Dietlind Falk – Das Letzte: Dem Schmerz die Stirn bieten

Dietlind Falk erzählt in ihrem Debütroman auf zarte und verletzliche, aber genauso kraftvolle Weise die Geschichte eines toten Bruders, einer Messie-Wohnung und der Tatsache, dass man sich dem Schmerz immer irgendwann stellen muss: Das Letzte ist einer der besten Romane des Jahres.

Es existiert die Meinung unter TherapeutInnen, dass jeder Mensch eine Therapie machen sollte. In jedem Leben gehe irgendwas kaputt, jeder und jede sei irgendwie traumatisiert, egal in welchem Umfang. Und diese Meinung ist nicht unplausibel: Man kann Probleme ein Leben lang mit sich herumtragen, verbergen, verdrängen, totschweigen oder Drogen draufschütten. Sinnvoller allerdings ist, hinzuschauen. Dem Schmerz die Stirn zu bieten. Dass das keine leichte Aufgabe ist, unter anderem davon handelt Dietlind Falks Debütroman Das Letzte.

Toter Vater, toter Bruder, alkoholkranke Messiemutter

Ernst und dramatisch aber geht es erst gar nicht los: Ein bisschen flapsig klingt sie anfangs, die Ich-Erzählerin aus Das Letzte, wenn sie davon erzählt, wie sie ihren Therapeuten hinters Licht führt: Wie sie mit allem hinterm Berg hält, wie sie ihn ihr wahres Ich nicht sehen lässt. Von Flapsigkeit aber ist nichts zu spüren, wenn sie dem Leser gegenüber offenbart, dass ihr Bruder sich das Leben nahm, der Alkoholikervater sterbend in den Glascouchtisch stürzte und die Mutter sich in Alkohol und ins Messie-Dasein flüchtete. Und damit enden die Probleme der Heldin, die eher eine Antiheldin ist, nicht: Der Vermieter der Mutter hat Eigenbedarf angemeldet, der Brief mit der Benachrichtigung aber lag lange unbeachtet im Chaos herum, und so bleiben nur noch wenige Wochen, um die Wohnung zu leeren. Und auch in ihrem eigenen Zuhause, der charmant chaotischen WG aus Aussteigern, Neurotikern, Kiffern und Feministinnen, läuft nicht alles reibungslos: Klar, dass der Vermieter seit fünf Jahren keine Miete fordert, ist schon angenehm, aber dass die Protagonistin ausgerechnet Gefühle für ihren Mitbewohner und besten Freund Leo haben muss, macht die Dinge nicht einfacher.

Verbittert, kaputt, aber bezaubernd

Dietlind Falk erzählt in ungeheuer bildgewaltiger, dabei aber nie pathetischer Sprache eine Geschichte, die mal Zartheit und mal Verzweiflung bedeutet. Sie erzählt von einer in der Liebe zynischen Figur, die durch all die Tode und das Leid in ihrem Leben verbittert, ja, dabei vielleicht sogar kaputt gegangen ist, und die am Ende doch – oder vielleicht gerade deshalb? – umso bezaubernder ist, weil man ihr umso mehr Katharsis und (Leo-) Glück wünscht. Noch relativ am Anfang des Buches lässt Falk ihre Hauptfigur, als sie sich Leo ausreden will, sagen, „dass nichts, und ganz besonders nicht Liebe, von Dauer ist.“ Natürlich sprechen daraus ihr Trauma, ihr Schmerz und ihre Angst, dass alles schlecht ausgeht: Was also wäre einfacher, als vorauseilend so selbsterfüllend zu prophezeien? Aber so allein sie sich fühlt: Sie ist es nicht. Und nach und nach beginnt sie, Mut zu fassen. Sie will kämpfen. Und während ihre Mutter sich an wahllos zusammen gesammelte Dinge klammert, um den Verlust zu verkraften, so steht die Ich-Erzählerin schließlich auf und stellt sich ihren Dämonen. Was 2017 auch bringen mag an (Debüt-) Romanen: Dietlind Falks Das Letzte ist bereits jetzt einer der besten des Jahres.

Dietlind Falk: Das Letzte
Albino Verlag, 2017
256 Seiten,  16,99 Euro.