Donald Trump ist Präsident: Die Reaktionen der Redaktion

Zuerst waren wir sprachlos. Dann mussten wir was sagen. Die gesammelten Reaktionen der Redaktion zum Wahlsieg von Donald Trump.

Selbstverständlich waren wir alle sprachlos, nach dem Aufwachen. Niemand von uns ist ins Bett gegangen und hat daran geglaubt, dass Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte. Nun, solche Dinge passieren. Über den Tag haben alle irgendwie reagiert, mussten alle irgendwie Stellung beziehen oder wenigstens ihrer Ungläubigkeit Luft machen. In privaten Chats, in den Sozialen Medien, oder als emotionaler ad-hoc-Text. Wir haben die Reaktionen unserer Redaktionsmitglieder gesammelt.

Martin Spieß: „Es braucht Zeit, das zu verdauen“

Ich habe, am Morgen nach dieser nur historisch zu nennenden Wahlnacht, irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft in meiner Facebook-Timeline die Frage erörtert wurde, ob das alles nur ein böser Traum, ein schlechter Witz oder alternative Realität sei – und das man ja nur aufwachen, auf den Lacher warten oder das Richtige denken müsse, um zu korrigieren, dass Donald Trump zum nächsten Präsident der USA gewählt wurde. Man muss sich diesen Satz noch einmal Wort für Wort vor Augen führen: Donald Trump ist der nächste Präsident der USA. Und man muss sich bewusst werden, was das für mindestens die nächsten vier Jahre bedeutet: Es wird ein Mann im Weißen Haus sein, der gegen große Teile der amerikanischen Bevölkerung Wahlkampf gemacht und die Nation wie kein anderer vor ihm gespalten hat.

Ein Rassist, der Mexikaner Vergewaltiger nennt und eine Mauer zu Mexiko bauen will. Der vom KKK ein endorsement bekam. (Es wird am 20. Januar ein schwarzer Präsident einem Rassisten die Schlüssel fürs Weiße Haus übergeben.)

Ein Sexist, der Gewalt gegen Frauen praktiziert und marginalisiert – und den 52 Prozent der weißen Frauen gewählt haben.

Ein Islamophobiker, der Muslime ausweisen lassen will.

Ein Mann, der Erfolg damit hatte, die Ängste der kleinen Leute – der vornehmlich weißen Arbeiter – zu bedienen und zu instrumentalisieren. Ihre Ängste vor dem finanziellen Abstieg, vor der Überfremdung durch Muslime. Vor Altersarmut, Kriminalität, vor zu viel Komplexität in einer immer komplexer werdenden, globalisierten Welt. Er hat diesen Menschen einfache Antworten entgegen gebrüllt – und sie haben ihre Begeisterung zurück gebrüllt: „Endlich einer, der uns versteht. Kein Politiker, sondern ein Mensch. Einer, der die Dinge beim Namen nennt.“ Wie falsch sie alle gelegen haben, das werden wir beginnend mit dem 20. Januar 2017 feststellen.

Es hätte viel früher klar sein müssen, wie groß die Gefahr ist, die von Donald Trump ausgeht. Zu viele Menschen, mich eingeschlossen, haben sich in einem schlechten Witz gewähnt – und nicht mit der Vehemenz die Ängste der Menschen bekämpft, die nun Donald Trump ins Weiße Haus gewählt haben. Zu viele Menschen – mich eingeschlossen! – haben nicht daran gedacht, dass ein offener Rassist, Sexist und Islamophobiker zum mächtigsten Mann der werden könnte.

Doch aus diesem schlechten Witz ist nun Realität geworden. Eine Realität, die nicht nur meine (auch von US-FreundInnen bevölkerte) Facebook-Timeline in Schockstarre zurücklässt, sondern die ganze Welt: Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Es braucht Zeit, das zu verdauen.

Mika Doe: „We’re all in this together“

Theo Wurth, Anna Lautenbach: „So eine Mauer muss man erstmal bauen“

(WhatsApp Chatverlauf von Theo Wurth mit Anna Lautenbach)

[Anna, 10:38]Hej Theo! Wie geht’s dir? Bist du kranker geworden, nun, da Mr Trump die USA bei ihrer Pussy grabbt?

[Theo, 10:44]Hey, joa halsschmerzen sind etwas mehr geworden leider ? Die us-wahl verstimmt mich auch, ich fürchte mich aber vor vereinfachenden einschätzungen.
Wie isses bei dir?

[Anna, 10:49]Ich bin recht geschockt, muss ich sagen. Diese Sendungen heute Nacht waren alle ganz nett, aber bis auf Zahlen bekommt man da ja auch nix neues.
Der Typ ist mMn untragbar. Er ist rassistisch und sexistisch, er hat keine Erfahrungen in der Politik, er ist beleidigend, impulsiv und wahrlich nicht das, was irgendwie an die Spitze eines demokratischen Landes gehört. Außerdem ist er hässlich.
Ich denke, die Welt wird das überstehen. Aber ich fürchte auch, dass diese Wahl für ein Land, in dem Schwarze von Polizisten mehr oder weniger „einfach so“ erschossen werden, in dem die Todesstrafe immer mal wieder zur Debatte steht und das Waffenrecht katastrophal ist, für einige Bevölkerungsschichten sehr Angst einflößend ist. Und das vielleicht gar nicht zu Unrecht.

[Theo, 10:54]Es ist so schwer die realen konsequenzen abzuschätzen, denn wahlkampf ist ja nicht gleich politik. Und klar, es mag für amerikaner anders sein als für uns außenstehende in der frage, wie wählbar er ist, auch im gegensatz zu clinton, aber wie jemand mit solch einem verhalten siegen kann…

[Anna, 10:55]Das ist der Punkt, der mich am meisten schockiert, glaube ich.

[Anna, 10:56]Wie das alles wird und so: Mal gucken. So eine Mauer muss man erstmal bauen. Vielleicht / Hoffentlich mobilisiert das Ergebnis auch wieder zu politischem Aktivismus, zivilem Ungehorsam und so..

[Theo, 10:56]Ja

[Anna, 10:56]Aber dass es Menschen gibt, die in diesem Mann Lösungen sehen.. Wahnsinn. Traurig.

[Anna, 10:57]Was mir tatsächlich Sorgen macht, sind die Auswirkungen der Wahl auf Wahlen in Europa: In Österreich wird bald wieder gewählt zwischen grün und rechts. Hier wird auch wieder gewählt. Polen ist so schon krass genug unterwegs..

[Theo, 10:57]Viele haben ihn evtl auch nicht wegen des glaubens an lösungen gewählt, sondern als vermeintlich geringeres übel, deckendere politische interessen…

[Theo, 10:58]Ja das stimmt

[Anna, 10:58]Ich hoffe, die Menschen kommen zur Vernunft und hören auf, den selben Blödsinn in deutschsprachig zu wollen
Ja. Und natürlich auch als Protest gegen dieses Wahlsystem, das ja wirklich auch nicht besonders cool ist..

[Theo, 10:58]Diese wahl ist echt mal der inbegriff des postfaktischen

[Theo, 11:00]Also bei allem, was ich verstehen kann, reicht es für mich nicht als konsequenz, einen dummen lügner zu wählen.

[Anna, 11:01]Völlig korrekt. Sehe ich auch so.

Jan Fischer: „Vielleicht muss ich an meinem Menschenbild arbeiten“

Ich glaube an Menschen, ich bin ein Optimist. Ich bin vor dem Brexit ins Bett gegangen, und dachte: Nein, so naiv kann niemand sein. Es wird nicht nicht passieren. Ich bin vor der US-Wahl ins Bett gegangen und dachte: Sie werden das geringere von zwei Übeln wählen. Menschen sind so. Sie sind vernünftig.

Vielleicht muss ich an meinem Menschenbild arbeiten. Vielleicht gibt es da draußen Menschen, die sich den Dingen, von denen ich glaube, dass sie im Leben sehr nützlich sind – Vernunft, Optimismus – verweigern. Vielleicht haben sie Gründe. Ich habe viel über Filterblasen gelesen, die Verwunderung von Menschen, als die das Wahlergebnis sahen: Sie waren plötzlich aus ihren Filterblasen heraus gefallen, und hinein in eine ganz andere Realität als in die, die dort herrschte.

Ist das hier so was? Ein Missverhältnis von Kommunikation? Menschengruppen, die sich nicht verstehen können oder wollen, die sich soweit voneinander entfernt haben? Mir macht keine Angst, dass jemand wie Donald Trump Präsident ist. Mir macht Angst, dass niemand es hat kommen sehen. Dass niemand es glauben wollte und konnte.

Die nächsten vier Jahre werden – hier kommt der Optimist – interessant. Vermutlich wird vieles neu verteilt werden, viele Karten neu gemischt. Nicht zum besseren, vermute ich. Aber es wird ein politischer Ritt, wie wir ihn wahrscheinlich noch nie gesehen haben. Einer für die Geschichtsbücher. Buckle up, world.

Benny Krüger: „Schocktherapie“

Mit etwas Glück ist Trump die lang ersehnte Schocktherapie, um endlich einzusehen, dass Demokratie und Kapitalismus kranken. Im Zweifelsfalls, weil beides unter ihm endgültig kollabiert.

Marie von Borstel: Weniger naiv werden

 Thomas Kaestle: Naiv genug bleiben, um Idealist zu sein

Ich fühle mich durch ein Zitat von Övül Ö. Durmusoglu, einer befreundeten Kuratorin, repräsentiert: „Now that democracy runs without democrats is official and global (Trump, Putin, Erdogan, Brexit, Temer) we need to unlearn and relearn it. Time for real ground work.“

Ich nehme mir aber auch (nach wie vor) vor: Naiv genug zu bleiben, um Idealist zu sein. Die Wahrheiten anderer zwar im Blick zu haben, mich ihnen aber nicht zu unterwerfen. Weiter an der Konstruktion meiner Meinung nach viablerer Wahrheiten zu arbeiten. Meine Welt nicht von Idioten definieren zu lassen.

Merlin Schumacher: Die kalte Dusche und die verlorene Gelegenheit.

Ich habe mir für 5 Uhr einen Wecker gestellt. Nur um kurz zu sehen ob Hillary schon gewonnen hat. Ich bin dann doch nicht wieder eingeschlafen. Meine erste Nachricht an noch schlafende Freunde war: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

Und zum Abschluss: Bei den blogrebellen gibt es eine schöne offene Spotify-Playlist zum Wahlergebnis.

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