Die Lust am Spielerischen

Lysistrata zum Dritten: Mit Veil legen die französischen Metal-Noise-Rock-Irgendwas-Jungs ihr drittes Album vor. Martin Spieß hat es gehört.

„Wie ein UFO“ waren Lysistrata laut Pressetext in Frankreich aufgetaucht, und auch in Deutschland kam es zu (gern gesehenen!) UFO-Sichtungen: 2017 mit dem Debüt The Thread und 2019 mit Breathe In/Out. Nun also Album Nummer drei.

Dafür, dass das Debüt The Thread schon nach nur wenigen Sekunden pumpte und trieb, als hätte Dr. Dr. Frankenstein At The Drive-In und Sparta (also mit sich selbst!) gekreuzt, startet Veil mit dem Opener Tangled in the Leaves vergleichsweise soft. Eine akustische Gitarre auf gehauchten Vocals, ein bisschen Hintergrundrauschen, das war es schon. Song Nummer zwei, Horns, legt nach, aber über den Neo-Pop-Sound von E-Gitarre, Drums und Bass geht es nicht hinaus – denkt man, bis die Hook kommt und Ben Amos Cooper (Drums und Gesang) auf bretternde Gitarren (Théo Guéneau) und pushenden Bass (Max Roy) singt: „Grab life by the horns / grab that fucker by the reins“

Brettern wie in einer Schreinerei

Song Nummer drei See Through brettert dann auch gleich genauso weiter, als betrieben Lysistrata nebenbei eine Schreinerei – sorry, der musste sein.

Okay, Track vier, channelt dann shoegaze-artig die fellow Franzosen von Phoenix. Softer Pop zum Mit-dem-Bein-Wippen. Kann man machen.

Mit Rise Up allerdings drehen Lysistrata den Noise-Regler so sehr auf, fangen Ben Amos Cooper irgendwann so zu schreien und die Gitarren zu feedbacken an, dass es einem ab einem bestimmten Punkt in den Ohren wehtut. Bei Noise-Rock muss es auch mal laut werden, we get it. Aber ein bisschen dolle, ja, sogar etwas gekünstelt wirkt es.

Klassischer, weniger Gefrickel

Acid to the Burn kommt dann wieder in „normaler“ Lautstärke und in klassischerem Gewand daher: Verse, Hook, harmonische und ordentlich angezerrte Riffs auf unter dreieinhalb catchy Minuten.

In Teilen ist Veil tatsächlich klassischer: mit klassischeren Songstrukturen, mit weniger Gefrickel. Und mit kürzeren Songs: wo auf The Thread und Breathe In/Out etliche Songs über sechs Minuten lang und je einer mit über acht Minuten vertreten waren, ist auf Veil fast die Hälfte unter drei Minuten, und der längste knappe sechs. Wenn man bösartig sein wollte, würde man sagen, dass ein findiger PR-Mensch Singles bzw. Spotify-Playlisten-tauglicheres Material gefordert hat.

Was Lysistrata aber schon seit ihrem Debüt ausmacht, die Lust am Spielen – am Spielerischen, am Exzess, am Drauflos –, die ist auch auf Veil zu hören. Und diese Lust überträgt sich auf die Hörer*innen – wenn es ihnen nicht gerade die Gehörgänge schrotet.

Bildquellen

  • LYSISTRATA_PRESS_CREDIT-@Emilija-Milusauskaite_big: Emilija Milušauskaitė