Olli Schulz und Jan Böhmermann

Männer erklären Gender Studies – die Rückkehr von Schulz & Böhmermann

Die erste Folge der Talkreihe Schulz & Böhmermann im Jahr 2017 stellt sich den brisanten Fragen über Geschlechterrollen und Sexismus. Eine Rezension und Problematisierung.

Man kennt die ZDFneo-Talkshow Schulz & Böhmermann als anarchische und diffus geführte Sendung. Exotische Gästekonstellationen, sprunghafte Themenwechsel, rauchen und trinken sowie unvorhergesehene Showelemente. Endlich ist das launige Durcheinander zurück. Versuchen wir, es nur ein bisschen strukturierter zu besprechen…

(1) Schulz & Böhmermann – alles wie gehabt

Schulz und Böhmermann sind zurück. Die gute Nachricht ist, sie haben zehn neue Sendetermine im Gepäck. Damit gönnt man sich direkt die doppelte Ladung, nachdem die Bildundtonfabrik im letzten Jahr lediglich fünf Folgen produzierte (bzw. eigentlich nur vier). Die schlechtere Nachricht ist: Anstatt eines Wochenrhythmus‘ läuft das beliebte Spartenformat fortan immer monatlich – bei zehn Folgen immerhin das ganze Jahr hindurch. Getalkt wird immer am 1. Sonntag eines Monats ab 23:15 Uhr auf ZDFneo, in der Mediathek schon drei Stunden früher. Augenscheinlich möchte man das Show-Konzept frisch halten, indem man es nicht zu häufig anbietet. Dabei würde die Sendung locker auch eine höhere Frequenz vertragen. Wenn auch Markus Lanz dreimal pro Woche talkt…

Nun denn. Letzten Sonntag gab es den Staffelauftakt von #sundb. Grundeindruck: Alles wie gehabt. Eine Sendung, die ohne größere Überraschungen und fundamentale Veränderungen auskommt, lässt man am besten so, wie sie ist. Den Prolog der Sendung (ebenso wie die Einspieler der Gäste) gab es in gewohnt eloquent-vertrackter Manier von Sybille Berg. Er entfaltet sich im Grunde erst, wenn man die Sendung bis zum Ende gesehen hat. Es empfielt sich, hinterher nochmal an den Anfang zu „spulen“…

Man taucht in die wohlbekannte New-Retro-Talkatmosphäre ein – komplett mit farblich eher untersättigtem Studiosetting und grauem Hintergrund. Keine unnötige Ablenkung. Die Stühle wirkten stabiler; war sogar der Tisch neu?! Vielleicht auch nicht. Die Gastgeber Olli Schulz und Jan Böhmermann waren jedenfalls die alten. Auch der Zensurpieper war zurück auf dem Tisch. Vielleicht sollte man ihn endgültig zu den Akten legen. Wenn sie ihn nicht ganz vergessen, merken die Beteiligten meistens erst zu spät, dass es lustig wäre, den Knopf zu drücken. Umso besser, denn als Zuschauer ist es sowieso nur ärgerlich, wenn man ein interessantes Detail deswegen nicht hören darf. Besonders wenn es so hitzig zugeht wie in dieser Ausgabe.

(2) Die Gesprächsrunde – lebendig und mitreißend

Die Gästeauswahl sollte bereits vorprogrammieren, welche Richtung das Gespräch einschlägt: Geschlechterrollen, Sexismus, Feminismus. Anwesend waren der Hamburger Alt-Punkrocker Schorsch Kamerun (Die Goldenen Zitronen), der Moderator/ Schauspieler/ Frauenschläger/ Prominentensohn (von Uschi Glas) Ben Tewaag, die – von Rainer Brüderle „angeflirtete“ – Journalistin Laura Himmelreich (Chefredaktion Vice Deutschland) und der Sozialpsychologe Rolf Pohl. Anders als man es aus Schulz & Böhmermann kennt, dominierte der Themenkomplex praktisch die ganze Stunde. Es entstanden lebendige und mitreißende Diskussionen, die einen zeitweise lustvoll-offenmundig und zum Bildschirm vorgebeugt da sitzen ließen. Selbst die sonst durchaus dominanten Moderatoren rückten vergleichsweise in den Hintergrund.

Spätestens wenn es politisch wird, kochen die Gemüter hoch. Mit Rolf Pohl, dem Ruhepo(h)l, gab es eigentlich nur eine Person am Tisch, die die Dinge stets distanziert und „von oben“ einordnete. Laura Himmelreich und Schorsch Kamerun trugen ebenfalls zu einem geradezu intellektuellen Gespräch bei, wobei ihre Position politisch merklich eingefärbter daherkam als die des Sozialpsychologen. Dazu später mehr. Nur eine Person machte eine etwas schräge Figur…

(3) Ben Tewaag – gelebter Sexismus

Es kann nur absichtlich eingefädelt worden sein, dass mit Ben Tewaag in allen Belangen das absolute Gegenstück zu den restlichen Gästen in der Runde saß. Er hätte den sexistischen Vorzeige-Patriarchen eindeutiger kaum verkörpern können und erfüllte, ohne es auch nur zu merken, alle nötigen Klischees. Tewaag wirkte fast wie die Symbolfigur einer Gesellschaftsgruppe, die in ihrem archaischen Weltbild steckengeblieben ist. Um seinen „modernen“ Denkstrukturen Ausdruck zu verleihen, betont er, dass Frauen natürlich nicht nur nicht hinter den Herd gehörten, sondern dass er erfolgreiche Frauen sogar „äußerst attraktiv“ finde. So eine wie auch Frau Himmelreich. Dass Sexismus schon bei solch objektifizierten Urteilen losgeht, ist Herrn Tewaag offenbar nicht klarzumachen.

Ben Tewaag merkt nicht, dass er ein Sexist ist, während er sagt, dass er das „komplette Gegenteil eines Sexisten“ ist. Er ist der Meinung, dass tolle Frauen auch fordern. Und dass sie nicht übersehen werden wollen. Für ihn ist Olli Schulz verweichlicht, weil er sich mit unmännlichen Themen wie Obst auskennt. Deshalb bekommt er auch keine geile Olle. Und warum passte es irgendwie ins Bild, dass Tewaag sich unqualifiziert einmischt, nachdem eine kritische Randbemerkung über US-Präsident Trump aufkommt?! Die Folge waren betretenes Schweigen und diffuses Nachfragen – ein monumentaler Fremdscham-Moment nach gut 45 Minuten. Besser nicht nochmal „hinspulen“.

Olli Schulz und Jan Böhmermann.

(4) Ein guter Pimmelwitz – oder: die Ernsthaftigkeit der Thematik

Menschen wie Tewaag zeigen, dass es irgendwann nicht mehr lustig sein mag, im Jahr 2017 immer noch gesellschaftlichen Denkmustern ausgesetzt zu sein, die auf Rückständigkeit und Sexismus beruhen. Was uns zu der Frage führt: Ist ein Thema wie Geschlechterrollen und Sexismus zu ernst, um in einer Talkshow (wie Schulz & Böhmermann) ausdiskutiert zu werden? Und wie sollte man einem Thema, das nicht wenigen Menschen sehr ernst ist, begegnen?

Schorsch Kamerun kritisiert, dass Gesprächseinstiege mit reißerischen Fragen oder einem Witz kontraproduktiv seien: Sexistische Klischees würden selbst durch eine kritisch gemeinte Zote eher stabilisiert als bekämpft. Jan Böhmermann hält dagegen, dass man mit solch einer Auffassung die Grundmechanismen der Medien in Zweifel ziehen müsse. Es gehöre dazu, sich auch mit Witz einem Thema anzunähern, um die Thematik interessant zu gestalten.

Die Grundsatzdebatte mündet schließlich in den Showdown „Schulz vs Schorsch“, denn auch Olli Schulz hatte wieder „seinen Moment“. In einem wütenden und nicht restlos sachlichen Plädoyer verteidigt er die Idee der Ambivalenz: Er könne Sexismus verwerflich finden und trotzdem hin und wieder „einen guten Pimmelwitz“ erzählen. Dabei geht er auch Kamerun an, der über Schulzens Schimpftirade sichtlich verärgert scheint. Kamerun zeigte schon zu anderen Zeitpunkten mimisch, dass er sich in dem Gespräch nicht immer ganz wohlfühlt. Bereits ganz zu Anfang erklärte er süffisant die Sendung für gescheitert, weil die Geschlechterverteilung von 5:1 am Tisch unausgewogen sei. (Auch Böhmermann resümierte später nur halbstolz: „Männer erklären Gender Studies“.)

Ansonsten agiert Kamerun differenziert: Bei aller Kritik an Oberflächlichkeit, einem Fundament von Sexismus, könne auch er nicht ausschließen, bei Frauen mal „der Silhouette nachgejagt“ zu haben.

Der Talk dringt vor zum Aspekt der Biologie. Basieren manche Vorstellungen oder Verhaltensweisen von Mann und Frau darauf, dass die Natur es angeblich so will? Leider ergibt sich nicht, dass Kamerun genauer erläutern kann, warum er nicht viel vom Argument biologischer Unterschiede hält. Hier sind Schulz und Böhmermann manchmal zu hastig, während der Zuschauer noch auf eine vielversprechende Antwort hofft. Zumindest Sozialpsychologe Pohl sagt an einer Stelle, aus seiner Sicht seien in der Hinsicht Hormon- und Evolutionstheorie überschätzt.

(5) Aufkären statt Missionieren – der Umgang mit der Thematik

Auch Journalistin Himmelreich ist das Thema Gender und Sexismus sichtlich ernst. Infolge der Affäre um FDP-Politiker Brüderle ist sie so etwas wie ein Gesicht der Thematik geworden. Mit ihrer Aussage aber, das Thema sei zu komplex, ermögliche keine „leichten Antworten“ und gehöre deshalb nicht in eine solche Talkshow, sammelt sie womöglich eher Minuspunkte.

Noch stärker als Kamerun rückt Himmelreich sich mehrfach – wohl unfreiwillig – in die Rolle der Unverstandenen und der Angegriffenen, die verbissen um eine bessere, weniger sexistische Welt kämpfen. Natürlich steht es ihnen zu, auf diese Weise mit der Thematik umzugehen, womöglich können sie nicht einmal anders. Doch wie sehr das unsympathische Vortragen sympathischer Inhalte ein Umdenken fördert, steht auf einem anderen Blatt. Und das Umdenken ist ja ihr Hauptanliegen.

Muss die Diskussion tatsächlich schon da abgewunken werden, wo Diskutanten noch humorvolle Distanz wahren können? Weil ihre Contra-Sexismus-Einstellung noch zu „gemäßigt“ ist? Wo sonst kann und sollte die Debatte geführt werden, wenn nicht in einer zwar unterhaltenden, aber dennoch bildungsbürgerlich ausgerichteten Talkshow? Lediglich in schlauen Büchern, die die Tewaags der Gesellschaft ja doch nicht lesen? In feministischen Diskussionsrunden, in denen sich ohnehin alle einig sind?

Dass sich sehr wohl diskutieren lässt, ohne den Anspruch zu haben, einfache Lösungen zu erfinden, bewies Rolf Pohl. Der Sozialpsychologe wirkte in dem aufgeladenen Diskurs mit Abstand am reflektiertesten. Und das, obwohl er inhaltlich ganz bei Himmelreich und Kamerun argumentierte. Er missionierte nicht, sondern analysierte. Er war nicht emotional und eingeschnappt, sondern sachlich und verständlich. Man mochte ihm, so wie es auch Laura Himmelreich tat, in seinen Aussagen zu 100% zustimmen.

Vielleicht wäre für die komplexe Thematik und die hitzige Grundsatzdiskussion eine Information sehr hilfreich gewesen, die uns die Folge Schulz & Böhmermann leider ebenfalls schuldig blieb: nämlich, ob Rolf Pohl, die Stimme der Vernunft, auch über einen guten Pimmelwitz von Olli Schulz lachen kann.

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