Der Roman Schund und Sühne von Anna Basener

Schund und Sühne: Tragik, Trauer und Tod

Anna Basener erzählt in ihrem zweiten Roman Schund und Sühne von der Welt des Adels. Martin Spieß hat ihn gelesen.

Die Zeit hat Anna Basener mal die „erfolgreichste deutsche Groschenromanautorin“ genannt. Es war also einigermaßen verwunderlich, dass ihr großartiges Debüt Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte mit der Welt des Adels so gar nichts zu tun hatte, sondern eine Hommage an den Ruhrpott war, eine Lanze für Huren brach und eine einfühlsame Geschichte über Suchen, Scheitern und Weitermachen erzählte. Baseners zweiter Roman Schund und Sühne allerdings, der gerade bei Eichborn erschienen ist, greift nun auf ihre Erfahrung als Heftroman-Autorin zurück.

Der Roman Schund und Sühne von Anna Basener.
Der Roman Schund und Sühne von Anna Basener.

Die Geschichte beginnt fast wie in einem echten Groschen- oder Heftroman mit etwas Unvorhergesehenem: Der eigentliche Stipendiat für den Aufenthalt auf Schloss Rosenbrunn ist ausgefallen und so wird die Autorin Kat, die eben diese Art Romane schreibt, kurzerhand als Ersatz eingeladen. Die Bewerbung hat sie nur aus einer Sauflaune heraus abgeschickt, und so fühlt Kat sich – trotz ihres breiten Wissens über den Adel – von Anfang an deplatziert.

Sie lernt die Prinzessin Seph kennen, die Liebeskummer hat, weil eigentlich sie und nicht Meghan Markle Prinz Harry hätte heiraten sollen. Sie freundet sich mit dem Prinzen Valu an, der schwul ist, das aber verheimlicht, weil es in dieser Welt keinen Platz für einen Homosexuellen gibt. Zumindest nicht, wenn er der Thronfolger ist, von dem erwartet wird, für Erben zu sorgen. Seine Mutter, die Fürstin, ist depressiv, ihre Schwester hatte vor langer Zeit eine Affäre mit dem Fürsten. Und dann taucht auch noch der Rosenzüchter Moritz auf, der für die Prinzessin eine persönliche Rose gezüchtet hat. Er scheint der Einzige zu sein, mit dem Kat normal reden kann – trotz der Tatsache, dass oder vielleicht gerade, weil er so wenig über die Welt des Adels weiß.

Raus aus der Wohlfühlwelt

Es gibt Regeln für Groschenromane, besonders zum Thema Liebe und Adel: es gibt immer ein Happy End, es gibt keinen expliziten Sex, es werden keine gesellschaftlichen oder gar politischen Themen verhandelt. Es gilt, eine Wohlfühlwelt zu erschaffen, in der die Leser*innen sich vom Alltag erholen sollen – einem Alltag, der eben voll ist von Problemen und Nöten, Sorgen und Zweifeln.

Anna Basener aber verstößt in Schund und Sühne nicht nur ganz bewusst, sondern mit spürbarer Freude gegen die Regeln, die für Groschen- oder Heftromane gelten. Sie erzählt von den katastrophalen, klimatischen Folgen der Rosenzucht in Afrika, sie erzählt von den (inneren) Kämpfen des homosexuellen Prinzen und von der depressiven Fürstin, deren Schwester mit dem Fürsten eine Affäre hatte. Und es gibt Kat selbst, die sich schließlich in den schwulen Prinzen verliebt und zeitgleich ihre erste Schreibblockade entwickelt. So edel und erhaben das (vielleicht klischeehafte) Bild ist, das man vom Adel hat, so sehr wird es hier von Anna Basener gebrochen und entzaubert. Denn am Ende sind auch die Aristokrat*innen alle Menschen, die lieben, zweifeln – und verzweifeln. Es gibt Tragik und Trauer und Tod. Und all das ist in einer unaufdringlich pointierten Sprache erzählt, die zu keinem Zeitpunkt salopp oder manieriert wirkt.

Schund und Sühne ist am Ende nicht nur kein Schund, es bedarf auch keiner Sühne. Ganz im Gegenteil ist das Buch nicht nur genauso stark wie das Debüt Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte. Es gilt auch, dass wohl nur Anna Basener ein so einfühlsames, ironisches, kritisches und unterhaltsames Buch über die Welt des Adels schreiben konnte.

Schund und SühneEichborn, 240 Seiten, 18 Euro.

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