Kein Haar in der Suppe

Weakened Friends veröffentlichen heute ihr neues Album Quitter. Martin Spieß ist begeistert.

Beim ersten Blick auf Pressetext und Bandfoto denkt man: Ja, klar. Wo sollen die sonst herkommen, wenn nicht aus Portland? Vans, Skinny Jeans, Nerdbrillen, fancy Tattoos. Aber nein: Das Trio stammt nicht aus der Hipster-Metropole im Bundesstaat Oregon, sondern aus Maine. Bewaldete, dünn besiedelte Idylle mit Portland als größter Stadt, die gerade mal gute 68.000 Einwohner*innen hat. Das nennt sich selbst in den USA Provinz.

Die Umgebung aber scheint der Band – Sonia Sturino (Gesang, Gitarre), Annie Hoffman (Gesang, Bass) und Adam Hand (Drums) – nicht geschadet zu haben. Im Gegenteil: Wenn man das neue Album Quitter hört, denkt man: Ja, klar, das ist Musik aus der Natur. Rau, unbehauen, gewaltig.

Poetisch, ohne Floskeln, kein Klimbim

Es klingt rough und kantig, Weakened Friends liefern Rock-Bretter, die so dick sind, dass man sich fragt, woher das bei nur drei Instrumenten kommt. Gleichzeitig klingt das Album aber nicht, als hätte die Band es mit einem Tapedeck in der Garage aufgenommen. Es ist fantastisch produziert, ohne dabei nach Mainstream oder Pop zu klingen. Man wird zuweilen an No Doubt und Garbage erinnert, bis man merkt: Nein, der Vergleich hinkt. No Doubt und Garbage wünschten sich, wie Weakened Friends zu klingen. Die Verstärker bei Weakened Friends sind bis zum Anschlag aufgedreht und die Lyrics um Welten besser: Poetisch, ohne Floskeln, kein Klimbim.

Mal startet wie im Opener Bargain Bin eine gezupfte, unverzerrte E-Gitarre, dann kommt der Drop, der Fuß stampft aufs Verzerrerpedal, Drums und Bass hauen rein und man fängt unwillkürlich mitzuwippen an.

Elegisch und fragil, angezerrt und kraftvoll

So hart und direkt einem die Musik entgegenkommt, so sind auch die Lyrics. Sonia Sturino schaut in sich und was sie sieht, ist nicht immer angenehm. So singt sie etwa in Planes: „Alone and overwhelmed / in a room where I will never feel okay / So I keep looking down / in hopes that no one ever looks my way / I’m alright, I’m alright, I’m alright / I’m okay“ Sturinos Vocals klingen dabei dann ähnlich direkt: Mal weich und elegisch, beinahe fragil, dass sie klingt wie Aimee Mann, mal angezerrt und kraftvoll, wie in der Single Everything is better, in deren Hook sie ihre Stimme kippen lässt, wenn sie singt: „Everything is better when you’re not around“

Wenn man ein Haar in der Suppe suchen wollte, könnte man monieren, dass der ganze Zauber nach nur 33 Minuten schon wieder vorbei ist. Der längste Song ist 3:18, der kürzeste 2:21. Aber vielleicht muss das so sein: Die Energie, die Weakened Friends in jeden einzelnen Song stecken, hält man vielleicht nicht länger durch als gute dreieinhalb Minuten. Außerdem gibt es ja immer noch den Repeat-Knopf. Den gilt es, bei dieser fantastischen Platte zu drücken.

Weakened Friends: Quitter
Big Scary Monsters
(Vinyl, CD und digital)

Bildquellen

  • WeakenedFriendsPortra400120mRZ67-1: Adam Parshall