Der Lieblingsautor des Trainers: Pep Guardiola liest Lyrik vor

Bayerntrainer Pep Guardiola liest im Münchner Literaturhaus Werke seines Lieblingslyrikers Miquel Martí i Pol vor. Was irgendwie nicht passt, wird dann doch ein gemütlicher Abend. Kathi Flau war für uns dabei.

Da staunt Schland: neun Filmteams, unzählige Fotografen. Ein großer, eng bestuhlter Raum in der obersten Etage des Münchner Literaturhauses. Salvatorplatz 1, das ist da, wo München alle Klischees von Snobismus und Arroganz bedient, die der Stadt anhängen, wo man so etwas wie Alltag für sich persönlich ablehnt. Die Stühle also: in Reihe, die Sessel auf der Bühne: Le Corbusier, das Protokoll: straff, wie der Berliner Schriftsteller Michael Ebmeyer, der den Abend moderiert, schon im Vorfeld erzählt.
All dies für Pep. Für Pep Guardiola, den Bayerntrainer, der heute Gedichte seines Lieblingsautors Miquel Martí i Pol liest, im katalanischen Original. Dass ein Fußballstar, ein Kerl wie Guardiola öffentlich liest, noch dazu Gedichte, das ist ein Knaller, bislang war man anderes gewohnt. Hauptsache Italien.
Eine kleine Gruppe Menschen kommt aus einem Raum, einer Seitentür, sie wird hundertfach und minutenlang abgelichtet. Das Publikum dagegen wird unruhig, will jetzt auch mal was sehen, mehr als Fotografenrücken und schemenhafte Bewegungen dahinter. Welcher ist denn jetzt Pep?
Der, der als Einziger keinen Anzug trägt. Der in der Mitte Platz nimmt, zwischen Michael Ebmeyer und Thomas Loibl, zwischen dem Moderator und Dolmetscher und dem, der Marti i Pols Texte in der deutschen Übersetzung lesen wird.

Schmunzelkram

„Wenige“, sagt Guardiola auf Katalanisch über den Dichter, „haben vom Tod und von der Liebe so gesprochen wie er.“ Es ist der erste vieler, wie man meinen müsste, überaus pathetischer Sätze, die an diesem Abend fallen. Aber so, wie Guardiola ihn sagt, im temperamentvollen Singsang seiner Sprache und mit einer halbrauen, halbweichen Stimme, ist es, als teile er lediglich etwas mit, eine Kleinigkeit, von der er schon immer überzeugt war.
Auch die, dass er mit Marti i Pol bis zu dessen Tod befreundet war. Dass er nicht glaubt, Lyrik und Fußball hätten irgendwas gemeinsam. Dass er nach einem Bayern-Spiel nicht in der Zeitung lesen will, in der 25. Minute sei das erste Tor gefallen, sondern dass es vielmehr die Geschichte dieses Spiels ist, die ihn interessiert. Und dass er keineswegs, wie gern behauptet, seinen Spielern Gedichte vorträgt, um sie zu besseren Spielern zu machen – das alles erzählt er, und das alles übersetzt Michael Ebmeyer, als wäre es nichts, als würde der Sprachenwechsel überhaupt keinen Einfluss auf den Gesprächsverlauf nehmen. Als wären er und Guardiola sich eher zufällig hier begegnet und dann ins Plaudern geraten, unter vier Augen, nicht unter denen Hunderter. Schöne Geschichten, kleine Anekdoten, Schmunzelkram, der sympathisch macht.

Er liebt es, den Autor zu lesen

Sogenannte Arbeiterlyrik liest Guardiola dann, Gedichte von der Maloche, von Knochenjobs, wenig Geld und frühem Alter. „Die Poesie“, zitiert er den Dichter, „ist die Kunst der Armen“. Wieder so ein Satz, aber na gut: Einer wie Marti i Pol, der die katalanische Kleinstadt, in der er lebte, nie wirklich verlassen hat und dort in einer Fabrik schuftete, seit er 14 war, darf sowas sagen.
Guardiola liest also, und sofort wird klar, was von dieser Poesie bleibt, wenn man das Verstehen der Sprache mal subtrahiert: eine Menge. Auch Klang, ja, auch Rhythmus, sicher, aber die Akustik ist nur die halbe Miete. Eigentlich geht es um Guardiolas Ernst und seine gleichzeitige Gelassenheit, um eine Selbstverständlichkeit, die er absolut setzt: Er liebt es, diesen Autor zu lesen, aber er macht kein großes Ding draus.
Für denselben Text, auf Deutsch vorgetragen, gilt das nicht. Das hakt, das stolpert, Loibls Stimme findet den Vortrag nicht. Das läge auch an der Übersetzung, sagt Michael Ebmeyer später, als die Mikros aus sind, die sei nicht so gut. Offenbar handelt es sich genau darum nicht: um denselben Text. Eher um Original und Fälschung.
Manchmal ist es ja so, dass das Wichtigste dann gesagt wird, wenn es keiner mehr dokumentiert. Wenn die Fotografen wieder in ihre Redaktionen abgezogen sind. Wenn der Trainer schon längst wieder trainiert oder liest. Wenn Schland auf den Tag danach wartet: Dann wird er in den Zeitungen zu sehen sein, dann wird er kluge Sachen gesagt haben, dieser Guardiola. Manchmal ist das so. An diesem Abend nicht. Hier geht das eine ins andere über, ist der Flow auch hinterher noch da, wird geredet und übersetzt und gelacht, an einem großen, gemeinsamen Tisch, während das schicke Münchner Publikum sich auf dem Weg nach Hause oder in den nächsten Club und da noch von Guardiola erzählt und von diesem Miquel Marti i Pol, der in Katalonien „Dichter der einfachen Leute“ hieß.

Bildquellen

  • 11665780_1005030836174253_840793693_o: Bild: Kathi Flau