Hurricane 2023: Samstag

Henners Samstag auf dem Hurricane 2023 beginnt mit Tütensuppen und endet mit einem 15 Meter hohen Kopf mit Metallmaske.

Die letzte Nacht konnte ich trotz sehr kühlen Temperaturen um die 10 Grad erstaunlich gut schlafen, erst gegen 9 Uhr wird die Geräuschkulisse auf dem Zeltplatz so dominant, dass ich sie auch mit Ohrenstöpseln nicht mehr ignorieren kann. Also die übliche Morgenroutine einleiten, erstmal Dixi, dann Kaffee, dann auf zur Dusche. Den restlichen Vormittag verbringen wir mit Fünf-Minuten-Terrinen, Ramen-Suppen und Dosenbier und tauschen uns über den letzten Festivaltag aus.

Um 15 Uhr mache ich mich dann langsam auf in Richtung Festivalgelände. Dort dröhnt bereits seit 12 Uhr wieder das volle Programm von den Bühnen. Bukahara spielen um 15:45 Uhr auf der großen Mountain-Stage, ein echtes Festival-Highlight, dass leider viel zu wenige Besucher auf dem Zettel haben. Ihr einzigartiger Mix aus World- und Afrobeats mit Gitarren, Bläsern und Streichern hätte ein viel größeres Publikum verdient. Hits wie „Afraid no more“, „Happy“ oder „We are still here“ schaffen eine wundervoll entspannte Atmosphäre, die alle Gäste vom ersten Ton an voll in ihren Bann ziehen. Dazu strahlt die Sonne vom mit Schäfchenwolken gesprenkelten Himmel – der erste wunderschöne Festivalfeeling-Moment an diesem Tag erobert sich einen Platz in meinem Herzen. So kann es weiter gehen.

Ich bin mir sicher, Bukahara hat sich heute viele neue Fans erspielt, die die Band vorher nicht auf dem Schirm hatten. Gut so.

Ich schlendere rüber zur blauen River-Stage, wo Two Door Cinema Club bereits seit ein paar Minuten ihren eingängigen Gitarren-Pop performen. Leider sind die Jungs etwas zu routiniert. Beinahe gelangweilt spielen sie ihr Set in der Sonne vor einem Publikum, zu dem der Funke nicht so recht überspringen will. Schade, denn die Qualität ihrer Songs hätte es verdient, mit mehr Elan herübergebracht zu werden.

Madsen und deren Fans zelebrieren den Regen.

Nach dem Gig schaue ich kurz im Pressezelt vorbei, um mich auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Ich erfahre, dass alle Konzerte des heutigen Tages wie geplant stattfinden werden und schlendere zurück zur blauen Bühne, wo Chvrches als Nächstes spielen werden. Die vier Schotten mit ihrer sehr charismatischen Frontfrau bezaubern das Publikum vom ersten Song an. Ihr energetischer, synthielastiger Wave-Poprock nimmt mit, was Two Door Cinema Club eine Stunde vorher liegen gelassen hat, nämlich die Herzen der Fans. Ich freue mich es in den zweiten Wellenbrecher geschafft zu haben, der mir sowohl bestmöglichen Sound als auch einen passablen Blick auf die Bühne bietet. Die Sängerin tritt in einem extravaganten roten Chiffon-Kleid auf, dazu sind Teile ihrer Haut mit roter Farbe besprenkelt, es entsteht ein Kontrast zwischen Schlachterei-Assoziationen und Opernball-Optik, der die fragilen Gesangslinien, die mich oft an Björk erinnern, herrlich konterkarieren. Sehr cool.

Regen statt Madsen

Mein heutiger Zeitplan hätte mich jetzt eigentlich zu Madsen vor die grüne Bühne gerufen, allerdings fallen wie aus dem Nichts einige Tropfen Regen. Ich checke kurz das Regenradar und stelle fest, dass gerade ein ausgewachsenes Gewitter über das Gelände zieht. Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig mich in einen überdachten Promostand zu retten, bevor es plötzlich Hunde und Katzen regnet. Eine gute Dreiviertelstunde kommt Wasser vom Himmel, das vom mittlerweile völlig ausgetrocknet Boden dankbar aufgesaugt wird. Endlich ist der Staub gebunden und die Luft wieder angenehm zu atmen. Das Hurricane ist halt einfach nicht vollständig, ohne wenigstens einen fetten Regenschauer. Ich schaffe es noch, die letzten drei Lieder von Madsen mitzubekommen. Erstaunlich, wie viele tausend Fans sich von den himmlischen Sturzbächen nicht haben vertreiben lassen. Der Regen hat das Moshpit vor der grünen Bühne in eine riesige Schlammpfütze verwandelt, die Fans springen darin herum wie Kindergartenkinder in Regenpfützen. Auch das ist einer dieser Festival-Momente, die einem lange im Gedächtnis bleiben werden. Schlammschlacht par excellence.

Ich bummele rüber in Richtung Wild-Coast-Stage wo um 20:15 Uhr Pascow auf dem Programm stehen. Zufällig treffe ich meinen Kollegen Paul und wir betreten das Zelt gemeinsam. Die Jungs aus dem Saarland haben eine Gastsängerin dabei und liefern gemeinsam eine solide Portion Punkrock. Ehrlich, direkt, geradeaus – gute, fast schon klassische „In your Face“-Mucke, die alle im Publikum gut durch schüttelt. 

Die Prog-Rocker von Muse traten das letzte mal vor 17 Jahren in Scheeßel auf.

Gut gelaunt trete ich erstmal den Weg ins Zeltlager an, um mir für Muse, die um 23 Uhr spielen, wärmere Klamotten anzuziehen. Sobald die Sonne untergegangen ist, kriecht einem sonst die Schafskälte der Nacht in die Knochen. In Hoodie und Lederjacke begebe ich mich dann zu dem Konzert, auf das ich mich dieses Wochenende am meisten freue.

2006 waren Muse das letzte Mal der das Festival gebucht, konnten aber damals nicht auftreten, da ihr Gig aufgrund der damals extremen Wetterverhältnisse abgesagt werden musste. Noch auf der Pressekonferenz zum Festivalabschluss 2006 versprach das Booking von FKP Scorpio, dass es sich darum bemühen will, Muse noch einmal für eines der kommenden Festivals zu buchen. Nur 17 Jahre später hat es geklappt. Für mich ein Grund zum Feiern.

Die Show der britischen Prog-Rocker ist unglaublich aufwändig produziert und gleicht einer gigantischen Rock-Oper. Immer wieder begleiten auf Hollywood-Niveau produzierte Videosequenzen die mit virtuoser Spielfreude performten Songs der Band. Ein gigantischer, etwa 15 Meter hoher, beweglicher Kopf mit Hoodie-Kapuze und Metallmaske füllt den gesamten hinteren Teil der Bühne aus und wird immer wieder von acht verschiedenen etwa 15 Meter hohen Flammensäulen beschienen. Dieses multimediale Happening ist bis ins kleinste Detail durchinszeniert und choreografiert. Jeder Beat sitzt, jeder Lichtstrahl trifft und alles greift ineinander wie ein perfekt geschmiert Uhrwerk. Großartig, dieses Spektakel live erleben zu können. Von „Uprising“ über „Supermassive Blackhole“ bis zu „Knights of Cydonia“ sind natürlich alle Hits dabei. Ein würdiger Headliner, der den Fans gibt, was sie wollen. 

Ziemlich am Ende meiner Kräfte beschließe ich, Casper nicht mehr anzusehen und mich lieber direkt zurück ins eigene Zelt zu begeben, um Kraft für den morgigen Endspurt zu sammeln.

Frank Turner, Queens of the Stoneage, Placebo und Die Ärzte stehen morgen auf meinem Zettel. Ich freue mich darauf.

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