Theresia Enzensberger: „Wenn man die Hände in den Schoß legt, passiert nichts“

Theresia Enzensberger hat kein gutes Magazin auf dem deutschen Markt gefunden. Da hat sie einfach selbst eines gemacht. Yvonne Franke hat mit ihr über das Block Magazin und Brüste auf dem Cover gesprochen.

Dem „Relevanzgehechel“ des etablierten Journalismus wolle sie entkommen, so steht es in der Selbstbeschreibung. „Post-Net-Magazinmacherin“ nannte sie vocer.de. Dabei vermisste Theresia Enzensberger (ja, sie sind verwandt) auf dem deutschen Markt eigentlich nur eines: Ein gutes Magazin. Sie hat es dann kurzerhand selbst gemacht. Block heißt es,  wer will, kann auch mal auf Facebook gucken, oder hier ein Interview mit ihr hören.  Das Block ist auf jeden Fall: Ungewöhnlich. Toll gesetzt, inhaltlich zerfahren, aber immer stark. Yvonne Franke hat mit Theresia Enzensberger über Journalismus und Brüste auf dem Cover gesprochen.

Nachdem Du in New York Film- und Filmwissenschaften studiert hast, hast Du Dich für den Journalismus entschieden. Warum?

Das war eine recht persönliche Sache. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht visuell genug denke. Meine Professoren haben immer gesagt, ich würde eher literarisch denken. Ich habe mir nie vorstellen können, was mit einer Figur im Moment passiert, sondern eher eine Vergangenheit für sie erfunden. Die Filmemacherei war für mich also eher ein Umweg, auf dem ich irgendwann entnervt aufgegeben habe und gesagt habe: Na gut, dann schreibe ich eben doch.

Und dann hast Du angefangen zu schreiben und bemerkt, dass viele von den Dingen die du genau so schreiben möchtest, in der deutschen Medienlandschaft keine Plattform finden? War das so?

Ja, das hat mir hier zwischendurch wirklich nicht so gut gefallen. Das lag aber vielleicht auch am umgekehrten Kulturschock. Ich war ja vier Jahre in den USA. Natürlich gibt es ein paar tolle, kleine Magazine, aber wenn ich das Feuilleton aufgeschlagen habe, war ich meistens enttäuscht. Und wenn man sich in der Medienlandschaft nicht vernünftig repräsentiert fühlt, muss man es eben selber machen.

Das hast du dann mit deinem Magazin Block ja auch gemacht. War diese Entscheidung dringlicher für dich als Leser oder als Schreiber?

Das war tatsächlich eher eine Entscheidung als Konsument. Ich will dieses Magazin lesen, warum gibt es das nicht?

Wie hast du die ersten Schreiber gefunden, wie kamt ihr in Kontakt?

Da ging sehr viel über mein Netzwerk. Trotzdem sind es natürlich nicht nur meine Freunde, die für mich schreiben. Ich hab auch einfach viel gelesen, was mir gefiel und die Leute angeschrieben. Erstaunlicherweise hat das gut funktioniert. Ich finde es aber auch nicht verwerflich, Freunde um Texte zu bitten. Ich kenne so viele talentierte Leute. Warum also nicht die fragen?

Auch graphisch ist dein Magazin ja sehr interessant und ungewöhnlich angelegt. Wer steckt dahinter und wie kam die Zusammenarbeit zustande?

Die Agentur heißt Herburg Weiland und sitzt in München. Es ist ein kleines Wunder, dass die sich dazu bereit erklärt hat das zu machen. Schließlich können wir nichts zahlen und die sind richtige Profis. Martin Fengel, der die Agentur mit Tom Ising gegründet hat, kenne ich noch aus meiner Zeit in München und habe ihm von meinem Vorhaben erzählt. Mittlerweile macht Tom das Magazin. Ich glaube, er macht das, weil es ihm Spaß macht. Herburg Weiland hat das gesamte graphische Konzept entwickelt. Dafür bin ich sehr dankbar, weil ich nicht wüsste, wie man so etwas überhaupt angeht.

Weil du ja nicht so ein visueller Typ bist.

Ja, genau. So ein Konzept für ein Editorial Design ist ja fast eine Wissenschaft. Das wird nicht umsonst unterrichtet. Was die sich ausgedacht haben, passt wahnsinnig gut zum redaktionellen Konzept des Magazins. Ich wollte zum Beispiel auch mal Kunst veröffentlichen, ohne sie zu rezensieren. Bilder, die auch mal für sich stehen dürfen, die unterscheiden sich nun auch haptisch, also von der Papierbeschaffenheit von den mit Text bedruckten Seiten. Auch so etwas gehört dazu. Es gibt zum Beispiel ganze Fotostrecken, die nur mit Titel und Namen des Künstlers überschrieben sind.

Man könnte sich diese Seiten also auch an die Wand hängen.

Theoretisch ja. Noch haben wir keine Rausreißposter, aber das kann ja noch kommen.

Es gab ja einige Kritik über das Cover der zweiten Ausgabe. Man sieht dort den nackten Oberkörper einer Frau.

Das war im Verhältnis zu dem, was sonst im Internet passiert, aber wirklich ein Mini-Shitstorm. Da wurde sich darüber aufgeregt, dass nackte Brüste zu sehen sind. Das Bild ist Teil einer Fotostrecke, die auch im Magazin abgedruckt ist. Es kommt also nicht irgendwoher. Außerdem erfindet der Spiegel zum Beispiel,ständig irgendwelche Gesundheitsthemen, um einen Grund zu haben, Brüste abzudrucken, nur weil es sich eben verkauft. Da fanden wir das bei unserer winzigen Auflage schon sehr lustig. Ich glaube, wenn man den Inhalt unseres Magazins kennt, versteht man, dass das nur ein Witz sein kann. Ich bin dann nicht weiter darauf eingegangen. Don’t feed the trolls.

Was ist inhaltlich der Anspruch deines Magazins ?

Allgemein gibt es ja die Anforderung an Magazine, den Leser an die Hand zu nehmen, man soll ihm alles erklären. Daran glaube ich nicht. Es gibt genug intelligente Menschen da draußen, denen man nicht alles erklären muss.

Es braucht also keinen roten Faden?

Genau. Als ich noch am Konzept gearbeitet habe, habe ich ein paar Magazingründer getroffen. Alle haben mich immer gefragt, warum wir nicht politisch sind, was da unsere Linie ist. Was daran ist denn jetzt zeitgemäß? Ich hab dann immer gesagt, dass ich glaube, man kann auch formal zeitgemäß sein, durch das Aufbrechen von Strukturen. Es ist ja immer dasselbe: hinten die Besprechungen, in der Mitte die Modestrecke, vorn eine Reportage. Es kann auch die Geste sein, die zeitgenössisch ist. Das muss nicht unbedingt inhaltlich passieren. Eine ideologische Linie zu fahren ist ja eigentlich auch nicht mehr zeitgemäß. Bei Leuten in meinem Alter beobachte ich eher eine Verweigerung von starken ideologischen Strömungen.

Gibt es da auch einen Zusammenhang zu der Entscheidung, ein Printmagazin herauszubringen und keinen Blog?

Dafür gibt es zwei Gründe. Einer ist ganz banal. Ich finde es einfach schöner, wenn Fotostrecken auf Papier gedruckt sind. Das ist schöner anzuschauen. Im Gegensatz zu den heute Vierzigjährigen, die gerade Twitter für sich entdeckt haben und am liebsten alles nur noch online erleben und den Älteren, die sich nostalgisch nur dem Print widmen, sieht man in unserer Generation das Internet eher als Erweiterung, als Ergänzung zur physischen Welt. Beides kann nebeneinander existieren. Mit diesem Kampf haben wir nichts zu tun. Wir können auch Twitter, aber wir finden Print einfach schön.

Du hast ja auch schon für Blogs geschrieben. Machst du das noch weiter?

Ja. Im Moment weniger, weil es eben andere Projekte gibt, aber für die muss man auch versiert sein, was Social Media angeht.

Du nutzt das Internet ja auch fürs Marketing. Geht dir das leicht von der Hand?

Ich neige da an sich eher zum Minimalismus und kann mich kaum überwinden zu sagen: kauft jetzt! Diese Werbesprüche finde ich so unerträglich. Außerdem ist es viel Arbeit und ist sehr zeitaufwendig. Aber man muss schon schieben. Wenn man die Hände in den Schoß legt, passiert gar nichts.

Nutzt dein Name dabei ein bisschen was?

Was die anfängliche Aufmerksamkeit angeht, natürlich schon, ja. Ich habe immer ein bisschen damit gehadert, aber nun dient es ja auch dazu, anderen Leuten eine Plattform zu bieten, also nutze ich es eben. Der Name bringt allerdings weniger, als man denken würde. Er ist zwar ein Türöffner, aber überzeugen muss man dann trotzdem noch. Die Verlage, denen ich das Magazin zunächst angeboten habe, haben es abgelehnt. Die haben sich an den Kopf gefasst, dass ein Digital Native wie ich ein Printmagazin machen will. Ein mal habe ich ein Angebot bekommen, aber nur unter Voraussetzungen, die ich nicht akzeptieren wollte. Ich wollte nicht, dass jemand sich einmischt. Das findet man kaum bei großen Verlagen.

Inwiefern nimmst du inhaltlich Einfluss auf die Veröffentlichungen?

Bei der Ideenfindung erst mal kaum, es sei denn, ich kenne die Autoren persönlich gut. Dann fallen mir manchmal schon Dinge ein, von denen ich weiß, dass sie schon einmal ein Thema für denjenigen waren. Ansonsten kümmere ich mich hauptsächlich um eine ausführliche Nachbearbeitung. Da wird viel redigiert und hin und her geschickt.

Wie kommt das deiner Erfahrung nach bei den Schreibern an?

Überwiegend positiv. Ich habe das Gefühl, dass gerade Leute, die gerade anfangen zu schreiben, sich freuen, wenn man ihre Arbeit ernst nimmt.

Also ist es so, dass du hauptsächlich mit Leuten zusammenarbeitest, die am Anfang stehen, was das Veröffentlichen von Texten angeht?

Ja. Wir wollen eine Plattform für Autoren und Künstler sein, die noch nicht so etabliert sind. Das ist Teil der Idee. Am liebsten junge Leute. Da steckt natürlich auch Kalkül dahinter. Wenn jemand noch jung ist, stehen die Chancen besser, dass er nicht deshalb noch nicht etabliert ist, weil er nichts kann, sondern, weil er noch nicht so weit ist.

Hast du denn schon Erfolge vorzuweisen, was diese Plattform angeht? Hat es schon kleine Karrieresprünge gegeben?

Ja, einige. Ein Illustrator hat jetzt ein Buch beim Insel-Verlag herausgebracht, ein italienischer Autor erscheint jetzt bei Secession auf deutsch und Mercedes Lauenstein hat damals eine fiktive Reportage für das Block- Magazin geschrieben, die man auch auf der Website lesen kann. Daraus hat sie ein Buch gemacht, das im Herbst im Aufbau-Verlag erscheint.

Das bringst du direkt in Zusammenhang mit den Veröffentlichungen in Block?

So genau kann man das ja nie wissen. Auf jeden Fall versuche ich die Tatsache, dass wir nichts zahlen können, dadurch aufzuwiegen, dass ich die Autoren und Künstler durch mein Netzwerk unterstütze.

Bildquellen

  • : Foto: Lea Rieck