Die PARTEI: Ist Satire wählbar?

Eine Demokratie muss viel aushalten. Auch Satire, die manchmal unangenehm an dem System rüttelt, das sie erst ermöglicht. Mit der Satirepartei Die PARTEI steht eine solche, vermeintlich ambivalente, Akteurin unter den Fraktionen zur realen Option auf deutschen Wahlzetteln. Vertane Stimme? Vielleicht sogar eine Chance.

Die Partei Die PARTEI, wie sie sich selbst konsequent sperrig bezeichnet, ist nicht wie jede andere Partei. Sie vermischt Kunst und Realität. Sie ist Satireprodukt einerseits und juristisch einwandfreie Kleinpartei andererseits. Im Jahr 2004 von den Machern des Satiremagazins Titanic gegründet, hat sie es inzwischen schon ins Brüsseler Europaparlament geschafft, wo ihr Vorsitzender Martin Sonneborn derzeit sitzt.

Ihr Name ist als Akronym zu verstehen und setzt sich aus dem Titel „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ zusammen. Dass ausgerechnet diese Schlagwörter auf der Agenda stehen, ist zwar wahrscheinlich eher den passenden Anfangsbuchstaben geschuldet als den wirklichen Idealen, aber das hat bei der Partei Die PARTEI Konzept. Unterhaltung kommt vor Inhalt.

In ihrer Funktion als Satirepartei karikiert sie das politische Business. Sie führt es ad absurdum. Sie stellt sich über das System und ist zugleich Teil davon, weil sie selber darin operiert wie die anderen Fraktionen: Sie hat ein Programm, sie hat eine personelle Infrastruktur und sie macht Wahlwerbung. Sie steht am Ende auf dem Wahlzettel und darf gewählt werden. Und sie wird auch gewählt. Obgleich meistens nur im Null-Komma-Prozentbereich, so brachte es Die PARTEI bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln 2015 auf beachtliche 7,2 Prozent.

Das findet nicht jeder lustig, denn immerhin gehen da Stimmen an eine Partei, die im Kern die Mauer wieder aufbauen will, die „gegen die Salamisierung des Abendbrots“ plakatiert, die zugleich ‚Ja‘ und ‚Nein‘ zu Europa sagt und überhaupt Inhalte überwinden möchte. Besonders manch alteinhergebrachtem Politiker wird die Satirepartei ein Dorn im Auge sein. Schließlich entlarvt sie die Schwächen und Absurditäten der Politik und klaut damit auch noch potenzielle Wähler. Und dann muss man die „gelungene Satire, die den Finger so wunderbar in die Wunde legt“, auch noch öffentlich toll finden.Wer das nicht tut und als gestandener Politiker lieber gegen die Sperenzchen der ‚Kollegen‘ wettert, macht sich nachher eher zum Gespött.

Das beliebte Argument gegen die Partei Die PARTEI lautet dann: Man könne doch keine Partei wählen, die das System bewusst torpediert. Das Votum sei verschenkt, es spiele den Radikalen in die Karten, Politik sei ein seriöses Geschäft und kein Quatsch. Doch wenn man sich nicht gerade mit der Türkei vergleicht, scheint solch eine Sichtweise auf die politische Realität naiv und betriebsblind. Zugegeben, eine Veralberung von SPD-Wahlplakaten ist im engeren Sinn noch keine adäquate Systemkritik (oder?). Aber gäbe es keinen Anlass zu satirischer Aufbereitung der politischen Wirklichkeit, würden TV-Shows wie die heute-show oder das Neo Magazin Royale nicht derart boomen.

Protest durch Satire

Und auch Die PARTEI tut mehr als Systemboykott. „Satire muss generell aus einer gewissen Ernsthaftigkeit betrieben werden, sonst funktioniert sie nicht.“, sagt Marc Oliver Schädel, 1. Kreisvorsitzender der Partei Die PARTEI Region Hannover. „Satire ohne Ernst ist nur ein dummer Witz.“ Sie sei ein Mittel, mit dem seine Fraktion humoristisch Missstände aufdecke, „um beispielsweise die Absurdität des Wahlkampfes zu zeigen. Der neue FDP-Slogan ‚Deutschland wird vor Ort entschieden.‘ ist nichts anderes als ein abgekupfertes ‚Inhalte überwinden!‘“, so Schädels steiler Vergleich. „Weiterhin nutzen wir dieses Mittel, um auf weitere fehlgeleitete Entscheidungen der Altparteien hinzuweisen (vergl. Parteienfinanzierungsgesetz).“

Also: Protest durch Satire. Eine Satirepartei zu wählen, ist zunächst einmal eine weniger dumme Form von Protestwahl. Man ist einerseits mit den politischen Mechanismen nicht einverstanden, andererseits aber auch nicht frustriert und unreflektiert genug, um deshalb extreme Parteien zu wählen. Die Personen hinter der PARTEI zeigen, dass Parteienverdrossenheit per se kein Phänomen von weniger intelligenten Menschen ist. Im Gegenteil. Hinter den zwischen vulgärem Wahnwitz und feinsinniger Genialität schwankenden Ideen steckt kein ‚Pack‘. Dahinter stecken kluge Köpfe, die das System genau zu durchblicken scheinen. Sie können dem System als Humoristen, die eher aus Kunst als aus Politik kommen, noch unbefangener den Spiegel vorhalten. PARTEI-Politiker Schädel: „Wir hängen in keiner Lobby, sind keinem verpflichtet und können auf alles, was jemals bestand, komplett pfeifen.“

Trotzdem bleibt die Frage: Was will die Partei Die PARTEI wirklich? Satirisch unterhalten oder Politik machen?! Besonders tief lassen sie sich hier nicht in die Karten schauen. „Wir lassen da viel Raum für Interpretation“, sagt  Schädel.

Tja. So ist die Natur von Satire. Sie lebt davon, dass sie wie ein Kunstwerk interpretiert werden muss. Sie agiert permanent „in gimmick“ und lässt eine ernsthafte Geisteshaltung im Verborgenen. Sobald Satire sich selbst erklären würde, verlöre sie ihren Sinn. Sie muss sich dem gewünschten Risiko hingeben, unverstanden zu bleiben. Und so gern man auch hinter den Vorhang der PARTEI schauen würde, so schade wäre es um die zerstörte Illusion und somit auch um ihre diffuse Funktion. Kommunalpolitiker Schädel auf die Frage möglicher Koalitionspartner: „Wir arbeiten generell nicht mit Spaß- und Splitterparteien zusammen wie FDP, SpaßParteiDeutschlands, CDU/CSU, AfD oder Grüne.“ Auf eine Antwort außerhalb des Satirekosmos‘ könnte man wahrscheinlich lange warten.

Satire als Regierung?

Nun könnte man meinen, die Macher der Partei Die PARTEI bräuchten auch gar keine ernsten Antworten auf ernste Fragen wie die nach Koalitionen zu kennen. Aus zwei Gründen: Erstens würden sie sie eh nicht öffentlich abrufen und zweitens sprechen die Wählerzahlen bisher nirgendwo für baldige Koalitionsgespräche. Das Gedankenspiel bliebe also Beobachtern überlassen. Andererseits steht und fällt mit der Was-wäre-wenn-Frage auch die Wählbarkeit der PARTEI. Ist sie per Definition nur eine Oppositionspartei? Funktioniert das Satirekonstrukt nur vom hohen, bequemen Ross der Utopie, von dem die Witzemacher zwar kreativ tadeln, ohne es aber besser machen zu müssen? Wie soll jemand, der den Ernst nicht durchscheinen lässt, damit seine Kunst aufrechterhalten bleibt, auf einer Ebene des realen Koalierens agieren, also einer Ebene des angewandten Ernstes? Rein hypothetisch.

Eine regierende Satirepartei müsste sich im Widerstreit von Politikmachen und Unterhaltung für Politik entscheiden, zumindest partiell. Dadurch gibt sie allerdings Teile ihres Scheins auf, hinter dem sie sich in der Oppositionsrolle noch verstecken kann. Als Regierung wird aus einem Über-Ich plötzlich ein Ich, aus einem Schein ein Sein; welches zwar immer noch komödiantische Antworten geben kann, aber trotzdem konstruktiv handeln müsste und dabei fehlbar ist. Fehlbarkeit, die man als Oppositionspartei noch nach allen Regeln der Kunst kritisieren konnte. Auf einmal fallen regierende Satiriker in die Rolle, selbst das Objekt von Satire werden zu können – ein fundamentaler Seitenwechsel.

Wenn sich gelernte Humoristen dem stellen können und wollen, müssen sie nicht die schlechtere Politik machen. Andernorts hat solch ein Experiment bereits gefruchtet: Im gebeutelten Island wurden im Jahr 2010 alteingesessene Berufspolitiker bei Wahlen durch Satiriker abgelöst.

Und oftmals war es in der geistesgeschichtlichen Tradition die Kunst, die mit ihren Mitteln Wege aus der Krise gefunden hat, die festgefahrene Strukturen aufbrach und neue Ideen miteinleitete. Insbesondere in Zeiten, wo sich die Satire (als Kunst) zur Aufgabe macht, sogar Demokratie und Meinungsfreiheit zu stabilisieren, gewinnt sie politisch ohnehin stark an Bedeutung. Die Wählerstimme der Satire zu geben, ist deshalb keineswegs verschenkt, sondern unter progressiven Gesichtspunkten eine Chance.

Bildquellen

  • partei: Theo Wurth

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