Heinz Strunk – Jürgen: Das Wunder, das nicht eintrifft

In seinem großartigen Roman Jürgen erzählt Heinz Strunk die berührende Geschichte von Jürgen Dose, einem Mann voller Einsamkeit, Sehnsucht und einfachen Träumen.

Jeder dritte Deutsche ist Single. Jeder vierte Deutsche ist der Meinung, im Internet fände man PartnerIn für eine längerfristige Beziehung. Wie viele Deutsche sich einsam fühlen, Sehnsucht nach einer Partnerschaft haben? Heinz Strunk hat sich einen dieser Menschen vorgenommen und seine Geschichte erzählt.

Jürgen ist nicht nur der Titel des mittlerweile sechsten Romans von Heinz Strunk, es ist auch der Name seines Protagonisten. Jürgen Dose arbeitet als Parkhauswächter, kümmert sich zusammen mit zwei Pflegerinnen um seine bettlägerige Mutter, die bei ihm wohnt, und trifft sich sonst mit seinem im Rollstuhl sitzenden Freund Bernd Würmer, zum Beispiel im Restaurant Kamin 21. Das Leben tröpfelt so dahin, und es gäbe auch eigentlich nichts, über das Jürgen sich beschweren könnte, weil: Man nimmt es ja, wie es kommt. Dass er im Parkhaus arbeitet, findet er nicht besonders angenehm, er freut sich schon ab der Wochenmitte aufs Wochenende. Andererseits: Was bringt es schon, sich zu beschweren? Nur das mit den Frauen, das könnte besser laufen – oder überhaupt mal. Jürgen ist ein Quell zusammen gelesener Weisheiten aus Liebesglück-Ratgebern, er macht Online-Dating, geht zu Speed-Dating, doch es will nichts so richtig klappen. Bis sein Freund Bernd mit der Idee kommt, mitsamt einer Agentur nach Polen zu fahren: Dort gäbe es heiratswillige Frauen. Jürgen ist skeptisch: So kurzfristig? Und was ist mit seiner Mutter? Aber Sehnsucht, Einsamkeit und Neugier gewinnen am Ende, und so machen sie sich schon am Tag nach dem ersten Treffen mit der Agentur auf den Weg.

Er will nur geliebt werden

Wer die Bücher von Heinz Strunk kennt, dem fällt auf, dass der Autor ein Freund gewisser Formulierungen ist: „Da lachen ja die Hühner, und noch nicht mal die!“ oder „Das kann man sich nicht vorstellen, kann sich kein Mensch vorstellen.“ Zusammen mit (norddeutschen) Redewendungen erzeugt Strunk in seinen Büchern so immer wieder das Bild des kleinen Mannes mit dessen schlechten Scherzen, bemühten Wortwitzen und dem starken Willen, dazuzugehören. Seinen Platz zu finden – bei gleichzeitiger Unfähigkeit, auch nur eins davon zu erreichen. Heinz Strunk aber erhebt sich dabei nie über seine Figuren, im Gegenteil: Er nimmt sie und ihre Probleme ernst. Das gilt auch für Jürgen: Der Protagonist trägt eine so große Traurigkeit und Sehnsucht in sich, dass es beinahe schmerzt, ihn bei seinen Bemühungen zu begleiten. Er will, wie jeder Mensch, einfach nur geliebt werden, und doch bleibt ihm dieses Glück verwehrt. Er zehrt von der einen großen Liebe aus der Jugend: „Wer hat nicht Sehnsucht nach einem Wunder und weiß doch insgeheim, dass es nicht eintreffen wird.“ Aber Jürgen macht weiter, was bleibt ihm auch anderes übrig? Auch das ist eine Qualität des kleinen Mannes: Er macht trotz aller Widrigkeiten weiter. Zumindest bei Heinz Strunk, in einem wieder einmal nur großartig zu nennenden Buch.

Heinz Strunk: Jürgen
Rowohlt Hundert Augen, März 2017
gebundene Ausgabe, 256 Seiten: 19,95 Euro

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