Welche Apokalypse darf’s denn sein?

Das Ende ist nah. Aber welches? Unser Autor sucht die passende Apokalypse für unsere bewegten Zeiten.

Das Ende ist nah, Brüder und Schwestern! Drum lasst mich einstimmen in den Chor der Schwarzmaler, Pessimisten und Prepper, um am Ende aller Tage die berühmt-berüchtigten Worte von mir geben zu dürfen: „Ich hab’s euch doch gesagt!“
Dass die Welt untergeht, steht außer Frage. Offen ist nur, ob wir noch am Abgrund stehen oder schon einen Schritt weiter sind. Denn immerhin wurde zuletzt sogar die gute alte Weltuntergangsuhr auf zweieinhalb Minuten vor Apokalypse gestellt, womit die Lage so ernst wie seit 1953 nicht mehr ist. Die größte Bedrohung geht von einem Atomkrieg und dem Klimawandel aus. Auf dem Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos wurde dasselbe Klagelied angestimmt, mit dem kleinen Unterschied, dass die Ökonomen zudem die Folgen des Kapitalismus fürchten.

Die Apokalypse ist nicht das Ende der Welt

Aber das ist noch lange kein Grund, Trübsal zu blasen. Denn so ein Weltuntergang ist letztlich nur das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Wenn wir vom Weltuntergang sprechen, tun wir das aus unserer narzisstischen Perspektive heraus, in der einzig der Mensch im Mittelpunkt steht. Doch erst wenn die Sonne als Supernova aufleuchtet bevor sie endgültig erlischt, wird die Welt als solche – der Planet Erde – untergehen. Bis dahin werden die Natur und das Leben an sich den Menschen überleben.
Wenn wir vom Weltuntergang sprechen, meinen wir also nur den Untergang unserer Kultur und Zivilisation mit ihren angeblich so hehren Werten. Wir meinen damit den Verlust unserer gewohnten Lebensweise, der mit unserem Wunsch nach Ordnung und Stabilität im Widerspruch stehen würde. Daher betrachten derzeit nur die Freunde der Freiheit und der Demokratie die Gegenwart und die Zukunft mit Sorgen. All jene hingegen, die sich zum Beispiel über den völkischen Nationalstaat definieren, vernehmen endlich einen Silberstreif am Horizont. Weltuntergang ist subjektiv.
Doch welcher Weltuntergang wird uns aller Wahrscheinlichkeit nach bevorstehen?

Krieg

Ist es tatsächlich der Krieg? Bekanntlich ist er der Klassiker der menschlichen Selbstzerstörung, hat sich seit jeher bewährt und ist eigentlich immer für ein gutes Geschäft zu haben. Aber der Krieg als Untergang der Zivilisation gilt nur als Gefahr, wenn der sogenannte Westen unmittelbar davon betroffen ist. So vergessen wir schnell, wie präsent Krieg weltweit ist. Im historischen und globalen Kontext betrachtet ist Krieg zu sehr Normalzustand, um überhaupt noch als apokalyptische Bedrohung ernst genommen zu werden. Schließlich hat die Menschheit sogar zwei Weltkriege überstanden.
Und selbst ein Atomkrieg dürfte zu verkraften sein. Japan hat zwei Atombomben und ein havariertes Atomkraftwerk ganz gut weggesteckt. In den Gebieten, die direkt von einem atomaren Holocaust betroffen wären, mag zwar unter Umständen das BIP ein wenig schwächeln, aber dafür würden dank des verknappten Angebots von Wohnraum die Immobilienpreise anderswo steigen und der Markt für Strahlenschutzanzüge würde regelrecht boomen.

Klimawandel

Auch der Klimawandel und die allgemeine Umweltzerstörung sind vergleichsweise harmlos, solange nicht die Stabilität unseres polit-ökonomischen Systems gefährdet wird. Sicherlich stellen Verwüstung, Wetterextreme oder schwindende Trinkwasserreserven eine Unannehmlichkeit für die Betroffen dar, aber das ist doch kein Weltuntergang, solange andere davon profitieren. Nestlé beispielsweise hat schon lange die Zeichen der Zeit erkannt und ist fleißig dabei, Wasser weltweit zu privatisieren.
Und in Anbetracht von Großstädten, die im Smog ersticken, bietet sich endlich die Möglichkeit, Menschen für Luft bezahlen zu lassen. Die Taucherflasche wird zu einem ganz gewöhnlichen Alltagsgegenstand. Hier tut sich ein völlig neuer Absatzmarkt für Sportartikelgeschäfte auf, die dank der Luftverschmutzung eine neue Zielgruppe generieren: alle Menschen, die atmen wollen.

Gesellschaftlicher Verfall

Wenn ein Weltuntergangsszenario unsere gesellschaftlichen Strukturen in ihren Grundfesten erschüttern kann, dann ist es die allzeit beliebte Dystopie. Dank eines kannibalischen Neoliberalismus, der den Ast absägt auf dem er sitzt, bieten uns allein die wachsende soziale Ungleichheit und die Wiedererstarkung des Faschismus genug Zündstoff für wundervolle Dystopien. In Anbetracht der Möglichkeiten, die die Zukunft uns dahingehend eröffnet, fühlt man sich wie ein Kind im Süßwarenladen.
Da hätten wir die totale Unfreiheit – zum Beispiel im Namen der Sicherheit – wie im Roman 1984. Der Film Idiocracy führt uns die zunehmende geistige Verarmung vor Augen. Oder wir frönen weiterhin einem zügellosen Kapitalismus und ergötzen uns im hedonistischen Rausch an unserer stetigen Verwahrlosung wie in High Rise. Jedoch geht den hier aufgeführten Beispielen sowie vergleichbaren Szenarien das Überraschungsmoment abhanden. Sie sind kein einschneidender, urplötzlicher Umbruch, sondern sind letztlich Prozesse, deren Ausmaße wir – wie der Frosch im Kochtopf – erst bemerken, wenn es bereits zu spät ist.

Revolution und Roboter

Die gesellschaftliche Dystopie besäße erst Weltuntergangspotenzial, wenn sie in Form einer Revolution – beispielsweise herbeigeführt durch die wachsende Unzufriedenheit der Abgehängten – die bestehende Ordnung und mit ihr das vorherrschende Machtgefüge umwirft.
Die sozio-ökonomische Entwicklung steht wie ein Dampfkochtopf unter Hochdruck und bietet uns genug Potenzial für ein Ende der Welt, wie wir sie kennen, weswegen die aussichtsreichsten Apokalypsen auf gesellschaftlicher Ebene stattfinden dürften. Vielleicht tragen zukünftig sogar die Roboter ihren Teil dazu dabei. Die Automatisierung der Arbeitswelt führt zu einer Verelendung der Massen, die aufgrund der abgeschafften Sozialsysteme im Zuge der Privatisierung des Staates nicht kompensiert werden kann.
Dank Roboter bewahrheiten sich vielleicht sogar all die albtraumhaften Zukunftsvisionen, in denen die Maschinen die Menschheit versklaven. Man stelle sich diesbezüglich einen multinationalen Großkonzern vor, der alles Wissen der Menschheit sammelt, das menschliche Gehirn elektronisch nachbauen möchte, selbstständig agierende Maschinen entwickelt und massiv in Kampfroboterschmieden investiert. Wer hierbei an den bösen Skynet-Konzern aus Terminator denkt, täuscht sich. Die Realität heißt Google.

Keine halben Sachen

Aber wer behauptet eigentlich, dass wir uns nur auf ein Weltuntergangsszenario beschränken müssen? Bekanntlich hängt alles mit allem zusammen.
Immer mehr Kriegs- und Klimaflüchtlinge müssen ihre Heimat verlassen und in den Westen ziehen, was die generell Unzufriedenheit aufgrund der sozialen Ungerechtigkeit weiter schürt. Die Unzufriedenheit führt zur gewaltsamen Revolution oder zum demokratischen Sieg des neuen Faschismus. So oder so bricht Krieg aus: Entweder ein Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Machtgruppen mit anschließendem Kinderfressen, wie es bei Revolutionen üblich ist. Oder Krieg zwischen Nationalstaaten, der nicht nur zugunsten völkischer Eitelkeiten wie seinerzeit 1914 geführt wird, sondern gleichfalls die nationale Wirtschaft zugunsten des Protektionismus ankurbeln soll. In diesem Krieg egal welcher Art kommen autonome Waffensysteme zum Einsatz, die sich aufgrund ihrer Selbstständigkeit der menschlichen Kontrolle entziehen und sich gegen alle Menschen – egal ob Freund oder Feind – richten. Da es effektiv und zur Ausmerzung des Gegners logisch geboten ist, setzen die Computersysteme Atomwaffen ein. Die paar Menschen, die überleben, kämpfen in den Fallout-Höllen gegen die Maschinen.
Ha, und damit habe ich den Plot für meinen ersten großen Science-Fiction-Roman! Sollte ich damit als Schriftsteller keinen Erfolg haben, mache ich es wie L. Ron Hubbard und gründe auf Basis meines Buches eine Psychosekte. Die Apokalypse zieht bei Religionsgemeinschaften immer, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Und da solle mal einer behaupten, der Weltuntergang wäre was Schlechtes.

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