Debütroman von Takis Würger: Der Club, in dem man kein Mitglied sein will

Takis Würgers Debüt Der Club ist ein glänzend geschriebenes Stück Literatur über einen boxenden Außenseiter und seinen Kampf gegen eine verkrustet elitäre Männerwelt. Martin Spieß hat es gelesen.

Schubladendenken ist nie besonders förderlich. Es braucht nur ein paar Signalwörter und schon hat man eine Sache verortet. Ist ja auch so schön einfach: Es spart Zeit, Auseinandersetzung und Diskurs. Auch die Lektüre von Takis Würgers Debütroman Der Club lädt dazu ein: Man liest Cambridge, Boxclubs und Elite, und denkt sofort an verschwörerische Männerrituale, an Brunftgeschrei und Brustgetrommel.

Männer die Entscheider, Frauen nur Staffage

Es ist allerdings naheliegend, dass Würger das genauso beabsichtigt – damit die Konklusion dieser so zurückgenommen erzählten, genialen Geschichte umso dramatischer ausfällt. Die Geschichte beginnt im Deister, einem niedersächsischen Wald, in dem der Protagonist Hans mit seiner krebskranken Mutter und seinem Vater in einem kleinen Haus lebt. Der Vater bringt ihm den Boxsport nahe, fährt ihn zum Training und zu Wettkämpfen – und stirbt schließlich bei einem Unfall. Ein halbes Jahr später stirbt auch seine Mutter, Hans kommt ins Internat, weil seine englische Tante Alex ihn nicht zu sich nehmen will. Das ändert sich aber, als sie ihm ein Stipendium für Cambridge besorgt: Er solle Mitglied im Pitt Club werden, einer Vereinigung von Boxern, und dort ein Verbrechen aufklären. Was das ist, erfahren weder Hans noch die LeserInnen, und Letzteren bleibt wenig anderes übrig, als Ersterem dabei zuzuschauen, wie er sich Zugang zu elitären Kreisen zu verschaffen versucht – und sich dabei in die Studentin Charlotte verliebt. Schon auf dem Internat war Hans Außenseiter, traf sich am liebsten zum Boxtraining mit einem sudanesischen Pater im Weinkeller. Auch in Cambridge gehört er nicht so recht dazu, und will es auch nicht. Noch weniger, weil er nicht weiß, um was für ein Verbrechen es geht, wonach er Ausschau halten, was er finden soll. Sein Unmut wächst, und doch gelingt es ihm, immer tiefer einzudringen in eine Welt, in der Männer die Entscheidungen treffen, und Frauen minimal bekleidete Staffage sind.

Trauma, Heilung und Rache

Lange Zeit weiß man nicht, wohin die Geschichte geht, man fürchtet sogar, dass Würger in Der Club eine Hommage oder gar Liebeserklärung an seine eigene Zeit in Cambridge schreibt, so spartanisch ist seine Sprache, so angedeutet und zögerlich die Haltung des Helden. Dieser Eindruck wird verstärkt dadurch, dass Würger nicht nur aus einer Perspektive schreibt, sondern aus mehreren – darunter die von Josh, dem etwas zu klischeehaften Abziehbild des privilegierten Cambridge-Boxers. Es ist dies dann auch die einzige Schwäche des Buches: Die in diesen Fällen zu stereotyp ausfallende und deshalb unauthentisch wirkende Sprache. Man kann einer Figur auch anders Oberflächlichkeit und Affektiertheit verleihen, als sie Wörter wie „Bam“ oder Sätze wie „wie geil ist bitte Butter?“ sagen zu lassen. Und dennoch ist Der Club selbst an keiner Stelle oberflächlich oder gar affektiert. Was anfangs wirkt wie eine chauvinistische Räuberpistole über Zigarren verqualmte Hinterzimmer, entwickelt sich zu einer quasi-feministischen Geschichte über Trauma, Heilung, Rache – und schlussendlich auch Liebe. Zu Recht wird Takis Würgers Debüt von der Kritik gefeiert. Man kann sich nur wünschen, von diesem Autoren bald mehr zu lesen.

Takis Würger: Der Club
Kein & Aber, 2017
217 Seiten, 22,00 €
ISBN: 978-3-0369-5753-1