Lieblingsdinge: Jogginghose

In unserer Rubrik Lieblingsdinge stellen unsere Autoren und Autorinnen ihre Lieblingsdinge vor – Fundstücke, lang gehütete Schätze, alles, was die Welt ein wenig schöner macht. Heute: die gemütliche Jogginghose.

Gemütlichkeit und Flexibilität sind nur zwei überzeugende Vorzüge, die sich für die Jogginghose aufzählen lassen. Anders als viele konkurrierende Hosenarten muss die Jogginghose nicht befürchten, von ihrem Träger aus Komfortgründen möglichst schnell wieder ausgezogen werden zu wollen. Die Jogginghose wird gern getragen; ihr Verhältnis zum Besitzer gilt in der Regel als innig. Weit im Schnitt, aber eng im Vertrauen – so der sich leicht zu merkende Sinnspruch.

Exemplare aus Jeans, Cord oder Leder, sozusagen die verkoksten Glamour-Bitches unter den Hosen, pflegen dagegen eine heuchlerische Beziehung zu ihren Trägern. Diese beruht oftmals auf Oberflächlichkeiten wie Körperbetonung (Slim Fit…), Trends (kniefrei…) oder gesellschaftlichen Übereinkünften. Die Jogginghose wird wegen ihrer inneren Werte geliebt, heißt hier: für ihre Funktionalität, ihre Bescheidenheit, ihre Ehrlichkeit und ihren gebeutelten Ruf.

Seit Generationen denunziert die Bourgeoisie die Jogginghose als olle Schlabberbuchse und asoziale Hartz-IV-Kutte. „Assi“ sei die Jogginghose, mit falschem Doppel-s. Gammlig und untauglich für die Öffentlichkeit. Aber dass die schicke Markenhose bei einem hässlichen Menschen auch keine Wunder vollbringen kann, davon will das fein gekleidete Philistertum auf seinem Feldzug nichts wissen.

Konstruktivismus, jo! Auferlegte Konventionen über Angemessenheit und angebliche Zielgruppen stilisieren die Jogginghose infam zu einer pantaloni non grata. Wie der Italiener sagt. Die Jogginghose sieht sich Stigmatisierungen ausgesetzt, die genuin unhaltbar sind und die sich seit ihrer Erfindung in den 1920ern erst schleichend hervortaten. Einzig im Kontext der körperlichen Ertüchtigung erfährt sie als Teil des Sportanzugs geringfügig Akzeptanz. Man bedenke: In anderen Kulturkreisen der Erde gilt die Jogginghose gar als völlig legitimes Kleidungsstück. Als Konsequenz für die Verurteilungen versuchte sich die Jogginghose nicht zuletzt schon als äußerliches Imitat der Jeanshose, was ungefähr so entwürdigend ist wie die Gemüsebratwurst für den Vegetarier.

Nützliche Informationen zur Jogginghose:

Eine brauchbare Jogginghose ist typischerweise aus Polyester oder Baumwolle gefertigt, als Winter-Variante nicht selten aus Fleece, und okkasionell mit prozentual geringfügigen Elasthan-Anteilen versetzt. Die Polyester-Jogginghose kann gemeinhin als die im Design sportlichere Jogginghose erachtet werden, wohingegen ihre ungleich „assigere“ Schwester aus Baumwolle äußerlich mehr Nähe zur artverwandten Schlafanzughose aufweist. Gleicht sich die Polyester-Jogginghose mehr der Körperlichkeit ihres Besitzers an, fällt bei der Baumwollen-Jogginghose besonders der tiefe Schritt ins Auge. Gute Jogginghosen verfügen über einen elastischen Schnürzugbund, optional über Beinbündchen an den Hosenenden, lassen sich laut Beschreibungsschnipsel auch bei 40° C noch waschen und haben idealerweise Reißverschluss an den Seitentaschen zum sicheren Verstauen von Dingen wie Kleingeld nach der Pfandrückgabe. Entgegen der Namensherkunft muss die Jogginghose keineswegs zum Joggen genutzt werden, es ist jedoch möglich. Am 21. Januar jedes Jahres feiert die Jogginghose ihren ganz persönlichen Welttag.

Aufschlussreiche Informationen zum Autor:

Während andere Menschen ihren Hang zur modischen Bequemlichkeit durch das Tragen von Ökohosen, Leggings oder neuartigen, unvorhersehbaren Hipster-Hosen-Trends tarnen, bekennt sich der Autor dieses Artikels zur Jogginghose, bevorzugt aus 100% Polyester. Allen Ächtungen zum Trotz verzichtet er gelegentlich selbst auf offener Straße nicht auf die Jogginghose, um kleinere Erledigungen zu tätigen. Die Befreiung von der gesellschaftlich verlangten Hose gehört bei seiner Heimkehr zu den ersten Routinen. „Besuch, für den man sich eine Hose anziehen muss, ist kein Besuch, sondern ein Termin.“, sagt der Autor. In der Wohnung des Autors wird Gästen stets eine frische Jogginghose zum einstweiligen Tragen angeboten oder vorab für das Mitnehmen einer solchen geworben. Im Titelbild des Artikels gewährt der Autor einen ganz privaten Einblick in seine Auswahl an Jogginghosen. Die Jogginghose zählt zum engen Kreis der Lieblingsdinge des Autors.

Bildquellen

  • 14285578_1131904966930288_399007137_o: Theo Wurth