Game of Rapes

„Game of Thrones“ driftet in eine gefährliche Richtung – und wird dadurch nicht nur immer sexistischer, sondern auch dramaturgisch flacher als George R. R. Martins Buchvorlage.

[SPOILER ALERT: es werden Handlungselemente aus Episode sechs und sieben der fünften Staffel „Game of Thrones“ verraten]

„Game of Thrones“ zu entdecken, war in etwa so wie das Internet zu entdecken: es war aufregend, es war anders, es war neu. Es gab keine vorhersehbaren plot lines, es gab plötzlich starke Frauenfiguren und ständig starben unvermittelt Sympathieträger: kaum trat eine coole, neue Figur auf den Plan, musste man um ihre Sicherheit bangen. Aber egal wie viel unorthodoxe Dramaturgie George R. R. Martin auch in seine Bücher einarbeitet – die „HBO“-Version der Macher David Benioff und D. B. Weiss ist eben fürs Fernsehen produziert. Und damit werden nicht nur Handlungsstränge gerafft und verändert, um pro Staffel mehr Stoff unterbringen zu können – was angesichts der Schreibgeschwindigkeit von Martin vielleicht keine so gute Idee ist (Write, George, write like the wind!).

Benioff und Weiss entscheiden sich außerdem immer öfter dafür, Vergewaltigung als Schockeffekt einzusetzen. Als in der vierten Staffel aus einer im Buch als einvernehmlich geschilderten Sexszene zwischen Jaime und Cersei plötzlich eine Vergewaltigung wurde, fragten sich Kritiker wie Zuschauer gleichermaßen: was hat das jetzt für einen Mehrwert für die Figuren? Es wurde diskutiert und kritisiert, aber von der Serie trennen wollte man sich dann doch irgendwie nicht. Aufregend, anders, neu – remember?

Unnötige Vergewaltigung

Bis jetzt. Das Online-Magazin „The Mary Sue“ hat aufgrund der letztwöchigen, sechsten Episode „Unbowed, Unbent, Unbroken“ bekannt gegeben, in der Zukunft keine weitere Promotion für „Game of Thrones“ zu machen. In der Episode wird Sansa Stark von ihrem frisch getrauten Ehemann Ramsay Bolton vergewaltigt, während Reek gezwungen ist, zuzusehen. Mal davon abgesehen, dass es in den Büchern gar nicht Sansa ist, die Ramsay zur Frau nimmt, sondern ein Mädchen aus Winterfell, von dem die Boltons behaupten, sie sei Arya, bringt diese Szene auf den Punkt, in welche Richtung „Game of Thrones“ zu driften scheint: Als hätten sich die Macher die Frage gestellt, wie Frauenfiguren sich auch sonst entwickeln sollen, wenn sie nicht regelmäßig sexueller Gewalt ausgesetzt sind.

Die Vergewaltigungsszene in „Unbowed, Unbent, Unbroken“ war schlimm und dramaturgisch gesehen unnötig genug, ganz einfach, weil Vergewaltigung kein notwendiges Handlungselement ist, wie „The Mary Sue“-Autorin Jill Pantozzi das Offensichtliche klar machte.

Man kann aber nur darüber spekulieren, was „The Mary Sue“ wohl über die aktuelle, siebte Episode „The Gift“ zu sagen hätte. Sansa verbringt ihre Tage eingesperrt in ihrem Zimmer, wartend auf die Nächte, in denen Ramsay sie wieder vergewaltigt. Es reicht Benioff und Weiss offenbar nicht, dass Ramsay Theon ausgiebig gefoltert, ihm den Schwanz abgeschnitten und ihn schließlich zu Reek gemacht hat. Er muss Sansa die zu Tode gefolterte Leiche der Frau zeigen, die ihr in der sechsten Episode Hilfe angeboten hat. Sie solle sich eine Kerze mit aufs Zimmer nehmen, sagt Ramsay zu Sansa, weil die Nacht lang werde. Man muss nur den Dümmsten erklären, dass das heißt, dass er sich wieder nach Herzenslust an ihr vergehen wird.

Billige Schockeffekte

Eine Vergewaltigung pro Episode aber reicht wohl nicht. Zwei Männer der Nightswatch versuchen, Gilly zu vergewaltigen und Sam, der ihr zu Hilfe kommt, wird von ihnen schlimm verprügelt. Es bedarf des Direwolfs Ghost, dass Gilly und Sam in Ruhe gelassen werden. Besser als wired.com im Recap der siebten Episode kann man es wohl nicht kommentieren: „Of course, they try to rape her, because it wouldn’t be ‚Game of Thrones’ unless rape rape rape rape rape. (…) The attempted assault leads directly to a Sam-and-Gilly sex scene, because nothing gets a woman who’s been chronically raped for most of her life ready for lovin’ like two more men trying to rape her.“

Sich inhaltlich und dramaturgisch von der Vorlage der Bücher zu entfernen ist solange kein Problem, wie das keinen Einfluss auf die Darstellung der (vor allem weiblichen) Figuren hat. Dass zusammen mit den starken, unabhängigen Frauenfiguren gleichzeitig ständig Brüste und Vaginas zu sehen sind, ist schlimm genug (und hier sehr gut beschrieben). Dass die Macher immer öfter auf Vergewaltigungen zurückgreifen, um etwa männliche Figuren zu zeichnen – den schwachen Reek, der nicht anders kann, als es tatenlos mit anzusehen; den starken Sam, der der (natürlich!) schutzlosen Gilly zu Hilfe kommt – bringt zweierlei zum Ausdruck: sie entfernen sich zugunsten billigster Schockeffekte von Martins Dramaturgie und lassen die Serie zunehmend sexistischer werden. Dass die betreffende Episode „The Gift“ heißt, könnte man komisch finden, wenn es nur nicht so ernst wäre. Denn ein Geschenk war diese Episode beileibe nicht.

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