Ein festlich geschmückter Bollerwagen zum Vatertag

Vatertag und Sexismus: Trink, trink, Väterlein, trink!

Vatertag ist ein sexistischer Brauch. Unser Autor Martin Spieß über die Gewissenskonflikte, einen solchen Feiertag zu begehen.

Meine Freundin – oh mein Gott, ich fange einen Text an wie Mario Barth seine Stand-Ups! – fragte mich gestern, ob ich Pläne für heute habe. Ob ich wieder mit „mit den Jungs um die Häuser ziehen“ würde. Als ich das bejahte, erinnerte sie mich daran, wie sehr der Vatertag sie nervt:

„Männer, die sich beim vermeintlichen ‚Mannsein’ selbst feiern und ‚endlich mal einen Grund haben, um zu trinken“? Ekelhaft sexistische Scheiße. Weltfrauentag? Muttertag? ‚Hier haste ’ne Blume, Frau. So was mögt ihr ja.‘ Pfui! Und die Frauen sitzen Zuhause, weil sie beim Vatertag nichts zu suchen haben. Ich kotze im Strahl.“

In einer perfekten Welt hätte ich darauf besonnen reagiert, wäre auf ihre Bedenken eingegangen und hätte bestätigt, dass dieser Brauch sehr wohl sexistisch ist und ich – wie sie mir anschließend nahelegte – ihn boykottieren müsste.

Wir sind keine Sexisten!

In der tatsächlichen Situation war ich abgelenkt (Multitasking ist ein Mythos, sagt die Wissenschaft), sagte also, ich sei der falsche Adressat für diese Wut. Meine Freunde und ich seien keine Sexisten, warum müsse sie uns denn jetzt unsere Pläne madig machen? Wir würden diesen Tag lediglich dazu nutzen, um in geselliger Runde zusammen zu sein und ordentlich einen zu heben.

Kurz bevor ich begann, bockig und unsachlich zu werden, erinnerte ich mich an Ladies & Gentlemen, Episode sieben von Master of None, die Netflix-Serie von US-Comedian Aziz Ansari (die ich – wer hat sie noch nicht gesehen? – nur wärmstens empfehlen kann, will und muss!). In der Folge entwickelt sich der von Aziz Ansari gespielte Dev zum Feministen, weil ihm etliche Frauen von Benachteiligung und Belästigung berichten. Nichtsdestoweniger braucht es seine Freundin Rachel (Noël Wells), um ihn davon zu überzeugen, dass ihre Erfahrungsberichte von kleinen, alltäglichen Sexismen Grund genug sind, ihr zu glauben.

https://www.youtube.com/watch?v=tY8BcaejTNA

Vatertag: Richtig saufen, ohne dass die Alte nervt

Als ich selbst zum Feministen wurde, dachte ich in den Kategorien eines Videospiels: „Ich hab das letzte Level erreicht, den Endboss besiegt. Ich weiß, wie der Hase läuft, weiß, wann ich mich ducken und wann springen muss.“ Der Unterschied zum wahren Leben mit -Ismen aber ist, dass man nie auslernt. Und dass es eine jahre-, vielleicht sogar lebenslange Aufgabe ist, die gelernten und verinnerlichten Sexismen zu erkennen, zu durchschauen und abzulegen.

Wieso ist Devs erster Impuls, einem überheblichen sexistischen Mann zu glauben statt seiner Freundin? Wieso ist mein erster Impuls, der Meinung meiner Freundin zu misstrauen? Wieso gehe ich in Angriffsstellung über und verteidige einen sowohl Frauen als auch Männern gegenüber sexistischen Brauch? Ob Mutter- oder Vatertag: hier wie da geht es um die Reduktion auf anachronistische Geschlechterrollen. Mutter, die sich über Blumen freut, mit denen sie das Heim schön machen kann, und Vater, der ein Mal im Jahr richtig saufen kann, ohne dass seine Spaß bremsende Alte ihm deswegen auf den Zeiger geht.

Süß-klebriger Likör: herrlich!

Warum aber begehe ich diesen Feiertag dann? Weil es großen Spaß macht, mich ein Mal im Jahr mit meinen Freunden zu treffen und ungehemmt albern zu sein. Um zehn Uhr das erste Bier zu öffnen und über den Tag (oder vielmehr die ersten paar Stunden) verteilt herrlich süß-klebrige Liköre (Waldmeister, Kirsche, Granatapfel, Lakritz, Maracuja) zu trinken. Mit fünfzehn Mann aus vollen Kehlen Auf einem Baum ein Kuckuck zu sing-grölen. Nachmittags bei einem Freund einzukehren, zu grillen und bis nachts ums Lagerfeuer zu sitzen und in die Sterne zu schauen.

Das hat zumindest für mich nichts mit Männlichkeit zu tun. Auch wenn meine Freundin Recht damit hat, dass man, tut man all das eben doch am Vatertag, sich zum Erfüllungsgehilfen seiner sexistischen Bedeutung macht. Und man für Albernheit, Bier, Likör und Auf einem Baum ein Kuckuck eigentlich keinen Herren- oder Vatertag braucht: „Ihr solltet drauf scheißen, ob es gesellschaftlich akzeptiert ist, tagsüber Alkohol zu trinken. Einen Fick drauf geben. Ihr solltet das tun, wann immer es euch beliebt.“

Für heute allerdings ist die Route bereits geplant – und während dieser Text erscheint, habe ich bereits mindestens zwei Bier und drei Liköre intus. Ich glaube kaum, dann noch in der Lage zu sein, meinen Freunden zu erklären, warum Vatertag sexistisch ist, geschweige denn, dass sie aufnahmefähig genug wären. Vielleicht aber ist, wenn der Kater verflogen und die Gedanken wieder frei sind, die Welt für einen Moment perfekt und wir beschließen, 2017 keine Vatertagstour, sondern einfach eine Tour zu machen: egal wann, nur nicht am Vatertag.

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