Kai-Uwe Makowski (Zeichner)

Interviewreihe „Davon leben“ – Interview mit Kai-Uwe Makowski (Zeichner)

Von einem Cartoon zu leben ist schwer, das weiß Kai-Uwe Makowski. Seinen Tapircartoon macht er aber nicht für Geld, sondern für sich.

Wann und wo bist du geboren?

1973 in Helmstedt, nur wenige Kilometer westlich der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Glück gehabt.

Bist du da auch aufgewachsen und zur Schule gegangen? Hast Abi gemacht und Zivil- beziehungsweise Wehrdienst geleistet?

Nee, das habe ich alles in Bayern hinter mich gebracht. Schule, Abitur und volle 15 Monate Zivildienst, alles im schönen Schwaben – ja, Schwaben liegt in Bayern. Daher vielleicht auch meine Begeisterung für autoritäre Systeme. (lacht)

Du scherzt, dabei wollte ich gerade sagen, dass die Nähe zur DDR dann ja nicht lange genug währte, um dich (politisch) zu beeinflussen. Oder wie alt warst du, als es nach Bayern ging?

Wenige Monate alt. Ich habe die volle Indoktrination mitgemacht. Religionsunterricht bei Nonnen und Pfarrern, regiert von Strauß. Die volle Packung.

Hast du dich aufgelehnt? Oder bist du einfach irgendwann abgehauen?

Ich bin an meinem 15. Geburtstag aus der Kirche ausgetreten, früher ging es nicht. In der Schule war ich auch eher, na sagen wir mal, unangepasst. Als ich dann wählen durfte, habe ich eher nicht die CSU gewählt. Und in den Osten rübergemacht habe ich dann, als die Gelegenheit günstig war, das war aber auch schon 1996.

Meinst du mit „in den Osten rübergemacht, als die Gelegenheit günstig war“, dass der Umzug politische Beweggründe hatte? Oder bist du für Studium oder Job dorthin?

Das Studium war der Hauptgrund. Bayern den Rücken zu kehren eine angenehme Nebenerscheinung. Ich kam um zu studieren, und ich blieb wegen der Schönheit des Meeres. Oh je, ist das zuviel? (lacht)

Nein, nach katholischer Indoktrination darf man auch mal das Meer gutfinden. (lacht) Im Ernst: Wann hast du zu zeichnen angefangen? Und war das Zeichnen gleich Teil deiner konterbayerischen Auflehnung?

Ich habe schon von ganz klein auf gerne und viel gezeichnet. Auf dem Gymnasium habe ich dann bei der Schülerzeitung mitgewirkt. Auch da gab es schon Ärger. Wir haben mal nach der Endkontrolle durch den Betreuungslehrer, aber vor dem Druck ein paar Lehrerkarikaturen ins Heft geschmuggelt, die durchaus für Aufsehen gesorgt haben. Und auch bei anderen Heften wurde uns schon mal der Verkauf auf dem Schulgelände untersagt. Wir haben sie dann halt vor der Schule verkauft. Zensur war und ist ein verkaufsfördernder Faktor.

Wäre es übertrieben zu sagen, dass bereits da zumindest thematisch der Grundstein für den Tapir gelegt wurde?

Das trifft es gut, ja.

War das derselbe Moment, in dem du entschieden hast, Zeichner zu werden, oder kam das später? Und apropos „später“: Hatte dein Studium inhaltlich mit dem Zeichnen zu tun?

Wieso werden? Ich war immer ein Zeichner und ich werde wohl auch solange einer bleiben, bis mir die Hand abfällt.

Ich meinte: Das Zeichnen beruflich machen. Mit einer Intention, einer Agenda. Nicht nur aus Spaß oder als Hobby.

Nee, ich bin Wissenschaftler geworden. Da hat man was Handfestes. Fast so gut wie ein Jodeldiplom. Inzwischen mache ich aber wieder was Kreatives, was nichts mit Wissenschaft zu tun hat. Nur um die Verwirrung noch mal zu steigern. (lacht)

Entwirr doch mal, zumindest chronologisch: Dein Weg führte dich nach Greifswald. Was hast du studiert? Wie ging es mit dem Zeichnen weiter? Und wann entstand der Tapir?

Ich bin 1996 in Greifswald angekommen und habe Geologie studiert, danach noch ein paar Jahre an der Uni unterrichtet. 1998 bekam ich Kontakt zu einem Redakteur der Studentenzeitung, die damals noch Crash hieß. Da war der Neustart als Moritz gerade in den Startlöchern, der Redakteur – der übrigens Kay-Uwe hieß, toller Name aber völlig falsche Schreibweise – bekam ein paar meiner Werke in die Hand, die ich so zwischen Schule und Studium zu Papier gebracht hatte, und dann war ich seit der ersten Ausgabe dabei. Mit einer etwas längeren Pause zwischen Ausgabe 25 und 50, weil mir der Chefredakteur mal auf den Senkel ging, aber inzwischen ist da eine ganze Menge Material angefallen. Wir haben das Ganze vor zehn Jahren sogar mal als Buch rausgebracht. Na ja, und jetzt geht es mir wie Merkel mit US-amerikanischen Präsidenten: Ich sehe einen Chefredakteur nach dem anderen an mir vorüberziehen. Aber der Tapir bleibt anscheinend für die Ewigkeit.

Du hast eben gesagt, du machest jetzt etwas Kreatives. Seit wann und was?

Seit fast sechs Jahren arbeite ich bei einem kleinen App-Entwicklerstudio hier in Greifswald. Angefangen habe ich als Illustrator für Spiele, inzwischen bin ich allerdings mehr als Produktdesigner und Projektleiter im Einsatz. Ich liebe meinen Job, habe tolle Kollegen. Ich gehöre zu den Menschen, die das Glück haben, morgens gerne zur Arbeit zu gehen. Also auf der Seite ist das Leben mehr als in Ordnung.

Der Tapir ist dann quasi dein tucholskysches Spielbein?

Na ja, da kommt die andere Seite des Lebens ins Spiel, die nicht so in Ordnung ist. Ich bin ja nicht der Einzige, der das Gefühl hat, in der Welt läuft nicht alles so, wie es laufen sollte, und mit den Cartoons kann ich meinem Unmut etwas Luft machen. Außerdem habe ich einen Riesenspaß dabei, ordentlich auf den Putz zu hauen. Wo kann man das heute schon mal? Ist aber eine Herzenssache, es sind keinerlei finanzielle Interessen im Spiel und somit bin ich vollkommen unabhängig. Ich kann jedem ans Bein pinkeln. Und ich glaube, ich habe langsam so ziemlich alle durch und kann bald wieder von vorne anfangen.

Gab es mal eine Zeit, in der du das hauptberuflich machen wolltest? Oder war und ist die finanzielle und somit inhaltliche Unabhängigkeit wichtiger?

Wäre natürlich toll, davon leben zu können. Aber in Deutschland können nur wenige Cartoonisten von ihren Werken leben, und zudem ist mein Material zum Teil dann doch sehr kontrovers, bei der Masse komme ich da nicht an. Da haben dann so Sachen wie Nicht lustig viel eher Erfolg. Dem kann ich persönlich wiederum nicht so viel abgewinnen, aber so ist der Markt halt gestrickt. Aber vielleicht ist es ja auch ganz gut, wenn das Hobby nicht in Arbeit ausartet. Bis heute hat mir jedenfalls noch niemand gesagt, dass ich irgendwas nicht so schreiben dürfte, wie ich wollte – zumindest kein Redakteur, vom Endverbraucher gab es durchaus schon mal Beschwerden. Und das ist auch was wert.

Auf die Beschwerden wollte ich gerade zu sprechen kommen: Deine Themen sind Nationalsozialismus, Syrien, Flüchtlingskrise – um nur einige zu nennen. Oder ein Cartoon wie Respekt, für den du Rassismusvorwürfe bekamst, weil der Tapir in seinem Genlabor einen „Rumänen, der arbeitet“ erschafft. Ich habe vorhin selbst Tucholsky erwähnt, der mal gesagt hat, Satire dürfe alles. Gibt es allgemein oder für dich persönlich keine Grenzen?

Die Grenzen werden bei uns in Deutschland vom Gesetzgeber definiert. Wer denkt, dass ich dagegen verstoße, kann mich gerne anzeigen. Wer aber irgendwelche verworrenen Behauptungen in die Welt setzt, ich würde gegen die Regeln der Satire oder gegen Sitte und Anstand verstoßen, den lache ich aus. Da habe ich echt mal Besseres zu tun, als mich mit der geistigen Kleingärtnerei von berufsempörten Zukurzgekommenen auseinanderzusetzen. Davon abgesehen weiß ich gar nicht: Arbeiten die Rumänen eigentlich inzwischen? Krieg ich gar nicht mehr mit vor lauter Trump-Berichterstattung.

Wenn du so eine sarkastische Frage stellst – ob Rumänen inzwischen arbeiten –, dann reizt dich der Tapir beziehungsweise Satire nicht nur, weil du damit politische oder gesellschaftliche Themen ansprechen kannst, sondern dann genießt du vor allem ihre Wirkung? Es scheint dir ja Spaß zu machen, „berufsempörte Kleingärtnerei“ offenzulegen oder – um es salopp zu formulieren – zu stänkern.

Das Offenlegen gelingt mir leider viel zu selten. Ich durfte dieses Tänzchen erst zwei- oder dreimal tanzen, sehr schade. Von mir aus könnte es jede Woche einen Tapirskandal geben, aber wahrscheinlich bin ich einfach noch nicht radikal genug. Vorsatz für den nächsten Cartoon: Schluss mit lustig. Es müssen auch mal wieder Witze über geistig behinderte Transgenderjuden mit Migrationshintergrund und Pollenallergie gemacht werden. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Das eine geht meiner Meinung nach mit dem anderen Hand in Hand. Leider verändert man mit Satire nichts, weil die ja meist in der eigenen Echokammer stattfindet. Kein Pegida-Mitläufer wird durch noch so gute Satire bekehrt. Ist aber auch kein Grund, es nicht zu tun.

Aber wenn du meinst, dass man damit nichts verändert, was sind denn dann Gründe dafür, es zu tun?

Ich freue mich, wenn sich Leute bei der Lektüre amüsieren, wenn sie sich empören, wenn sie sich bestätigt fühlen oder versuchen, meine Thesen zu widerlegen. Viele Leute verstehen ja auch die Kritik, die ich übe, und ich halte es für wichtig, diese Kritik auszusprechen, auch wenn ich nicht glaube, dass dadurch etwas verändert wird. Ich meine, wir leben in einer Zeit, in der Leute sich nicht mal durch Fakten von ihrer Meinung abbringen lassen, was kann die Kunst denn da noch leisten? Das ist meiner Meinung nach auch tatsächlich ein Schuh, den sich die gesamte kunstschaffende Szene anziehen muss: Kein Lied, kein Werk der Bildenden Kunst, kein Theaterstück und kein Kinofilm hat heute die Kraft, die Gesellschaft zu verändern. Das war früher mal anders. Die gesellschaftlichen Triebkräfte sind heute anders verortet. Aber wie ich eben schon sagte: Kein Grund damit aufzuhören. Wer seine Meinung irgendwie zum Ausdruck bringen will und kann, der sollte das tun. Egal in welchem Medium. Wer nur schweigend in der Ecke sitzt, den trifft am Ende die Mitschuld durch Unterlassen.

Das klingt ganz schön fatalistisch. Gibt es denn auch Momente, in denen dich das Nichterreichen des Zieles frustriert oder zweifeln lässt? Willst du auch mal alles hinschmeißen?

Niemals. Im Gegenteil, da werde ich eher noch lauter. Man kann sich ja nicht alles bieten lassen.

Auch nicht emotional? Keine Grübelei, keine Melancholie?

Kenne ich nicht, nein. Man kann es ja auch mal geologisch betrachten: Im Angesicht der Jahrmillionen ist unser ganzes Theater hier vollkommen unbedeutend. Auf der anderen Seite ist dieses Theater allerdings auch alles, was wir haben. Aber davon lasse ich mir so gar nicht die Laune verderben. Irgendwo tief in mir drin existiert ja auch noch ein tief verwurzelter Glaube an das Rationale im Menschen. Da kommen die Trumps und Petrys dieser Welt nicht gegen an. Aber da wird wohl nur die Zukunft zeigen, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist.

Letztlich bist du also, auch Dank des Tapirs und der Geologie, irgendwie zufrieden? Und es bleibt die Hoffnung, dass es irgendwann besser wird in der Welt?

Ich bin ein sehr zufriedener Mensch. Dabei ist es sicherlich hilfreich, ein Ventil zu haben, mit dem man Dampf ablassen kann. Aber die Hauptfaktoren sind dann doch eher, einen tollen Beruf zu haben, Freunde und Familie, Gesundheit und nicht zuletzt das Meer vor der Haustür.

Und ob es besser wird mit der Welt? Wenn wir ganz ehrlich sind, meckern wir ja auf ziemlich hohem Niveau. Im Vergleich zum Rest der Welt leben wir ja hier in paradiesischen Verhältnissen: Kein Hunger, kein Krieg, ein halbwegs funktionierendes Gesundheitssystem und mehr oder weniger kostenlose Bildung. Das sind schon massive Errungenschaften, die es allerdings auch zu bewahren gilt. Ich hätte auch ein paar Vorschläge, wie man die Welt besser machen könnte. Ich glaube aber, dazu könnten wir eine ganze Artikelreihe machen, das hier zu erörtern würde wohl den Rahmen dieses Interviews sprengen.

Ach du, spreng ruhig mal.

Am Anfang steht da die Frage: Wovor sollen wir die Welt eigentlich retten? Der eine denkt, man müsse den Klimawandel bekämpfen. Der andere glaubt, man müsse unsere Gesellschaft vor dem Abgleiten in eine Diktatur bewahren. Was es auch ist: Der Einzelne steht oft ohnmächtig vor diesen Aufgaben. Was bringt es denn, wenn ich mit dem Rad zur Arbeit fahre, während gleichzeitig Präsident Bannon alle Klimaschutzbestrebungen für beendet erklärt? Wovon ich allerdings trotzdem überzeugt bin: Verhaltensänderungen im großen Maßstab – also gesellschaftlicher Wandel – beginnen mit dem Handeln von Individuen. Einer fängt an, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, immer mehr ziehen nach. Die Politik kann nicht einfach ein Gesetz erlassen, das alle Bürger verpflichtet, Rad zu fahren. Das gibt nur Ärger. Verantwortungsvolle Politik sollte solche Bestrebungen aber unterstützen. Leider fehlt es uns an verantwortungsvollen Politikern. Und diejenigen, die sich selbst als Alternative bezeichnen, sind vielleicht sogar eine Alternative, aber auf keinen Fall die bessere. Ganz im Gegenteil. Was also tun? Der Einzelne könnte sich selbst und seiner Umwelt viel Gutes tun durch Konsumverzicht. Das ist in unserer kapitalistischen Gesellschaft Borderline-Häresie. Aber ich bin überzeugt davon, dass der Besitz von möglichst vielen Dingen nicht glücklich macht. Once again: Ganz im Gegenteil. Die Glücksforschung kommt übrigens zu einem ähnlichen Ergebnis. Und der ständige Erwerb von Dingen kurbelt vielleicht die Wirtschaft an, schadet aber in den meisten Fällen unserer Umwelt. Hier könnte jeder einen Beitrag leisten.

Ist diese Geisteshaltung auch auf den Tapir und seine Themen anwendbar? Dass das Individuum seinen Beitrag leisten muss für ein Mehr an Diskurs, anstatt sich auf Demagogie und Ismen zurückzuziehen?

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sich alle an den gesellschaftlichen Debatten beteiligen. Eine Alternative dazu beschreibst du als „sich auf Demagogie und Ismen zurückziehen“. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob ich es nicht noch schlimmer finde, in Apathie zu verharren und zu allem zu schweigen. Deswegen ja: Die Tapircartoons sind mein persönlicher Beitrag zum Diskurs.

Bildquellen

  • Kai-Uwe Makowski (Zeichner): Privat