Spamfilter Festival: Wer braucht Netzfeminismus?

im Rahmen des Spamfilter Festivals in Hannover fand eine Diskussion zum Thema Netzfeminismus statt. Unsere Reporterin war dabei.

Es ist 19:10 Uhr, der Vortrag beginnt – etwas verspätet, aber dafür mit Getränken für alle, die noch einen Abstecher zur Theke gemacht haben. Wir befinden uns im kleinen Saal des Kulturzentrums Pavillon in Hannover, im Rahmen des Spamfilter Festivals wird Sarah1 einen Vortrag zum Thema Feminismus und Videospiele halten, der in Zusammenarbeit mit der Kampagne Wer braucht Feminismus? entstanden ist.

Dieser Vortrag baut unter anderem auf ihrer Masterarbeit auf, die sie 2012/2013 in Berlin an der HU geschrieben hat. Sie trägt den Titel: Frauen im männlich dominierten Raum der Videospiele.

Wir erfahren, dass in Deutschland 48 % der Videospielenden weiblich sind und die klischeehafte Gameridentität des Mannes eigentlich fern von der Realität liegt. Dennoch wird die Zielgruppe „weiß, männlich, hetero“ in der Vermarktung von Videospielen stärker adressiert als andere Gruppen.

Während weibliche Gamerinnen oft Casual Games, also Spiele ohne kompetitive Elemente, die technisch eher unaufwendig sind, spielen, spielt ein Großteil der Männer technisch aufwendige Spiele mit kompetitiven Elementen.

Diese Tendenzen lösen sich immer mehr auf, Frauen spielen immer öfter auch technisch aufwändige Spiele. In der Diskussion, die nach dem Vortrag geführt wurde, wurde auch die Frage aufgeworfen, ob vielleicht mangelnde Repräsentation und Diversität in den technisch aufwendigeren Spielen ein Grund für die verhältnismäßig kleine Zahl der spielbegeisterten Frauen sei. Diese Frage wurde von der Diskussionsrunde, die aus Sarah, Carolin (Softwareentwicklerin), Rami (Gamer) und Jasmin (Kampagnenleitung: Wer braucht Feminismus?) bestand, bejaht.

Das Problem sei ein strukturelles und ein zunächst ausweglos scheinender Kreis: Die Gaming-Industrie beschäftige hauptsächlich männliche Softwareenetwickler, die in ihren Games die Geschichten aus einer weißen, männlichen Perspektive erzählen. Sowohl die Männer als auch die Frauen in den Spielen sind den Wünschen dieser Perspektive angepasst. Frauen treten in Videospielen als Sexobjekte oder Jungfrau in Nöten auf. Die Repräsentatiosnproblematik sei die gleiche wie in der Literatur oder Filmen nur, dass man deutlich weiter dahinter läge, die Strukturen innerhalb der Videospielindustrie zu unterwandern. Ein nötiger Schritt wäre, die Spieleentwicklung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen gestalten zu lassen, damit ihre Geschichten und Perspektiven eine kreative Umsetzung erfuhren.

Doch arbeiten in der Spieleentwicklung hieße für Frauen auch, arbeiten in einer Industrie, in der sie als Objekte verstanden werden. Entsprechend gestaltet sich der Arbeitsalltag für Frauen und andere marginalisierte Gruppen in dieser Industrie und somit verlassen viele wieder die Arbeitsplätze dort.

#gamergate als logische Konsequenz

Das #gamergate sei demnach nur eine logische Konsequenz des Klimas, das ohnehin schon in der Gaming-Community herrsche, erklärt uns Sarah. Dieses Hashtag sei erstmals im Sommer 2014 erschienen, als der Exfreund der Spieleautorin Zoe Quinn Gerüchte im Internet über sie verbreitete, denen zufolge sie eine Affäre mit einem Spielekritiker gehabt haben soll, der ihr mit einer guten Kritik zum Erfolg ihres Spiels Depression Quest verholfen habe. Obwohl sich nachvollziehen ließ, dass zum vermeintlichen Zeitpunkt der Affäre, der Kritiker nicht für das online Magazin schrieb, das Quinns Spiel zum Erfolg verhalf, brach über ihr eine Flutwelle von Beleidigungen und Bedrohungen aus. Unter anderem wurde ihre Adresse veröffentlicht, was sie dazu zwang ihren Wohnort zu wechseln, da sie um ihr leibliches Wohl fürchten musste.

Die Initiatoren des #gamergate sehen sich, trotz aller moralisch fragwürdigen Vorgehensweisen zur Diffamierung von Frauen in der Gaming-Community als Kämpfer für faire Bedingungen bei der Vermarktung von Spielen. Als jedoch bewiesen werden konnte, dass die Anschuldigungen von Quinns Exfreund nicht stimmten und auch in Interviews erkennbar wurde, dass es ihm bei der Veröffentlichung dieser Information hauptsächlich darum ging, Quinns Ruf zu zerstören, löste sich die Energie des #gamergate nicht etwa auf, sondern verlagerte sich auf neue Opfer, wie beispielsweise Anita Sarkeesian oder Brianna Wu.

Sarah erklärt, dass das #gamergate Ausdrucksform von etwas war, das schon bestand und nur half dies, zu verdeutlichen. Sie sieht in diesem Hashtag auch eine Chance für die feministischen Anliegen innerhalb der Videospielindustrie. Die Benennung des dort vorhandenen Sexismus fällt nun leichter und auch Menschen, die diesen nicht am eigenen Leib erfahren und somit in der Regel nicht wahrnehmen, kann nun demonstriert werden welches die Probleme sind unter denen Frauen, die Videospiele spielen regelmäßig leiden.

Zum Schluss stellt Sarah uns noch drei Spiele vor, bei denen auf die ein oder andere Art und Weise Repräsentation geglückt ist – auch innerhalb der Spieleentwicklung. Ihre Beispiele sind: The last of us- LEFT BEHIND  , das von dem Entwickler Naughty Dog im Februar 2014 veröffentlicht wurde. Dragon Age INQUISITION, das im November 2014 aus dem Hause BioWare kam und Never Alone, das auch im Jahre 2014 von Inupiat herausgegeben wurde.

All diese Beispiele sind noch nicht allzu lange auf dem Markt, doch Sarah erkennt in ihrem Erscheinen und Erfolg eine wünschenswerte Tendenz für den Netzfeminismus, der sie mit viel Freude entgegenblickt.

Die Referentin Sarah twittert unter dem Account @haniafelia

Die nächste Veranstaltung der Kampagne Wer braucht Feminismus? Findet am 11.11.2015 in der Oststadtbibliothek Hannover statt und trägt den Titel Wer braucht Netfeminismus? PorNO oder PorYes? 

  1. Die Referentin möchte nicht mit vollen Namen genannt werden

Bildquellen

  • gamergate: Bild: Nadiah Riebensahm