich die ältere Person wünscht. Es ist im Idealfall eine Freundschaft, in der geben und nehmen ausgeglichen sind.

Was erwartet mich konkret, wenn ich mich für ein Tandem „angemeldet“ habe?
Wenn man sich bei uns als Tandempartner „anmeldet“, meldet sich jemand vom Verein zurück und lernt die Person kennen. Danach schauen wir ob wir eine entsprechende ältere Dame oder einen älteren Herren mit Tandemwunsch haben. Wenn dies der Fall sein sollte, dann fährt einer von uns zu dem älteren Menschen, lernt diesen kennen, erzählt ihr/ ihm von dem potentiellen Tandempartner und arrangiert ein Treffen zu dritt, in dem sich die beiden kennen lernen können. Wenn es „funkt“, dann verabreden sie sich weiterhin, wenn nicht, gucken wir weiter nach einem neuen Partner. Die Anforderungen an einen Tandempartner besteht vor allem aus Verlässlichkeit. Es ist uns nicht wichtig wie oft sich die Tandems treffen, wir geben dies auch nicht vor. Was wir aber wichtig finden ist, dass Verbindlichkeit das A und O ist, denn die älteren Menschen verlassen sich darauf, dass sich die jüngeren sich bei ihnen melden. Daher empfehlen wir gemeinsam vereinbarte Zeiträume, zum Beispiel ein mal die Woche, alle zwei Wochen, 1 Mal den 1. Samstag im Monat oder so ähnlich. Wichtig ist uns als einziges, dass es nicht in der Anfangseuphorie ganz oft Treffen gibt und dann der Kontakt nachlässt. Das ist nicht schön für die älteren Menschen,

Am Anfang war Facebook…welche Rolle spielen Internet und soziale Medien für das Projekt?
Zu Beginn war Facebook sehr hilfreich, da die Idee schneller gestreut werden konnte und mehr Menschen involviert hat, die sonst gegebenenfalls nicht oder sehr viel später davon erfahren hätten. Heute nutzen wir es als Update, wir haben viele Menschen, die sich regelmäßig auf unserer Facebookseite über den aktuellen Stand informieren . Wir versuchen Menschen zu erinnern, anzuregen, mitzumachen – dafür ist es sehr praktisch.

Behauptet wird gern, dass soziale Medien einsam machen und „echte“ Kontakte verhindern oder ausdünnen. Wie erlebt ihr das?
Wir nutzen die sozialen Medien als Einstiegsmedium , um hier möglichst viele Menschen zu erreichen. Am Ende geht es uns natürlich auch darum, den direkten Kontakt herzustellen. Aber um erstmal auf Erlebnisse, Ereignisse oder Aktionen aufmerksam zu machen, sind die sozialen Medien ein gutes Medium. Und die älteren Menschen sind auch interessierter an Medien wie Internet, Facebook etc. als wir es vorher so angenommen haben.

Gibt es bereits Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldung?
Ein schönes Erfolgserlebnis, gerade hinsichtlich der Nutzung von Internet, ist zum Beispiel die Tandemvermittlung von Anneliese, deren Bruder im Berliner Tagesspiegel einen Bericht über Tante Inge gelesen hat. Nachdem er uns kontaktiert hatte und uns von seiner ebenfalls in Berlin wohnenden 89-jährigen, einsamen Schwester erzählt hat, haben wir uns sofort auf die Socken gemacht, um Anneliese kennenzulernen und um ein Tandempartner für sie zu finden. Nachdem wir es auf Facebook veröffentlicht haben, haben sich zahlreiche Interessenten gemeldet, die das Tandem von Anneliese sein wollten. Heute hat sie zwei Tandempartner und ist sehr glücklich darüber.

Kannst du sagen, wie die jüngeren und älteren TandempartnerInnen ihre Bekanntschaft empfinden?
Wir hören oft von beiden Seiten, dass es eine große Bereicherung ist, da sie sich in ihrem unterschiedlichen Alter selten treffen und auf Augenhöhe miteinander Zeit verbringen. Die Älteren freuen sich über den „frischen“ Wind und die Jüngeren freuen sich über die Geschichten und die Lebenserfahrung.

Wo seid ihr inzwischen überall repräsentiert? Wie kann man bei euch mitmachen?
Wir sind neben Berlin auch in Hamm und Dortmund vertreten. Interessenten können sich einfach an uns wenden, unter www.tante-inge.org, oder bei einer der Veranstaltungen, die wir organisieren.

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?
Wir möchten noch viele Tandems verkuppeln, und das gerne auch außerhalb von Berlin. Tante Inge-Teams in anderen Orten wären dafür hilfreich. Interessierte aus Norden, Osten, Süden, Westen können sich gerne bei uns melden!
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