Rant der Stunde: Burkaverbot

In unserer neuen Reihe Rant der Stunde ärgern sich die Mitglieder der Redaktion über Themen, die ihnen nahe gehen. Heute schreibt Mika Doe, was sie vom Burkaverbot hält.

Wie redet man darüber, dass man über etwas gar nicht reden will? Man könnte jetzt sagen: Einfach die Fresse halten. Aber so funktioniert die Welt ja leider nicht. Man kann nicht einfach schweigen, während die anderen über etwas reden, bloß weil man selbst nicht reden möchte. Sonst wird das Gespräch von den Blöden dominiert. Gleichzeitig hilft man mit verschiedensten Formen der Beteiligung an doofen Gesprächen immer auch ungewollt den doofen Ideen. Da sagt jemand was Dummes. Dann muss man erklären, wieso das dumm und menschenverachtend ist und schon redet man darüber, wieso man Geflüchtete nicht an den Grenzen erschießen sollte. Die Ernsthaftigkeit der Kritik suggeriert dann wieder ein paar Arschlöchern, dass der Vorschlag gar nicht so übel war (oder doch zumindest diskussionswürdig). Am Ende wird das Schießen auf Geflüchtete zwar nicht die offizielle Linie der Bundesregierung, aber ein paar Leute hat man jetzt auf die Idee gebracht, dass man das eigentlich mal tun könnte.

So ähnlich geht es mit diesem Burkaverbot. Wir reden jetzt ganz ernsthaft darüber, ob man Frauen im Namen der Frauenrechte vorschreiben sollte, was sie (nicht) zu tragen haben. Man könnte zum Beispiel auch darüber reden, wie man Menschen davon abhält, Frauen vorzuschreiben, was sie zu tragen haben – aber hey, dann müsste man sich auch mit sich selbst auseinandersetzen und Burka verbieten ist viel einfacher. Passt auch viel besser in unser politisches Klima, in dem wir so sehr Angst um unsere deutschen Seelchen haben, dass wir durchdrehen, wenn sich jemand nicht zum ewigen Jägerzaun bekennt und wir uns Leitkultur auf die Fahnen und die Feuilletons schreiben. Passt doch zur Verarschlochung des Abendlandes. Außerdem gibt es wenigstens noch Applaus von einer Wählergruppe, die man längst abgeschrieben hatte: Besorgte Bürger, die so weit rechts sind, dass sie mit dem Nationalsozialismus Volleyball spielen können.

Einfach mal verbieten

Aber offensichtlich nicht nur bei denen. 51 Prozent der Deutschen spreche sich laut einer ARD-Umfrage für ein generelles Verbot der Burka aus. Die Umfrage erfasst nicht, wie viele Menschen überhaupt vorher jemals darüber nachgedacht haben. Oder wissen, welche Form der Verhüllung denn genau die Burka ist und welche nicht, und mit einer Zustimmung zum Burkaverbot das eigene Unwissen über die Formen der Körperverhüllung kund tun. Vielleicht gibt’s ja so Leute mit viel Zeit, die den lieben langen Tag da sitzen und überlegen, was man verbieten könnte: Filme in Originalsprache vielleicht (wir sind hier schließlich in Deutschland), Kartoffelsalat ohne Mayo oder vegetarische Würstchen bei Schützenfesten – natürlich im Namen unseres höchsten kulturellen Guts: Gröhlen, Saufen, Schweinefleisch. Die Mehrheit sitzt aber bräsig auf ihrem Arsch und sagt vielleicht mal „Wo kämen wir denn da hin“, wenn man ihr etwas zeigt, was sie nicht kennt. Man hat jetzt also einen Haufen Leute auf diese super Idee gebracht, die Burka verbieten zu wollen. Glückwunsch. Endlich mal wieder was, wofür es sich zu kämpfen lohnt.

Ich will nicht über die Burka reden, weil dieses Gespräch auf dem Nährboden von Rassismus und Populismus stattfindet. Weil es ein Gespräch über die Frauen ist, die es betrifft und keines mit ihnen. Weil es ihnen – im Namen des Empowerement – die Fähigkeit abspricht, sich zu empowern. Weil es die Idee einer christlichen Überlegenheit impliziert, als hätte der Katholizismus die Frauenrechte mit dem Abendmahl serviert. Weil es so tut, als sei die Burka die Ursache von Unterdrückung und die Angst vor ihr nicht Sache der Gesellschaft, sondern dem Objekt inhärent. Es wäre furchtbar naiv zu glauben, dass dieser Nährboden nicht automatisch das Gespräch und sein Ergebnis beeinflusst. Noch naiver wäre es zu glauben, wir könnten im gegenwärtigen Klima zu einer durchdachten, menschenfreundlichen Lösung kommen, die tatsächlich die Rechte von Frauen (religionsübergreifend) ins Zentrum rückt. Wir wissen doch alle, dass dieses Verbot nur ein Ziel kennt: Den Islam. Man tut aber so, als ginge es ganz allgemein um Menschenwürde. Das ist Bullshit und wir wissen das.

Wohin der Bullshit führt

Doch wohin dieser Bullshit uns führt, sieht man an so hirnverbrannten Auswüchsen, wie den Burkiniverbotsbestrebungen. Da ruft man dann muslimischen Frauen zu: „Hee! Wir emanzipieren Euch jetzt, denn wir haben Angst Ihr könntet beim Schwimmen eine Bombe dabei haben. Und wenn Ihr Euch nicht von uns emanzipieren lasst, dann müsst Ihr Bußgeld zahlen und wir zerren Euch die Kleider vom Leib! Wir sind hier schließlich bei den Guten.“ So schafft man auf jeden Fall schon Mal Vertrauen. Bei dem Streit um den Burkini zeigt sich noch klarer (weil absurder), was sich auch im Streit um die Burka verbirgt: Unter dem Deckmantel der Menschenrechte liegt eine Fratze aus Angst, Frauenfeindlichkeit, Eurozentrismus und einem verinnerlichten „Wir gegen Die“. Dabei werden die Frauenrechte in den Mittelpunkt geschoben, um davon abzulenken, dass man grade auf den Rücken derer, die man zu schützen behauptet, einen wahnwitzigen Kampf von Kulturen austrägt, der sich aus dem eigenen Überlegenheitsgefühl begründet.

Der Clou: Das höchste französische Verwaltungsgericht hat das Burkini-Verbot zwar gekippt, aber vorher haben wir alle erstmal drüber geredet. Und werden wieder darüber reden. Und wieder. Wenn es nicht der Burkini ist, ist es irgendetwas anderes Dummes wie eine Mauer, ein Schießbefehl, eine Deutsch-Quote im Radio oder eine Schweinefleischpflicht. Doch je länger wir uns an diese Dummheiten gewöhnen, desto schwieriger wird es, sensibel gegenüber den Argumentationsmustern und Zielen dieser Verbots- und Gebotsbestrebungen zu bleiben. Desto häufiger denken wir uns vielleicht „Ich setze jetzt mal ‘ne Runde aus. Ich bin bei der nächsten Dummheit wieder dabei“. Aber trotz Frustration bleibt es wichtig, diesen Dummen etwas entgegenzusetzen und sie als das zu enttarnen, was sie sind: Ein Mob, der mit Mistgabeln und Fackeln gegen eine Armee von Strohmännern kämpft und dabei Menschen trifft.

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