Interviewreihe „Davon leben“ – Interview mit Simon Erichsen (Musiker)

Heute in unserer Interviewreihe Davon leben: Simon Erichsen, Musiker und Sänger der Band Mr. Hurley und die Pulveraffen, über Celli, Unterhaltung und die Angst vor dem Major Deal.

Du bist am 20. Februar 1987 in Georgsmarienhütte, einem Vorort von Osnabrück, geboren. Du bist du dort aufgewachsen, zur Schule gegangen und lebst dort auch noch, richtig?

Ich habe Osnabrück als Wohnort nie hinter mir gelassen, ja. Ich bin da – je nachdem wie du es nennen willst – beständig oder langweilig. Ich habe hier nach dem Abitur meinen Zivildienst absolviert und auch ein Studium aufgenommen. Das hat auch zum Beispiel damit zu tun, dass ich nicht Bafög-berechtigt war und mir eine Wohnung außerhalb der elterlichen vier Wände schlicht nicht hätte leisten können. Ich muss aber sagen, dass ich nichts vermisse und mich hier sehr wohlfühle. Mittlerweile wohne ich natürlich seit ein paar Jahren in einer eigenen Wohnung. (lacht)

Die du dir der Musik wegen leisten kannst, oder?

Genau. Seit ein paar Jahren geht das.

Wann hast du denn angefangen, dich für Musik zu interessieren?

Es wäre sicher gelogen, wenn ich – im Stil eines Casting-Show-Teilnehmers – behaupten würde, ich hätte schon im Kleinkindalter die Leidenschaft dafür entdeckt. Ich habe zwar eine musikalische Früherziehung bekommen und auch auf den Wunsch der Eltern ein Musikinstrument gelernt, aber das ernsthafte Interesse daran kam erst so mit der Pubertät, nehme ich an.

Nimmst du an? Erinnerst du dich ob all der Drogenexzesse nicht dran? (lacht)

Das ist ja so ein schleichender Prozess. In der Grundschule hab ich mir auch schon die ersten Maxi-Singles gekauft, aber ob das jetzt ein überdurchschnittliches Interesse an Musik bedeutet, wage ich zu bezweifeln. In der Pubertät war ich schon interessiert, aber sehr wechselhaft. Mal hab ich viel Rap gehört, dann hatte ich wieder Phasen, in denen ich voll auf die 90er-Jahre Skaterpunk-Bands aus den USA abgegangen bin, allen voran NOFX. Die waren dann letztlich auch der Grund, das Cello – nein, hier bleibt kein Nerd-Klischee aus – beiseite zu stellen und mir selbst E-Bass und Gitarre beizubringen.

Cello war das Instrument, das deine Eltern dich lernen ließen? Das ist in der Tat – und im schönsten Doppelsinn – klassisch.

Ja. Aber wenn das besser für die Promo ist, habe ich schon mit fünf Jahren meine ersten Menuette komponiert und meine Jugendzeit ist komplett im Crystal-Meth-Dunst verschwommen. (lacht)

Meth, klar! Deswegen auch die schwarzen Zähne von Mr. Hurley! Jetzt ergibt alles einen Sinn (lacht)

Verdammt, erwischt! Aber ja, das war schon sehr klassisch. Meine Brüder haben beide Klavier und später Schlagzeug gelernt. Ich wollte eigentlich gerne Kontrabass spielen, dafür war ich aber noch zu klein, also hat die Musikschule mir das Cello angedreht. Kontrabass wollte ich übrigens, so vermute ich, auch nicht aus übermäßigem musikalischen Interesse an dem Instrument lernen, sondern eher, weil ein Kontrabass groß und imposant aussieht. Ging aber wie gesagt nicht, weil ich für einen Bass schlichtweg körperlich noch zu klein war.

Es gibt vom US-amerikanischen Comedian Rob Paravonian eine Nummer übers Cellospiel am Beispiel von Pachelbels Kanon in d. Da sagt er an einer Stelle: „ There’s no way to be cool when your instrument’s larger than you. When you walk to school with a cello you’re like a wounded a gazelle in the Serengeti.“

Stimmt absolut. In meiner Jugend ist eine sehr bezeichnende Geschichte passiert. Ich wurde auf einer Orchesterfreizeit von den Geigen- und Bratschenspielern in den Schrank gesperrt. Ich war quasi der Oberversager unter den Versagern. (lacht)

Du lachst, aber hat dich das beeinflusst oder ist da was von zurückgeblieben? War es schwer, dich schließlich mit deiner Band Mr. Hurley & die Pulveraffen auf Bühnen zu stellen und Leute zu unterhalten? Oder war das ein vereinzelter Vorfall, der nicht weiter ins Gewicht fiel für deine kindliche Prägung?

Dieser Vorfall ist natürlich fast schon eine Karikatur und mit Sicherheit eine Spitze. Ich hatte in der Schulzeit auch durchaus mit Mobbing zu tun, was häufig aber auch daran lag, dass ich irgendwie immer ein Herz für Ausgestoßene hatte und viel mit solchen Leuten rumhing. Ich selbst war aber eigentlich immer schon recht extrovertiert und hatte keine großen Schwierigkeiten damit, auf Bühnen zu stehen, sei es in der Schulzeit in der Theater-AG, später mit lokalen Rockbands oder eben jetzt mit den Pulveraffen.

Gab es denn vor den Pulveraffen noch Bandprojekte, in denen du dich noch halb- oder unprofessionell ausprobiert hast? Und war das dann schon mit deinen Brüdern?

Ja, die gab es. Unprofessionell ist auf jeden Fall der richtige Terminus. Ich hatte eine Rock-Coverband mit meinen Mitschülern, die natürlich standesgemäß grottenschlecht war. Danach dann zwei verschiedene Bands, mit denen wir es aber nie groß aus Osnabrück rausgeschafft haben. Eine ging so in die Marilyn-Manson-Richtung, die andere war eine HIM-mäßige Gothic-Rock-Kapelle. Das war aber alles noch nicht mit meinen Brüdern.

Und wann kamen die ins Boot?

„Ins Boot kommen“ ist ein schönes Bild für eine Piratenband. (lacht)

Ich tue einfach mal so, als habe ich das genau so als Pointe gesetzt.

Privat haben wir natürlich schon länger immer mal wieder zusammen Musik gemacht. Und sei es nur zu Familienfesten oder so. Da Mr. Hurley & die Pulveraffen eine Band ist, die ursprünglich aus dem Live Action Role Play (LARP) entstanden ist und wir dieses Hobby alle schon damals hatten, war es irgendwie logisch, dass wir die Band zusammen aufziehen. Das erste richtige Pulveraffen-Konzert war dann 2009, wenn ich mich nicht irre.

Das wäre die nächste Frage gewesen: Wie kommt man von NOFX über Marilyn Manson und HIM zu Folkmusik mit Piratenthema?

Das kam wie gesagt übers Live-Rollenspiel. Ich habe 2008 mit Piraten-LARP angefangen. Da bin ich mit einer Gruppe unterwegs gewesen, die ich gar nicht kannte. Und als Dankeschön hab ich damals dem Captain gemeinsam mit meinen Brüdern ein Loblieb geschrieben und auf der Veranstaltung vorgetragen. Und das ist sehr gut angekommen. Der erste Band-Auftritt war dann auf einem Straßenmusikfestival in Osnabrück. Damals echt nur so aus Spaß. Die finstere Gothic-Phase hatte ich zu dem Zeitpunkt allerdings auch schon hinter mir gelassen. NOFX und andere US-Punkbands höre ich aber nach wie vor viel.

Und wie kam es, dass die Band sich professionalisiert hat? Ihr habt die letzten vier Jahre regelmäßig auf dem MPS gespielt, dem größten wandernden Mittelalterfestival der Welt, und ihr wart schon vier Mal beim Wacken Open Air dabei. Und gerade habt ihr einen Deal bei Universal unterschrieben. Ihr passt also eigentlich schon gar nicht mehr in dieses Underdogs-Interviewformat. (lacht)

So richtig kann ich mir das auch nicht erklären. Irgendwie hatten wir wohl viel Glück und haben den richtigen Unfug zur richtigen Zeit gemacht. Wir haben, nachdem wir so viel Spaß auf dem Straßenmusikfestival hatten, erstmal überall dort gespielt, wo man uns wollte. Die Entlohnung waren dann Getränke und ein Schlafplatz, zum Beispiel bei Privatleuten zu Hause. Ende 2010 haben wir, nachdem uns ein Veranstalter auf einer kleinen Spiele-Convention gesehen hatte, die erste Anfrage für einen bezahlten Auftritt bekommen. Damals haben wir für 250 Euro, glaube ich, drei Tage lang auf einem Mittelaltermarkt gespielt und uns gefühlt wie Rockstars: Mit Hotelzimmer und allem Pipapo. So sind wir übrigens auch erst in diese Mittelalterszene „reingerutscht“. Glücklicherweise sind wir an einen wahnsinnig netten Veranstalter geraten, der uns ans Herz gelegt hat, angemessenere Gagen zu nehmen, und der uns sogar gezeigt hat, wie man eine Rechnung stellt und so Zeug. Wir haben nie in Betracht gezogen, damit unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Irgendwann wurden wir aber halt populärer, die Auftrittsdichte wurde deutlich höher und plötzlich war das unser Studienjob.

Studiert ihr denn heute alle nebenbei noch?

Wir studieren zwar alle noch – mittlerweile eine halbe Ewigkeit – mit dem ernsthaften Vorhaben, das auch abzuschließen, aber die Musik fordert inzwischen so einen großen Zeitaufwand, dass sie wirklich ein Vollzeitjob ist. Aber das ist auch gut so, weil wahnsinnig erfüllend.

Habt ihr keine Angst, dass es jetzt mit einem Majorlabel noch mehr oder vielleicht sogar zu viel wird? Vielleicht eine insofern einfältige Frage, weil ihr ja – hättet ihr diese Angst – den Vertrag nicht unterschrieben hättet.

Wir machen aktuell die Erfahrung, dass die Major Labels – oder mindestens unsere Plattenfirma – viel besser sind als ihr Ruf. Man lässt uns künstlerisch völlig freie Hand und jeder Termin wird genauestens mit uns besprochen. Wir dürfen jederzeit ablehnen, wenn wir etwas nicht tun wollen oder die zeitlichen Kapazitäten fehlen. Auf der anderen Seite strotzen die Leute dort vor Energie und Ideen, wie wir möglicherweise noch mehr Menschen erreichen könnten. Und genau das ist es doch, was man gerne möchte, wenn man (zumindest wie in unserem Fall) Unterhaltungs-Musik macht. Übrigens wird uns ja nun auch viel Arbeit abgenommen. Und das, was wir dort zeitlich einsparen können, können wir für die Kreativität nutzen.

Du bist ja privat ein politischer Mensch. Fehlt dir das auf der Bühne nicht? Hast du nicht das Bedürfnis, dich zu bestimmten Sachen zu äußern?

Ja, ich bin – wie auch der Rest von uns – auf jeden Fall politisch interessiert und motiviert. In kleinen Teilen fließt das auch in die Musik ein. So haben wir zum Beispiel mit dem Song Der Haifisch eine Fabel geschrieben, die eine klare Pro-Flüchtlinge-Anti-Rechts-Botschaft hat: „Steh fest, mein treuer Seemann / Auch wenn die Wellen roll’n / Denn der Wind ist kalt und die Reise lang / Und das Boot ist lange noch nicht voll“

Du hast eure sexistischen Bühnensprüche mal mit dem Spruch kommentiert: „Das ist kein Sexismus, das ist Kunst.“ Was, wenn man es genau nimmt, natürlich Quatsch, aber dennoch eine gute Pointe ist.

Das stimmt, das ist Quatsch. Kunst kommt ja bekanntlich von Können und das ist uns fremd. (lacht) Aber im Ernst: Den von dir zitierten Spruch werden wir manchmal noch in dem mit Sicherheit angreifbarsten Song von uns los: Dem Plankentanz. Dort animieren wir die weiblichen Fans dazu, das „Achterdeck“ und beziehungsweise oder den „Bug“ zu schütteln. Das kann man mit Sicherheit kritisieren, allerdings darf man nicht vergessen, dass die Pulveraffen in so einem Theater-mäßigen Kontext stattfinden, dass es eigentlich schwer fallen dürfte, uns ernst zu nehmen. Und bei Piratengeschichten gehören Alkohol und wilde Frauengeschichten nun mal dazu, wenngleich das für dich möglicherweise ein schwaches Argument ist. Andererseits gibt es auch Songs wie Piratenbraut, in denen der männliche Protagonist Mr. Hurley, also ich, völlig von seiner Geliebten untergebuttert wird.

Habt ihr euch den Vorwurf des Sexismus denn schon mal anhören müssen? Und um die Frage zu erweitern: Wenn man Unterhaltungsmusik macht, dabei aber mit Stereotypen und Klischees spielt – in eurem Fall harte Piratenmänner auf der einen und dickbrüstige Weiber als Staffage auf der anderen Seite –, läuft man da nicht Gefahr, diese Stereotypen und Klischees zu verfestigen?

Von diesen Vorwürfen sind wir bislang – und wie wir finden völlig zurecht – größtenteils verschont geblieben. Für einige Bands aus diesem Genre mag genau das zustimmen, aber ich möchte mich dem in unserem Fall entschieden verwehren. Mit Abstand das größte Ziel unseres Spotts sind in unseren Songs wir selbst. Zudem brechen wir die Klischees selbst ständig auf. Beispielsweise haben wir einen Song darüber, dass unser Schlagzeuger keinen Alkohol trinkt. Und dass wir absolute Schwächlinge sind, kommt auch ständig vor. Folgendes stammt aus dem Song Totgelacht von unserer neuen Platte, die am 25. August erscheint: „Wir bellen immer lauter, doch beißen tun wir nie / Begrüß die arge Albernheiten-Agonie / So wie nicht jede Beute stets nur aus Gold besteht / Ist nicht jeder Pirat ein tätowiertes Kraftpaket“ Sowohl die Klischees, die wir bedienen, als auch deren Brüche passieren bei uns in so überspitzter Form, dass eigentlich klar werden dürfte, dass hinter den Piratengeschichten sicher keine Lebensphilosophie steckt.

Was sagst du zu der Theorie, dass sich Stereotype durch Wiederholung verfestigen, egal wie theatralisch man sie von einer Bühne runterspricht?

Grundsätzlich hast du völlig Recht, ich finde aber, dass man den theatralischen und historisierenden Aspekt nicht ausklammern darf. Besonders durch das unmoderne Setting wird doch deutlich, dass es sich eher um Märchenerzählungen als um ein politisches Statement handelt. Ich unterstelle, dass jeder James-Bond-Film mit den typischen Bond-Girls und dem turbomaskulinen Superspion sexistischer ist als wir. Wir sind ja nun auch keine klassische Mittelalterband, die man erstmal schwierig einordnen muss. In einigen Fällen ist dort tatsächlich die Vermutung zulässig, dass hier der Großbegriff „Mittelalter“ genutzt wird, um ein Weltbild darzustellen, in dem man noch vorwurfsfrei tonnenweise Spanferkel verspeisen durfte und in dem „Frauen noch Frauen“ und „Männer noch Männer“ waren. Bei uns ist das Setting viel enger gestrickt und damit der erzählerische Kontext meiner Meinung nach klar ersichtlich.

Dieses Settings wegen ist noch politischer zu werden – so wie etwa in Der Haifisch – aber nicht geplant, oder?

Eher nicht. Ein paar Ausflüge haben wir aber schon gemacht. Mit dem Abschiedslied haben wir einen Song, der immerhin einen ernsten Hintergrund hat. Der ist entstanden, nachdem unser damaliger Tontechniker sehr jung bei einem Autounfall ums Leben kam. Alles natürlich verpackt in einem Seemannslied. Auf der neuen CD ist außerdem der eher humorige Track Wär’ ich Gouverneur, in dem Mr. Hurley sich überlegt, wie es wäre, selbst mal am Hebel zu sitzen. Dabei steigert er sich von Phantasien von unermesslichem Reichtum über Vetternwirtschaft im System bis hin zu gewalttätiger Pressezensur. Am Ende heißt es dann mit einem Augenzwinkern: „Wenn ich mich gerade selbst so reden hör / Bleib ich lieber Pirat als Gouverneur / Korrupte Autokraten und schlimme Schurkenstaaten / Von Macht besessen und autoritär / Zum Glück gibt’s so was heut’ schon lang nicht mehr“

Ich war mal Teil eines Comedy-Duos, dessen Themenbandbreite sich von vulgär-platt bis politisch-satirisch erstreckte. In einem Interview habe ich dann mal gesagt, dass der einfache Humor ein bisschen so ist, wie von der Mutter als Kind gefüttert zu werden: „Hier kommt das Flugzeug!“ – und auf dem Löffel sind dann die politischen Sachen, mit Anspruch und Message.

Wir sehen uns mehr als Entertainer denn als große Künstler. In den allermeisten Songs, wollen wir einfach nur schöne Geschichten erzählen.

Auch Entertainer können große Künstler sein. Kunst ist ja nicht nur dann groß, wenn sie mit einem politischer Ansinnen verbunden ist. Helge Schneider, einer der größten deutschen Künstler, ist total unpolitisch.

Ich bin grundsätzlich auch der Meinung, dass Entertainment einen sehr künstlerischen Aspekt haben kann – aber eben nicht muss. Und ja, Kunst muss nicht politisch sein, aber zumindest gehört irgendwie dazu, dass noch etwas mehr mitschwingt, als nur gute Laune zu erzeugen. Und das ist es ja eigentlich, was wir wollen: Dass die Leute fröhlich sind. Dennoch würde ich mich auch als Künstler sehen.

Du redest viel von „wir“ und meinst damit dich und deine Bandkollegen, die gleichzeitig deine Brüder sind. Es gibt Bands wie The National oder Madsen, da klappt es super, dass Brüder zusammen Musik machen, und dann gibt es Bands wie Oasis, wo der Bruderzwist zur Trennung der Band führt. Wie ist das bei euch?

Bei uns klappt das wunderbar und in meinem Fall noch besser als mit jeder anderen Band vor den Pulveraffen. Wir kennen uns einfach alle in- und auswendig und das ist, wenn man viel zusammen unterwegs ist, Gold wert. Zudem kommen wir aus einer fast schon unnormal harmonischen Familie und sind quasi in einer rosa Wolke aufgewachsen. Wir haben uns in unserem ganzen Leben erst zwei Mal gestritten. Einmal ging es darum, welche Kinderserie geschaut werden soll, und einmal um Legosteine. Daher würde ich ein Band-Aus wie bei Oasis bei uns als sehr unwahrscheinlich einschätzen.

Bei der Vorstellung, wie drei Piraten sich um Legosteine streiten, musste ich gerade sehr lachen.

Leider muss ich Dich enttäuschen, denn das ist schon ein paar Jahre her. Aber falls es dich etwas tröstet: Auf unseren Nightliner-Touren verbringen wir tatsächlich viel Zeit mit Gesellschaftsspielen. Rock & Roll!

Du bist ja nicht nur ein selbstironischer, sondern auch ein selbstsicherer Mensch. Sind dir kunstbezogene Zweifel und Melancholie fremd? Weißt du auch mal nicht weiter vor Misserfolgen und Fehlschlägen oder gehst du dann nur umso sturer weiter?

Klar hab ich auch Selbstzweifel im Bezug auf die Kunst. Ganz oft sitze ich vor Texten und verwerfe alles wieder, weil mir die Reime nicht gut oder die Wortspiele nicht ausgefeilt genug sind. Und gerade in diesem spezifischen Genre habe ich natürlich ständig Bedenken, ob nicht irgendwann mal alle Piratengeschichten erzählt sind. Grundsätzlich bin ich aber eher ein Optimist, lasse mir dann selbst ein bisschen Zeit und irgendwann kommen dann wieder Ideen. Wirklich anstrengend wird es, wenn bereits Studiozeit für eine anstehende Produktion gebucht ist und die Songs noch nicht den Schliff haben, den ich mir wünschen würde. In solchen Momenten liege ich oft Nächte lang wach und denke über Halbsätze oder Melodiefetzen nach.

Liegst wach, aber findest schlussendlich eine Lösung?

Irgendwann schon… Aber nicht zwingend in der gleichen Nacht.

Aber so ganz klassische Zweifel aus der Zeit vor dem Major-Deal kennst oder hattest du nicht? Dass du nicht gut genug bist, dass keiner deine Musik mag, dass du nie Erfolg haben wirst?

Doch, klar gibt es das auch. Vor allem weil ich – wenn ich ehrlich bin – kein besonders talentierter Musiker bin. Ich kann weder wahnsinnig gut Gitarre spielen, noch bin ich ein herausragender Sänger. Ich kann auch keine Noten lesen oder habe riesiges musiktheoretisches Wissen. Das hat es am Anfang natürlich zum Teil auch einfacher gemacht, weil ich eigentlich nie davon ausgegangen bin, irgendwann mal mit der Musik mein Geld verdienen zu können. Das war immer eher ein Hobby. Diese Zweifel kommen tatsächlich vermehrt jetzt, wo wir „bei den Großen mitspielen“. Da mit meinen zweifelhaften musikalischen Fähigkeiten mithalten zu „müssen“ ist schon eine Angst.

Mal davon abgesehen, dass auch die Großen nicht alle gute MusikerInnen sind: Wie gehst du mit der Angst um?

Ich versuche mir einzureden, dass es schon irgendeinen Grund haben wird, dass immer mehr Menschen zu den Konzerten kommen und mittlerweile sogar Universal Records mit uns arbeiten möchte. (lacht)

Du lachst, aber das sollte doch angesichts der Umstände leicht in die Tat umzusetzen sein.

Sollte es eigentlich, oder? Ist es aber natürlich nicht immer. Ich denke oft drüber nach, ob wir nicht bislang einfach zu viel Glück hatten…

Es ist, das stelle ich immer wieder fest, sehr schwierig, mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Egal, ob man Indie-KünstlerIn oder bei einem Majorlabel unter Vertrag ist. Das gehört wohl (leider) zum Menschsein.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Allerdings kann ich im Großen und Ganzen sagen, dass ich auf künstlerischer Seite aktuell sehr zufrieden bin. Unsere neue Platte ist – finde ich noch immer – wahnsinnig toll geworden, und alles drum herum ist gerade unfassbar spannend.

Mehr über Mr. Hurley und die Pulveraffen. 

Bildquellen

  • 20170723_140034: Foto: Lisa Appeldorn