Zurück bleibt ein weißer Fleck

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnete das Eliseneck, die kultige Eckkneipe in Hannover-Linden. Jetzt muss es schließen. Ein letzter Besuch.

Hardy steht am Tresen des Elisenecks und raucht. Gleich links neben dem Eingang, wo früher zwei Tische standen, steht jetzt eine Bank voller Werkzeuge. In gelben Plastikkisten auf dem Boden Gläser, Schnaps- und Bierflaschen. Alte Stammgäste treten einzeln ein, sehen sich um, einer kauft eine Jägermeister-Leuchtreklame, ein anderer verlässt die Kneipe mit einer Topfpflanze. Bier wird nicht verkauft, und schuld daran ist nicht nur Corona.

Denn Hardy Lahmann, Wirt des Eliseneck, verkauft das Interieur der Kneipe, weil die zum 31. Dezember 2020 für immer ihre Tore schließt. Und damit endet ein Stück Lindener (Kneipen-) Geschichte. Zurück bleibt ein weißer Fleck.

In Linden haben alle Durst

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnete das Eliseneck, fast 75 Jahre lang wurde dort von wechselnden Pächter*innen Bier gezapft, Schnaps ausgeschenkt, es wurde gefeiert, getrunken und geraucht. Der Name der Kneipe änderte sich nie, nur einmal, in den 80er Jahren, hieß es „Eliseneck bei Werner“. Und wenn sich die Kneipe selbst auch nicht sonderlich verändert hat, die Kundschaft wurde immer diverser. Anfangs klassische Arbeiterkneipe, in der Fabrikarbeiter ihre Lohntüte versoffen, traf sich hier irgendwann ein Querschnitt der Gesellschaft: der Rentner auf die Studentin, die Arbeitslose auf den Hipster, der Alt-Hippie auf den Bestsellerautor, die Künstlerin auf den Angestellten.

Alle wollten sie trinken. Weshalb unter Hardy, der das Eliseneck im August 2013 übernahm, sieben Tage die Woche geöffnet war. Eine kurze Zeitlang hatte er sonntags geschlossen, aber das hielt nicht lange an. „Sonntag war einer der besten Tage“, sagt er mit einiger Überraschung, verbessert sich dann aber: „Es ist Linden, hier haben alle Durst. Jeden Tag.“ Jetzt müssen die Lindener*innen woanders hingehen zum Trinken.

Schon auf der Suche nach neuen Locations

Eigentlich sollte das Eliseneck schon zum 31. Dezember 2018 schließen. Aber (vor allem hannöverschen) Künstler*innen, die Anfang Dezember 2018 einen Soli-Abend veranstalteten, und einem Anwalt war es zu verdanken, dass Hardy einen Aufschub bekam. Aber die Tage des Elisenecks waren gezählt, das war selbst den größten Optimist*innen klar. „Der Mietvertrag wurde nicht verlängert“, erklärt Hardy das endgültige Aus und sagt damit einen Satz, den Kneipiers in Zeiten der Gentrifizierung alternativer Viertel immer öfter sagen.

Ob Hardy das Ende des Elisenecks schon verinnerlicht habe?, fragt man. Er zieht an der Zigarette und schüttelt den Kopf. „Ich muss erstmal eine Auszeit nehmen, runterfahren.“ Aber müde ist der 60-jährige Kneipier nicht. „Es ist ja nicht so, dass nichts passieren soll. Wir sind schon auf der Suche nach Locations.“ Aber Corona müsse man abwarten, es bringe ja nichts, jetzt aufzumachen und dann mit der dritten Welle wieder schließen zu müssen. „Die Pacht musst du trotzdem zahlen.“

Wo der Billardtisch stand, klafft jetzt eine Lücke

Wenn es für Hardy an anderer Stelle auch weitergeht, an der Ecke Elisenstraße und Leinaustraße ist der Zapfhahn abmontiert. Dort, wo der Billardtisch stand, klafft jetzt eine Lücke. Eine Wohnung solle es werden, hat Hardy gehört. Aber keine Kneipe.

Ein weiterer alter Stammgast sieht sich auf dem Flohmarkt um, den Hardy veranstaltet, damit seine ehemaligen Gäste zur Erinnerung ein Stück Eliseneck mit nach Hause nehmen können. Er kauft ein Banjo, das zur Dekoration an der Wand links vom Tresen hängt. Als Hardy es herunternimmt, bleibt ein weißer Fleck zurück.