Punk als Antwort auf Corona

Madsen nehmen sich auf ihrem achten Album Na gut dann nicht eine Corona bedingte Auszeit vom Rock. Gut gelungen, findet Martin Spieß.

Eigentlich war für dieses Jahr ein ganz anderes Madsen-Album geplant. Aber dann kam Corona (wie oft ist dieser Satz in diesem Jahr wohl schon verwendet worden?) und die Band bestehend aus den drei Madsen-Brüdern Sebastian (Gesang und Gitarre), Johannes (Gitarre) und Sascha (Schlagzeug) sowie Niko Maurer (Bass) fand, dass es nicht die Zeit sei für eine reguläre Rock-Platte. Und welches Genre eignet sich besser als der Punk, um diesem in vielerlei Hinsicht ätzenden Jahr seinen Frust entgegenzuschreien?

An den Rock-Sound von Madsen gewöhnte Hörer*innen werden vermutlich erstmal irritiert sein von Na gut dann nicht, so sehr knallt es stellenweise, so garagesk klingt es zuweilen, so bölkig bis brachial ist es. Wenn Madsen auf ihren bisherigen Alben auch immer wieder punkige Anleihen hatten, scheint hier eine ganz neue Seite auf, zumal alle vier Bandmitglieder ans Mikrofon treten. „Wir haben als Kollektiv nie so gut funktioniert, wie auf diesem Album“, findet Sebastian Madsen. Und man ist geneigt, ihm zuzustimmen.

Punk und Politik

„Keiner hat mehr Bock auf Gitarren und Lärm / keiner hat mehr Bock, sich über Bullen zu beschweren“, singt er im zweiten Song Herzstillstand, der eine Wiederbelebung von Punk beschwört und am Ende ein Lied der Goldenen Zitronen modifiziert: „Für immer Punk, möchte ich sein, für immer Punk / Willst du wirklich Influencer werden?“

Dreckige „1, 2, 3, 4!“-Rufe ziehen sich genauso durch das Album wie politische Messages. Madsen zeigen den Fuckfinger Coronaleugner*innen und Verschwörungstheoretiker*innen (in Behalte deine Meinung), Rassist*innen (in Wenn du am Boden liegst), alten weißen Männern (in A. W. M.) und all den Menschen, die die Probleme da draußen sehen, aber nichts dagegen tun in Protest ist cool, aber anstrengend: „Protest ist cool, aber anstrengend / schon super wichtig, dass es sowas gibt / wär schon gut, wenn irgendjemand anfängt / dann läufst du auch liebend gerne mit“

Das Album selbst ist Protest, Affekt oder gar Affektiertheit aber sucht man vergeblich auf Na gut dann nicht. So sagt Sebastian Madsen ganz treffend über die Platte: „Was alles in dieser Welt falsch läuft, nimmt man ja gerade in dieser Zeit noch viel bewusster war. Ich mag diese respektvolle Respektlosigkeit im Punk – sie hilft dabei, sich klarer und politischer auszudrücken.“

Protest, ohne Pose zu sein

Die Welt ist (nicht nur aufgrund von Covid-19) im Ausnahmezustand, Na gut dann nicht die logische Konsequenz für Madsen: Wenn nicht auf Tour gefahren werden kann, wenn Festivals ausfallen, Clubs (unwiederbringlich?) schließen oder Crowdfunding-Kampagnen machen, um zu überleben, und Künstler*innen-Existenzen kaputtgehen – wie soll man da etwas anderes machen als Punk?

Eine fantastische Platte

Und so findet das Album mit dem letzten Track Na gut (Benjamin von Stuckrad-Barre) seinen würdigen Abschluss: Benjamin von Stuckrad-Barre, (einstiger) Pop-Literat und (immer noch) Musikexperte bespricht das Album, indem er den Duden-Eintrag des Wortes „Punk“ vorliest, während der Song Na gut dann nicht im Hintergrund läuft. Das ist fast ein bisschen zu meta für Punk, aber eben nur fast. Und Benjamin von Stuckrad-Barre hat ja recht, wenn er sagt: „Ah, is das geil. (…) Eine fantastische Platte.“