Interviewreihe „Davon leben“ – Interview mit Jim Search (Comedian) [Deutsch / English]

Der Comedian Jim Search über Comedy-Hotels, den Rausch auf der Bühne und das erste Mal, als Menschen über seine Witze lachten. Unsere Interviewreihe Davon leben [Deutsch / English]

Kunst machen – klar. Aber davon leben? Für Davon leben trifft Martin Spieß sich mit Künstlerinnen und Künstlern an der Peripherie des ganz großen Erfolgs. Dort, wo es wenig Geld, aber viel Leidenschaft gibt. Heute im Gespräch: Jim Search, ein US-amerikanischer Comedian.

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Du wurdest in den frühen 80ern in Binghamton, New York, geboren. Wann bist du nach New York City gekommen?

Ich habe 2006 einen Umzugswagen vollgepackt und bin nach NYC aufgebrochen.

Wann kamst du das erste Mal mit Comedy in Kontakt?

Meine ersten Erinnerungen an Comedy gehören zu George Carlin. Ich kann mich genau daran erinnern, wie ich seine Sachen in die Finger bekam, als ich etwa zehn Jahre alt war – ich bin Schlüsselkind –, und dachte: „Dieser Typ ist brillant … er stellt eine Menge Fragen.

Fragen?

Er hat eine Menge dessen, was um ihn herum in der Welt passierte, in Frage gestellt … hat sich das Leben angeschaut und untersucht, was vor sich ging, anstatt es für bare Münze zu nehmen.

Wann wurde dir bewusst, dass du Comedian werden wolltest?

Ich war schon immer das „lustige Kind“, so klischeehaft das klingen mag. Ich habe nie viel darüber nachgedacht, Comedian werden zu wollen, als ich aufwuchs. Ich habe angefangen, es zu erwägen, als ich nach NYC zog. Die Leute sagten mir immer wieder: „Du solltest Stand-up ausprobieren.“ Aber ich war fucking nervös, mich vor eine Menge zu stellen, und das ist ein ziemlicher großer Teil von Stand-up Comedy. Also schrieb ich als Ventil für lustige Dinge Kurzgeschichten darüber, in New York Party zu machen. Ein paar Jahre später entschied ich: „Ich habe keine Frau und Kinder … Scheiß drauf, jetzt ist die Zeit, es mit der Comedy zu versuchen.“ Ich bin zu einem Open Mic gegangen und habe ein paar Jokes ausprobiert … und dann ging es irgendwie seinen Weg.

Welcher Weg war das?

Ich habe angefangen, zu Open Mics zu gehen, und mir den Kopf zerbrochen, wie ich es anstellen sollte … dann wurde ich für Shows in Bars gebucht, habe begonnen, meine eigenen Bar-Shows aufzuziehen und bin dann in die Comedy-Szene geraten. Dann kam das Schreiben und Produzieren von Sketchen, ich habe Podcasts gemacht und ein Buch geschrieben. Mir wurde bewusst, dass Comedy für mich nicht nur bedeuten konnte, Stand-up zu machen, so sehr ich es auch liebte.

Konnte? War es Interesse oder Verlangen, das dich dazu veranlasst hat?

Wenn ich mit Comedy Geld verdienen will, kann ich nicht nur Stand-up machen. Ich meine, ich könnte schon, aber dann wäre ich pausenlos unterwegs, und so will ich mein Leben nicht leben. Also verfolge ich andere Wege, lustig zu sein. Es gibt eine Menge verschiedene Möglichkeiten, durchs Lustig-Sein Geld zu verdienen.

Das verstehe ich: das Leben auf Tour ist hart, so bereichernd es auch sei. Aber Geburtstage, Hochzeiten etc. zu verpassen, weil man pausenlos auf der Bühne steht, das kann sich rächen. Zumindest ist das meine Erfahrung.

Ja, und außerdem lebt man in Comedy-Wohnungen und Hotels … und da wird man ziemlich einsam.

Kein Wunder, dass so viele Comedians unter Depressionen leiden, ich eingeschlossen. Hast du je eine gehabt?

Jeder ist mal deprimiert. Ich würde aber nicht klinisch depressiv sagen oder so.

Du hast eben dein Buch erwähnt.

Ja, ich habe ein Buch geschrieben, über meine Erfahrungen in der Grad School, passend betitelt Grad School: A $70,000 Phone Charger.

Ich würde es als komischen, irgendwie therapeutischen Blick auf die Dinge beschreiben, die dir begegnet sind, als du deinen Master gemacht hast. Stimmst du zu?

Tue ich, obwohl „therapeutisch“ zu sagen der Schule zu viel Macht in meinem Leben gibt. Die Leute waren lediglich rückwärtsgewandt und lästig. Ich würde sagen, die Erfahrung der Grad School war voll von komischem Material und ich habe es ausgebeutet. Es war nicht traumatisch.

Das Buch liest sich auch nicht traumatisch, im Gegenteil. Und es ist komisch. Meine Lieblingsstelle ist die, wo der Schulleiter sagt, die Schule sei eine „Weltklasse-Einrichtung“ und du antwortest: „Ich kann nebenan Goldzähne und Perücken kaufen. Ich würde nicht Weltklasse sagen.“

Sie waren nicht sonderlich erfreut, als ich das sagte, aber ich habe ganz sicher nicht gelogen.

Verwendest du die Erfahrungen auch in deiner Stand-up?

Ein wenig. Ich habe ein paar Situationen zu Bits umgewandelt. Ich habe die Zeit nicht tief nach Jokes umgegraben, aber sie sind ganz sicher da. Scheiße, ich habe ein Buch darüber geschrieben.

Bezahlt Comedy deine Rechnungen? Oder hast du einen „normalen Job“?

Nun, ein paar Leute können nur von ihren Einkünften aus der Comedy leben. Ich bin keiner dieser Leute. Ich habe einen Job, wie so viele andere auch.

Was tust du?

Ich bin Lehrer.

Plagt es dich, dass du „keiner diese Leute bist, die nur von ihren Einkünften aus der Comedy leben“ können?

Ich glaube, „plagen“ ist ein hartes Wort. Würde ich gerne von der Comedy leben können? Sicher. Aber es plagt mich nicht, dass ich einen Job habe.

Hast du mit Zweifeln zu kämpfen? Denkst du je ans Aufhören? Gibt es Situationen, in denen du dich zum Weitermachen zwingen musst?

Oh nein, ganz und gar nicht. Eine Menge Leute gehen durchs Leben und finden nie das, was sie glücklich macht. Ich habe Glück, dass ich es gefunden habe. Ich glaube nicht, dass ich je aufhöre, Comedy zu machen. Und sicher gibt es Momente, in denen ich meinen Kopf unten halten muss, um weiterzumachen. Schlecht besuchte Shows, „nein“ zu hören … all dieser Bullshit.

Was genau an Comedy macht dich glücklich? Du hast eingangs Carlin erwähnt, also meinst du, das Publikum zu erziehen oder gar zu erleuchten, abgesehen davon es zu unterhalten?

Was mich an der Comedy glücklich macht, ist die Herausforderung. Es ist nie etwas, das man wirklich „beherrscht“. Es ist ein nicht endendes Spiel von „Wie bringe ich diesen Menschen zu lachen?“ Ich glaube, es gibt einen Teil in mir, der „erziehen“ will … Aber ich achte sehr darauf, das Publikum nicht von oben herab zu behandeln. Das ist kitschig wie Sau.

Es ist nicht nur kitschig, es ist oft auch nicht komisch. Und wo wir von komisch sprechen: gibt es Themen, über die du keine Witze machst? Gibt es Grenzen?

Ich verwende den klischeehaften „nach oben schlagen“-Ansatz, um zu entscheiden, worüber ich Witze mache. Ich nehme ein gewagtes Thema und verfolge es, aber ich versuche, dafür zu sorgen, niemanden anzuscheißen, der es nicht verdient, angeschissen zu werden.

Am Ende geht es in der Comedy ja darum, Leute zum Lachen zu bringen, nicht sie zu beleidigen. Und ich stelle fest, dass es sehr bereichernd ist, Leute zum Lachen zu bringen: Auf der Bühne zu sein und zu sehen, wie die Leute meine Jokes feiern und eine gute Zeit haben – es gibt wenig, das besser ist. Siehst du das auch so?

Ja, da stimme ich dir zu. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich eine Crowd zum Lachen brachte. Das kam erst nach Monaten, in denen ich es erfolglos versucht hatte. Ich ging zu einem Open Mic und stellte mich schrecklich an. Und dann war ich eines Tages da, trat vor einer Gruppe Tourist*innen auf und sie lachten über das, was ich sagte. Das war ein Rausch, den ich vorher noch nie gespürt hatte. Es war dope.

Verspürst du diesen Rausch immer noch, wenn du heute auf die Bühne gehst?

Ich würde nicht notwendigerweise sagen, dass es auf demselben Level ist wie beim ersten Mal. Aber ich glaube, dieser Rausch kommt, wenn mir ein brandneuer Witz einfällt, der funktioniert.

Das fühlt sich großartig an, das kann ich nachempfinden. Du bist also alles in allem zufrieden damit, wie die Dinge sind?

Das würde ich sagen, ja.

Schön zu hören. Danke für deine Zeit.

Na klar.

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Interview with Jim Search (Comedian)

You were born in Binghamton, New York, in the early 80s. When did you come to New York City?

I packed up a U-Haul and headed for NYC in 2006.

When did you first come in contact with comedy?

My first memories of comedy are from George Carlin. I can clearly remember getting ahold of his stuff when I was around 10 years old – I’m a latchkey kid – and thought: “This dude is brilliant … he’s asking a lot of questions.”

Questions?

He was questioning a lot of what was happening in the world around him … looking at life and probing what was happening, not taking it at face value.

When did you realize you wanted to become a comedian?

I’d always been “the funny kid”, as cliché as that may sound. I never really gave a lot of thought to being a comedian as I was growing up. I started to entertain the idea of doing it when I moved to NYC. I kept having people tell me: “You should try stand-up.” But I was nervous as fuck to stand in front of a crowd, which is kind of a big part of stand-up comedy. So as an outlet for funny stuff, I would write short stories about partying in NYC. A few years into that I decided: “I don’t have a wife or kids … fuck it, now is the time to try comedy for real.” I went to an open mic and tried a couple of jokes … and it kind of went its own direction.

Which direction was that?

I started hitting open mics, bumping my head trying to figure out how to do it … then started getting booked for bar shows, started running my own bar shows and then getting into the comedy scene. Then came writing and producing sketches, podcasting and writing a book. I realized that for me, comedy was a place where I couldn’t solely rely on stand up, as much as I love it.

You couldn’t? Was it interest or urge that made you diversify?

If I am going to make a living off comedy, I can’t just do stand-up. I mean I could, but then I would be on the road all the time, which isn’t how I want to live my life. So, there’s other avenues of being funny that I pursue. There’s a lot of different ways to get paid off being funny.

I get it: Life on the road is hard, as rewarding as it is. But missing out on birthdays, weddings etc. because you’re always on stage, that can take its toll on you. At least that is my experience.

Yeah, and also, you’re living out of comedy condos and hotels … and that shit gets pretty lonely.

No wonder so many comics suffer from depression, myself included. Have you ever dealt with it?

Sure, everyone gets depressed. I wouldn’t say clinically or anything like that.

You mentioned writing a book.

Yeah, I wrote a book about my experiences in grad school, aptly titled Grad School: A $70,000 Phone Charger.

I’d describe it as a comedic, somewhat therapeutical take on the things you encountered while getting your Master’s. Would you agree?

I’d agree, however saying “therapeutic” gives that school way too much power in my life. They were just backwards and annoying. I would say the experience of grad school was rife with comedic material and I mined it. It wasn’t that traumatic.

The book doesn’t read traumatic, actually quite the contrary. And it’s funny. My favorite scene is where the headmaster says, the school is a “world class institution” and you reply: “I can buy gold teeth and wigs next door to this place. I wouldn’t say world class.”

They were less than pleased when I said it, but I most certainly wasn’t lying about it.

Do you use the experience in your stand-up, too?

A little bit. I’ve pulled a couple situations out of there that turned into bits. I haven’t dug as deep into that time for jokes, but they are certainly there. Shit, I wrote a book about it.

Does comedy pay your bills? Or do you have a „regular job“?

Oh, well some people solely live off the earnings of their comedy. I am not one of those people. I have a day job, like so many others.

What do you do?

I’m a teacher.

Does it bother you that you’re not “one of those people who solely live off the earnings of their comedy”?

I think “bother” is a strong word. Would I like to live off comedy? Sure. But it doesn’t bother me that I have a job.

Do you struggle with doubts? Do you ever think to stop? Are there situations where you have to soldier on?

Oh no, not at all. A lot of people go through life and never find the thing that makes them happy. I’m lucky that I found mine. I don’t think I’ll ever stop producing comedy. And sure, there are certainly moments where I have to put my head down and keep going. Sparsely attended shows, hearing “no” … all that bullshit.

What exactly about comedy makes you happy? You mentioned Carlin earlier, so do you mean to teach or even enlighten your audience apart from entertaining them?

The thing that makes me happy about comedy is the challenge of it. It’s never something that you truly “master”. Because it’s a constant game of “How do I make this person laugh?”. I think there is a bit of me that likes to “teach” … But I am very aware of not coming off as talking down to the audience. That’s corny as fuck.

It’s not only corny, it mostly isn’t funny. And speaking of funny: are there things that you don’t joke about? Do you have boundaries?

I kind of use the cliché “punch up” approach to what I joke about. I may take a topic that’s risqué and go after it, but I try to make sure I’m not shitting on anyone who doesn’t need to be shat upon.

In the end, comedy’s about making people laugh, not offending them. And I find making people laugh really rewarding: Being on stage, seeing people dig my jokes and having a good time, there are few things that are better. Do you feel the same way?

Yeah, I’d agree. I can remember the first time I made a crowd laugh. It came after months of failing to do it. I was going to an open mic for a while and was just doing horribly. And then finally, one day I was there, I performed in front of a group of tourists and they laughed at the shit I said. It was a rush I never felt before. It was dope.

Do you still get rush when you get on stage today?

I wouldn’t necessarily say that it’s on that same level as the first time. But I think that rush comes when I come up with a brand-new joke that works.

That feels great, I can relate to that. So overall, you’re content with the way things are?

I would say so, yeah.

Great to hear. Thanks for your time.

Sure thing.

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Bildquellen

  • Jim-Search-horizontal: Jordan Ashleigh