Don’t even blink: Wie Ronda Rousey aus einer Nacht 34 Sekunden machte

Marcel Durer beschreibt wie die Mixed-Martial-Arts Kämpferin Ronda Rousey dafür sorgte, dass er eine lange Nacht hatte die ein kurzes Ende fand.

In der Nacht vom ersten auf den zweiten August wollten mein Trainer Lenny und ich uns die 190ste Ausgabe des Kampfsportspektakels UFC anschauen. UFC steht für Ultimate Fighting Championshipg und ist der weltweit größte Veranstalter von Mixed-Martial-Arts-Kämpfen, ein Kampfsport der Techniken unterschiedlichster Kampfsportarten verknüpft. Während sich in den frühen 90ern sich noch beinahe regellose Kämpfe zeigten – einzig Augen und Leistengegend waren tabu – gibt es durch die professionalisierung fest abgesteckte Regeln. Zwar ist die UFC gerade in den Deutschland das brutal-regellose Image nie ganz los geworden (was nicht wenig mit Deutschlands starker Boxlobby zu tun hat), aber weltweit hat sich das, was als barbarisches Kräftemessen zwischen verschiedenen Kampfsportdisziplinen angefangen hat, zu einem eigenen Sport entwickelt: Mixed Martial Arts.

Die UFC 190 fand in Brasilien statt; wir mussten uns also dank der Zeitverschiebung mitten in der Nacht treffen. Als Startzeit hatte ich zwei Uhr im Kopf, doch tatsächlich fing die Veranstaltung erst um vier Uhr an. So schlugen wir uns die zwei Stunden mit Bier, Chips und Filmen wie Kung Fury tot, bis endlich der Livestream anfing.
Maxdome war ständiger Quell des Ärgers. Angefangen mit der Altersabfrage die man nur am PC, jedoch nicht an der Playstation bestätigen kann. Nachdem der Stream endlich lief, hörte der Ärger nicht auf – statt den englischen Kommentatoren, die mit Fachwissen und Euphorie die Kämpfe bereichern, mussten wir den langweiligen deutschen Kollegen ertragen.
All das konnte uns nicht die Vorfreude auf den Hauptkampf des Abends, den Mainevent, nehmen. Denn, obwohl die Veranstaltung gefüllt war mit Legenden und Superstars wie „Shogun“ Rua, „Bigfoot“ Antonio Silva, dem 2,11m großen Kickboxer Stefan Struve, Antônio Rogério Nogueira und dessen Bruder Antônio Rodrigo Nogueira, lag die Aufmerksamkeit auf dem Titelkampf im Damen-Bantamweight zwischen der Championesse „Rowdy“ Ronda Rousey und der Herausforderin Bethe Correia.

Auch wer nichts mit Kampfsport am Hut hat, kann Rousey für ihre Rollen in Filmen wie The Expendables 3, Fast & Furious 7 oder Entourage kennen. Ich möchte an dieser Stelle schon einmal vor Lobpreisungen warnen: Diese Frau ist eine Ausnahmeathletin. Ihr Können und ihre Leistungen kann man mit denen eines Michael Jordans, Mike Tysons oder Muhammed Alis vergleichen. Ihre Wurzeln hat sie im Judo, worin sie 2008 bei der Olympiade in Bejing Bronze holte. Judo wurde ihr in die Wiege gelegt: Ihre Mutter ist AnnMaria De Mars, eine ehemalige World Judo Championesse. Ihr Patenonkel und früher Trainer ist Gene LeBelle, der „Godfather of Grappling“. Ein Judoka und Stuntman, den Chuck Norris als den „toughest man alive“ bezeichnete. „Rowdy“ Ronda Rousey hat ihren Beinamen von ihrem Bekannten bekommen: dem kürzlich verstorbenen Wrestler „Rowdy“ Roddy Piper.

Rouseys Biografie ist ein Bestseller und die Liste ihrer Auszeichnungen ist zu lang um sie hier in voller Länge auszuführen. Sie gewann unter anderem gegen Floyd „Money“ Mayweather den „2015 Best Fighter Award“ – was sie mit der Bemerkung in Richtung des Boxers „I wonder how Floyd feels being beat by a woman for once“ kommentierte. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass sie bisher nicht nur keinen Kampf ihrer professionellen MMA Karriere verloren hat – für ihre letzten drei Siege brauchte sie nicht einmal anderthalb Minuten. In ihrem letzten Kampf stellte sie den Rekord für den schnellsten Sieg eines Titelkampfes durch Aufgabe auf: 14 Sekunden! Diese Frau ist in ihrer Gewichtsklasse die dominanteste Kämpferin der Welt – geschlechterübergreifend.

https://www.youtube.com/watch?v=ZeAHytGRh80&feature=youtu.be

Der Grund, warum Lenny und Ich, wie so viele, auf diesen Kampf so gespannt waren war ihre Gegnerin. Die Brasillianerin Bethe Correia ist ebenfalls bisher ungeschlagen in MMA. Anders als Rousey, ist sie eher eine Kickboxerin, deren Taktik darauf ausgelegt ist, den Gegner in einem unaufmerksamen Moment mit voller Härte zu treffen. Im MMA sagt man „styles make fights“ – sprich: Je unterschiedlicher die Kampfstile, destor spannender der Kampf.
Doch das ist nicht alles. Bethe hat bereits seit einer Weile angefangen, Rousey mit Kopfspielchen zu bearbeiten. So hat sie Rondas beiden besten Freundinnen besiegt und nach jedem Match signalisiert, dass ihr eigentliches Ziel Championesse Rousey ist. Das Fass zum Überlaufen brachte wohl ihre Aussage, sie hoffe Ronda würde nach der Niederlage gegen sie keinen Selbstmord begehen. Man sollte wissen, dass Rouseys Vater Selbstmord beging; ein Trauma, das die 28 jährige bis heute nicht verarbeitet hat.

Es war also offensichtlich, dass Correia Rousey emotional aufwühlen wollte, damit die ungeschlagene Amerikanerin einen Fehler macht. Damit hatte sie zumindest soweit Erfolg, dass Rousey ankündigte, ihr eine Lektion zu erteilen und sie leiden lassen zu wollen. Die Hoffnung auf einen verhältnismäßig langen und spektakulären Kampf war also groß und es gab die Möglichkeit, das Unmögliche – eine Niederlage Rouseys – mitzuerleben. Und so putschten wir uns abwechselnd mit Kaffee und Bier auf um die verschiedenen Kämpfe zu überstehen und bis zum Mainevent durchzuhalten. Die Runden, welche jeweils nur fünf Minuten dauern, kamen uns unendlich lang vor. Langsam wurde aus vier Uhr fünf, aus fünf sechs und ehe wir uns versahen, war es hell draußen und es standen uns noch immer zwei Kämpfe bevor. Es muss gegen 8 Uhr gewesen sein, als es endlich soweit war: Erst betrat Bethe Correia das Octagon (wie man den achteckigen Käfig bei der UFC nennt). Dann marschierte „Rowdy“ Ronda Rousey zum Kampf. Ihr Blick war wie immer etwas besonderes: Wenn sie Interviews gibt hat sie ein bezauberndes strahlendes Lächeln aber vor und während ihrer Kämpfe verzieht sie keine Miene und funkelt die Gegnerin mit eiskalten Augen an.

Ringsprecher Bruce Buffer stellt die beiden in seiner typisch-showmännischen Art vor und die Menge rastet aus. Gänsehaut machte sich bei uns breit, als der Ringrichter die beide Kämpferinnen in die Mitte bittet und sie sich gegenseitig Anstarren. Er schlägt vor, die beiden mögen sich als Zeichen des Respekts die Handschuhe geben. Nichts passiert. Der Hass ist offensichtlich. Beide gehen in ihre jeweilige Ecke zurück, die Ringglocke klingelt und es geht los: Sie stürmen aufeinander zu und es kommt zum Schlagabtausch. Dirty Kickboxing. Ronda lässt sich auf Bethes Spezialität ein und … dominiert.

Bethe Correia geht zu Boden. Der Kampf ist vorbei. Sofort weicht der Killerblick aus ihrem Gesicht und Ronda ist wieder das strahlende, glückliche Mädchen. 34 Sekunden hat der Kampf gedauert. 34 Sekunden! Den Kampf hier schriftlich zu beschreiben hat länger gedauert. Das Lesen dieser Zeilen auch.  34 Sekunden.

Hier der vollständige Kampf als GIF:

http://imgur.com/gallery/YkTlcUx

Anschließend widmete Sie den Kampf – mit Tränen in den Augen – „Rowdy“ Roddy Piper:

„We lost a really close friend, ‚Rowdy‘ Roddy Piper, who gave me permission to use his name as a fighter. […] I hope he and my dad had a good time watching this today.“

Übernächtigt und erschöpft machte mich auf den Heimweg. Und während ich die kleine Katze, die morgens immer auf unserer Terrasse auf uns wartet, fütterte war mir klar, dass die 11 Kämpfe von „Rowdy“ Ronda Rousey zusammen nur 23 Minuten gedauert haben.
Bereue ich es, die ganze Nacht dafür wach geblieben zu sein? Nein, aber ich bin froh, keinen Sekundenschlaf gehabt zu haben, sonst hätte ich den Kampf vielleicht verpasst …

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