Bye, Bye, Hannibal The Cannibal

Die NBC-Show Hannibal wird nach drei Staffeln abgesetzt, aber das ist leider gar nicht traurig.

Die NBC-Show Hannibal wird nach drei Staffeln abgesetzt, wie vor Kurzem in den amerikanischen Medien berichtet wurde. Obwohl es in den USA einen bemerkbaren Medienhype um die blutige Serie gab, sind es wohl letztendlich die niedrigen Zuschauerzahlen gewesen, die NBC dazu veranlasst haben, Hannibal nach der dritten Staffel den Hahn zuzudrehen.

Die Serie erzählt Thomas Harris‘ Romanreihe nach, die um die 90er herum veröffentlicht wurde und inzwischen Kultstatus erreicht hat – vor Hannibal der Serie gab es bereits diverse Filme zur Geschichte um den kannibalischen „Doktor“ und „Soziopathen“ Hannibal Lecter. Dessen Entwicklung wird als Kernstück der Serie noch einmal en detail aufgerollt, obwohl Chronologie und Personal nicht immer mit der Buchvorlage übereinstimmen. Bekannteste Episode von Lecters Entwicklung ist The Silence Of The Lambs – besonders als Film, in dem ein grandioser Anthony Hopkins den Gentleman-Kannibalen gibt.

Memento Mori

Dazu wird es in der Serie nun nicht mehr kommen. Bye, bye, Dr. Lecter. Es wäre interessant gewesen, Hannibal bis zu den Geschehnissen in The Silence Of The Lambs zu verfolgen. Wie wäre die Serie mit den inzwischen ikonisch gewordenen Bildern des Films umgegangen?

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Wie wäre die Rolle von Clarice Starling besetzt worden? Schade auch um die schönen Bilder. Gerade die ersten beiden Staffeln sind in farbintensiven und detailreichen Einstellungen geschossen, wie man sie selten sieht. Oft erinnerte Hannibal an ein Serie gewordenes Memento Mori-Stillleben.

Genau da ist jedoch der Knackpunkt, weswegen man Hannibal nach Ende von Staffel Drei keine Träne nachzuweinen braucht. Wo das letzte Staffelende nach einem furiosen Knall die Zuschauer buchstäblich im Regen hat stehen lassen, wird man nun von einer sehr träge gewordenen neuen Staffel wieder abgeholt. Hannibal verlässt sich ein wenig zu sehr auf die langsame Fotografie, das opulente Setdesign und diesen morbide-glamurösen Touch des „alten Europa“, das Hannibal Lecter als Figur symbolisiert und an dem die USA einen Narren gefressen zu haben scheinen. Aus den schönen, langen Memento Mori-Einstellungen sind einfach nur noch lange, pathetische Szenen in italienischen Prachtbauten geworden, in denen sich Männer mit angespannten Kiefern bedeutungsschwangeres Zeug zuraunen.

Erzählerische Absurditäten und Gillian Anderson

Genauso gemütlich ruht sich die neue Staffel auf Lecters verdrehtem Universum aus. Erzählerische Absurdität scheint keine Obergrenze mehr zu haben – beachtlich für eine Serie, in der schon mal ein Mordopfer in ein lebendes Pferd eingenäht wurde. Der Plot ist hauptsächlich deshalb eine Spur daneben, weil alle Figuren nur noch wie Puppen ohne wirkliche eigene Agenda um Lecter herumtanzen. In Episode Zwei, Antipasto, sehen wir zum Beispiel kaum etwas anderes als Erinnerungen an kryptische Gespräche zwischen Lecter und seinem Gegenspieler/Love-Interest Will Graham, kryptische Gespräche zwischen Will Graham und dem italienischen Will Graham, Rinaldo Pazzi, und Will Graham, wie er in einer Krypta herumirrend versucht, mit einem kryptischen Selbstgespräch Lecter aus seinem Versteck ebendort zu locken. Wie Graham und Lecter sich ohne Absprache gemeinsam in dieser Krypta wiederfinden konnten, sich nicht sahen und doch wussten, dass der Andere anwesend war, bleibt das Geheimnis der Figuren. Dass sich die Serie nur noch darum dreht, wie profund Graham in der Lage ist, sich in Lecter hineinzuversetzen ist langweilig und führt zu eben solchen erzählerischen Absurditäten.

Blöd auch, dass Mads Mikkelsen, der Lecter mimt, sich nur noch auf sein ungewöhnliches Gesicht zu verlassen scheint, um einen ungewöhnlichen Charakter zu spielen, statt tatsächlich zu spielen. Vielleicht liegt es ja an den geraunten, kryptischen Dialogen. Da schläft nicht nur ein Mads Mikkelsen innerlich ein.
Schade ist das Serienende nur für Lecters Psychiaterin mit dem sprechenden Namen Bedelia Du Maurier. Gespielt von Gillian Anderson ist Du Maurier der einzige Charakter in Staffel Drei, der sich eigenes Entwicklungspotential behalten hat und dessen Verhältnis zu Lecter alles andere als geklärt und deswegen spannend geblieben ist. Außerdem, Gillian Anderson.

Bye, bye, Hannibal. Wahrscheinlich werden wir dich nicht vermissen. Und wenn doch, gibt es Staffel Eins und Zwei. Und vielleicht ja doch eine Fortsetzung bei einem Streaming-Dienst.