Interviewreihe „Davon leben“ – Interview mit Christoph Mangler (Bildkünstler)

Der Bildkünstler Christoph Mangler spricht in Davon leben über den Wettkampf in kreativen Berufen und die Frage, ob er mit 65 noch der Opa sein will, der Musikvideos macht.

Wann und wo bist du geboren?

1974, in Leutkirch im Allgäu. Das ist eine kleine Stadt in Baden-Württemberg. Da bin ich auch zur Schule gegangen. Nach dem Abitur habe ich ein Praktikum in einer Werbeagentur in Mannheim gemacht und das Medienbusiness kennen gelernt. Ich beschloss, ich wollte „was mit Medien“ machen und habe dann an der Hochschule der Medien in Stuttgart „Audiovisuelle Medien“ studiert.

Und wie bist du nach Berlin gekommen?

Im Rahmen des Studiums musste ich ein einjähriges Praktikum machen. Und an der Uni lernte ich jemanden kennen, der im Bereich Musikvideos gearbeitet hat. Mir kam die Idee, das auch zu machen, weil mich Musik und Film gleichermaßen begeistert und fasziniert haben. Ich war dann der Assistent des besagten Bekannten in einer Filmproduktionsfirma in Berlin. 1997 war das. Zwanzig Jahre ist das schon her, wie ich gerade feststelle… Jedenfalls war ich da ein Jahr lang Regieassistent.

Und dann?

Nach dem Praktikum bin ich zurück nach Stuttgart, habe das Studium beendet und bin dann wieder nach Berlin, wo ich bei einer Firma als Regisseur gearbeitet habe. 2005 musste die Firma im Zuge des Zusammenbruchs der Musikbranche schließen und ich habe mich als Ein-Mann-Unternehmen selbstständig gemacht. Das war damals noch ziemlich neu, heute machen das ja viele.

Das Ein-Mann-Unternehmen umfasst was genau?

Bei mir ist das Regie, Kamera, Schnitt, Colorgrading und Fotografie. Ich habe eigene Kameratechnik und einen Schnittplatz, das heißt, ich kann autark Projekte realisieren, ohne bei der Finalisierung Gefallen einfordern und ohne mir Technik ausleihen zu müssen. Und weil ich so viele verschiedene Bereiche abdecke, werde ich auch nicht immer für das volle Paket gebucht, manchmal braucht man mich nur als Kameramann oder für den Schnitt.

Und dieses Modell machst du seit 2005?

Ja.

Und die Nachfrage ist konstant?

Seit ich das mache, habe ich zu tun. Nur die Bereiche sind immer wieder andere. Mal ist es ein Musikvideo, mal ist es ein Imagefilm, mal eine Dokumentation oder ein Live-Konzert.

Kannst du Beispiele für Projekte nennen, die du gemacht hast?

Über die Jahre sind hunderte von Projekten zusammengekommen. Ich habe Musikvideos für The Rasmus, Apocalyptica und die Emil Bulls gemacht, im Bereich Rap etwa für Curse, ASD und Biz Markie. Für Jennifer Rostock habe ich diverse Musikvideos gemacht, außerdem eine zweistündige Dokumentation über die Entstehung des Album Schlaflos und für die DVD Live in Berlin Regie und Schnitt. Im letzten Jahr habe ich für einige Projekte mit der Berliner Band Grossstadtgeflüster zusammengearbeitet, zum Beispiel Schnitt und Colorgrading für deren Song Fickt-Euch-Allee. Von 2007 bis 2009 war ich der Regisseur der Coca-Cola Soundwave Discovery-Tour, das war damals der größte Nachwuchswettbewerb für Bands in Deutschland, der unter anderem auf großen Festivals wie dem Hurricane, dem Melt und dem Rock am Ring stattfand. Im Rahmen dieser Tour sind Live-Videos der TeilnehmerInnen und Interviews mit bekannten Bands und KünstlerInnen entstanden, unter anderem Maximo Park, Biffy Clyro und Adam Green. Die Tour endete aber leider 2009.

Aber diese – wie es auf deiner Webseite heißt – „All-in-one-media-taskforce“ bist du nach wie vor.

Ja. Und ich glaube, die Tatsache, dass ich so vielfältig bin, ist der Grund, dass ich noch da bin. Gerade in den letzten Jahren haben viele KollegInnen die Filmbranche verlassen, zumindest in meinem Umfeld. Dieser ständige Wettkampf, das nicht aufhörende Bemühen um Aufträge, das hat sie zermürbt. Dadurch, dass ich so viel anbiete, habe ich wie gesagt immer gut zu tun. Aber es bleibt ein Problem: Wenn man in diesem Kreativgeschäft unterwegs ist, darf man nicht vergessen, dass es ein ständiger Wettkampf ist, sowohl kreativ als auch technisch. Wenn man da nicht Schritt halten will oder kann, wird man abgehängt. Außerdem kommen pausenlos neue Leute von der Uni: Zwanzig Jahre jünger als ich, motiviert und voller Tatendrang.

Setzt dich das unter Druck?

Wenn man pausenlos wettkämpft, setzt einen das natürlich unter Druck. Ich würde aber sagen: Nicht auf negative Weise.

Weil es einen anspornt, immer wieder gut abzuliefern?

Genau. „Nicht auf negative Weise“ meint nicht, dass mich das Business abturnt. Wäre das so, hätte ich schon was verändert. Und gut abzuliefern ist allein schon deswegen wichtig, weil man nur bei guter Arbeit wieder angerufen wird. Ich kann mit meiner Diplomurkunde winken wie ich will, Aufträge bekomme ich nur, wenn die Leute sehen, dass meine Arbeit gut ist.

Wir haben jetzt viel von Aufträgen und Arbeit gesprochen. Letztlich ist aber vieles von dem, was du machst, Kunst. Würdest du dich als Künstler beschreiben und begreifst du deine Arbeit als Kunst?

Ja, klar. Die große Vision, die ich habe, ist nach wie vor, große Dinge zu erschaffen, und ich bin auch nach wie vor von Idealismus getrieben. Bei einem Cutterjob spielt das weniger eine Rolle, aber wenn ich selber Bilder herstelle, ist mein Anspruch, Welten und Looks zu erschaffen. Gerade bei Musikvideos entsteht durch Bilder und Farben etwas ganz Neues, das über die reine Musik hinausgeht.

Ist das alles auch mal anstrengend?

Der kreative Aspekt ist in der Regel immer anstrengend, weil ich oft mit anderen Menschen zusammenarbeite, die eigene Ansichten und Vorstellungen haben, und man dann viel diskutieren muss. Manchmal ist es ja auch nur ein Job, eine Dienstleistung. Aber wenn ich nicht auch den Antrieb hätte, eigene Ideen umzusetzen, würde ich es nicht mehr machen. Ich weiß nicht, ob man es Berufung nennt oder Spaß bei der Sache, aber die kreative Seite ist, was mich am Laufen hält. Wenn ich nur Geld verdienen wollte, hätte ich was anderes gelernt.

Das heißt, du hast nie oder nur selten Momente des Zweifels?

Ich denke, Momente des Zweifelns gehören dauerhaft dazu. Die bewirken aber keine Resignation, sondern eher, dass ich nicht stehen bleibe. Klar stelle ich mir die Frage, ob ich in diesem hippen Business nicht irgendwann zu alt bin. Aber ich beruhige mich mit der Tatsache, dass die Leute, mit denen ich zu tun habe, auch älter werden, und das letztlich kein Problem ist. Dann bin ich eben irgendwann der Opa, der mit 65 noch Musikvideos dreht und Fotos macht. Aber nicht zu zweifeln finde ich blauäugig. Man muss ja auch realistisch bleiben.

Aber trotz Zweifeln und Realismus siegt der Idealismus nach wie vor?

Ohne Idealismus ist man im Filmgeschäft gar nicht richtig. Es geht ja letztendlich immer darum, aus Ideen irgendetwas zu erschaffen, eines Tages vielleicht sogar eine Idee zu haben, aus der etwas richtig Großes wird. Ich mache immer wieder auch kleine Projekte, einfach, weil da oft noch Idealismus vorhanden ist und ich außerdem nicht den Kontakt zu neuen, noch unbekannten KünstlerInnen verlieren will. Und da kann ich nicht nur meine idealistische Seite ausleben, sondern auch eben diese KünstlerInnen unterstützen. Und das, ich wiederhole mich, treibt mich an.

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Bildquellen

  • Christoph Mangler: Claudia Horn