Schulz und Böhmermann Olli Schulz & Jan Böhmermann Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/nr/105412 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/ZDFneo/ZDF/Philippe Fromage"

Schulz und Böhmermann: „Das heutige Sit-in steht unter der Überschrift: Trauma und Überwindung“ – Sybille Berg

Die erste Folge Schulz und Böhmermann hat Premiere gefeiert. Nadiah Riebensahm hat sie sich für Zebrabutter angesehen.

Die lang erwartete Talkshow der deutschen Medienbuddies Schulz und Böhmermann feierte am 10. Januar 2016 ihre Premiere. Im alten R***e & Böhmermann Look mit neuen Gesichtern und, so wie es aussieht, auf dem shiny Floor des Neo Magazin Royale-Studios laden die Tausendsassa zu Tisch.

Doch all dies geschieht nicht, ehe die gesichtsrekonstruierte Göttin der deutschen Depressionsliteratur, Sybille Berg, uns an ihren Gedanken zu den Gästen der Sendung teilhaben lässt. Anmutig blättert sie in einem Fotoalbum, während ein Mann im Anzug ihren Pool putzt und ein weiterer nach einer nackten Ruhepause wahrscheinlich der Bosstransformation nachgeht.

Dann macht die Bild- und Tonfabrik, was die Bild- und Tonfabrik so gut kann: ein unaufgeregtes Intro zeigt uns den Whisky, die Bärte, Krawatten, Mikrofone, Kameralinsen, ein Prägegerät, das das Logo der Sendung auf Pappkarten drückt, Bauskizzen des Studios und Schließlich die Gesprächsrunde in hyperästhetischer Ausführung. Dann wird die Farbsättigung aufgedreht und Jörg Kachelmanns patriotische Hosenträger leuchten auf. Die Runde wird vorgestellt. Jan Böhmermann tritt als erprobter Fernsehmoderator sprechsicher und zurückhaltend auf, Olli Schulz lässt uns wissen, dass er in der Schule der größte Sprücheklopfer war und hat keine Angst vorm Verhaspeln oder gar vor einem ausgestoßenen Zahn am Mikrofon. Dennoch bilden die beiden eine Symbiose, das überrascht wenig, wenn man bedenkt, dass sie bereits seit drei Jahren ihre wöchentliche Radiosendung Sanft und Sorgfältig moderieren, in der auch immer mal wieder Gäste anwesend sind.

Neben www.kachelmannwetter.com besteht die Runde noch aus Herrn Postel, Frau Decker und Herrn Kollegah aka Felix Blume, aber das steht so nicht auf seinem Namensschild. Sybille Berg liefert in Audioeinspielern eine kurze Vorstellung der Gäste. Das bewährte Einspielerformat von R***e & Böhmermann, ohne Diashow und Stimmtraining, dafür patriarchatszerschmetternder Rhetorik.

Schon nach wenigen Minuten beginnt, was Schulz und Böhmermann später als „eine einzige Freakshow“ zusammenfassen werden: Während Postel versucht, aus seiner Rolle als Scharlatan auszubrechen, unterbricht www.kachelmannwetter.com ihn mit dem vorbelasteten Einwand: „Ich fühle mich übrigens auch angegriffen.“ Der Hochstapler Postel hat einen Rachefeldzug hinter sich, der im Prinzip daraus bestand, sich als Psychiater auszugeben, um zu beweisen, dass dieser Beruf keinerlei Ausbildung erfordert. Seine Motivation entsprang aus dem Suizid seiner Mutter, der die Folge einer Fehlmedikation war. Dass diese beiden Umstände nur sehr wenig miteinander zusammenhängen und er nicht wirklich Psychiater, sondern Postbote ist, versuchen ihm die Moderatoren immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Mit einer einschüchternden Überzeugung entkräftet er jedes Gegenargument oder stellt dessen Relevanz in Frage. Immer wieder wird von Seiten der Moderation der Vergleich zwischen Psychiatrie und Gehirnchirurgie gezogen, um mit Erleichterung festzustellen, dass Postel ja eben nur ohne entsprechendes Studium als Psychiater und, Gott sei Dank, nicht als Gehirnchirurg gearbeitet hat. Dabei scheinen sowohl Schulz und Böhmermann als auch Sybille Berg aus den Augen zu verlieren, welche Relevanz auch psychiatrische Behandlung für das Überleben von Menschen haben kann. Während Postel händeringend versucht, aus einer Opfer- in eine Rächerrolle zu schlüpfen, suhlt sich www.kachelmannwetter.com förmlich in seiner Rolle: Er sei „Opfer eines Verbrechens“.

Nachdem ihm gefühlt endlos Zeit gegeben wird, um über das Leiden nach einer fälschlichen Beschuldigung der Vergewaltigung zu klagen, räumt Jan Böhmermann nebenbei ein, dass das Ausbreiten dieses Umstands und der Kampf gegen dieses Verbrechen im Umkehrschluss zu einer problematischen Situation derer führen könnte, die tatsächliche sexualisierte Gewalt anzeigen. www.kachelmannwetter.com winkt ab, und Böhmermanns Versuch journalistisch zu arbeiten scheitert. Dass www.kachelmannwetter.coms Fall vielleicht eine Ausnahme bildet, die meisten Vergewaltigungen nicht angezeigt werden, weil die Opfer eben Angst davor haben, dass ihnen nicht geglaubt wird oder dass das Rechtssystem in Deutschland sie nicht genügend in Schutz nimmt, kommt an diesem Tisch nicht zur Sprache und die Moderatoren lassen das zu. www.kachelmannwetter.com sei „froh“, und „alles soweit gut“, und damit liegt seine Befindlichkeit Welten von jenen entfernt, die Opfer sexualisierter Gewalt sind. 183 Tage zu Unrecht in Haft, um dann bei Olli Schulz und Jan Böhmermann in der Talkshow darüber lachen zu können, das ist eigentlich erst in Ordnung, wenn auch die Opfer sexualisierter Gewalt mit den beiden und Sybille Berg im Fernsehen über ihre eingebuchteten Täter lachen können. Doch www.kachelmannwetter.com liebt die Opferrolle, die ihm zugekommen ist.

Nebenbei kommt Annika Decker dazu, von einer medizinischen Fehlbehandlung zu sprechen, die beinahe zu ihrem Tod geführt hätte. Ihre beruflichen Erfolge als Drehbuchautorin bringen die Moderatoren dann in Fahrt, vor allem, als aufgedeckt wird, dass Til Schweiger für die romantischen Szenen im Film Keinohrhasen zuständig war. Trotz aller Entschuldigungen für den Männerüberschuss schaffen es Böhmermann und Schulz nicht, Annika Decker ausreden zu lassen oder sich dafür einzusetzen, dass sie zu Wort kommt. Das hat dabei nicht das subversive Potential, das das Unterbrechen eines Gert Postels birgt, wenn dieser sich mal wieder selbst lobhudelt, sondern ein unterdrückendes Potential, das in dem anachronistischen Studio vor lauter Zigarettennebel kaum auffällt.

Die erste Sendung Schulz & Böhmermann endet mit Böhmermanns Fazit „Luft nach oben“, womit er wieder einmal versucht, jeglicher Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, ehe diese entstehen kann. Für die kommenden Sendungen, die alle schon im Dezember aufgezeichnet wurden, bleibt auf eine diversere Besetzung oder noch durchgeknalltere Gäste zu hoffen, die dann mit etwas Glück einen starken Kontrast zur ernst genommenen Talkshowästhetik bilden.

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